Abonnieren Sie unseren WhatsApp Newsletter!
Um zu starten, müssen Sie nur die Nummer +49 1579 2381622 in Ihrem Handy abspeichern und diesem neuen Kontakt eine WhatsApp-Nachricht mit dem Text "Start" schicken.
Schauspiel von Ariane Mnouchkine
Theater der Zeit, 1. Dezember 2018
(von Günther Heeg)
"Die letzte Katawanserei" ist das Stück der Stunde.
Schwarzwälder Bote, 5. Oktober 2018
Ein bedrückendes Kaleidoskop der Schicksale
(von Christoph Holbein)
"Die letzte Karawanserei" am LTT offeriert intensive und erschreckende Szenen
Sangatte, die französische Kleinstadt nahe Calais, Kabul, Teheran, der indische Ozean und Melbourne sind einige der Stationen der verschiedenen „Odysseen“ jener Menschen, die vor Unterdrückung, Verfolgung und Krieg in eine vermeintlich bessere Welt flüchten oder sich in ihrer Heimat gegen Hass und Vorurteile auflehnen. Es sind das auch die Stationen im Schauspiel „Die letzte Karawanserei“ von Ariane Mnouchkine, das in seiner deutschen Fassung von Stefan Schnabel und Christoph Roos, der auch Regie führt, am Landestheater Württemberg-Hohenzollern Tübingen Reutlingen (LTT) eine streckenweise intensive und eindrückliche Premiere feiert. Auf der Bühne im LTT-Saal entwickelt sich ein schlaglichtartiges Spiel der verschiedenen Geschichten, Szenen und unterschiedlichen Schauplätze: ein Kaleidoskop der Schicksale.
Nicht alle Szenen haben die gleiche Intensität, nicht alle fesseln, manches wirkt auch ein wenig bruchstückhaft, aber insgesamt eröffnet sich den Zuschauern ein tiefer, mitunter erschreckender Einblick in die geschundenen Seelen der Protagonisten. Die Nuancen des Spiels des gut aufgelegten Ensembles wechseln dabei, sind mal traurig, mal grausam, mal sanft, mal laut, mal hoffnungsfroh und dann wieder brutal. (...)
Das Anliegen, gegen die soziale Kälte Theater zu machen, den Blick zu schärfen für die Würde und Zerbrechlichkeit des menschlichen Lebens, wird glaubhaft. Und inmitten der erschreckenden Informationen, inmitten aller kritischen Anspielungen und Anklagen, inmitten der Wünsche, Ängste und Hoffnungen der Geflüchteten, inmitten des verzweifelnden Aufschreies eines Flüchtlings: „Ich sterbe lieber im Wasser als in Tränen“ - wird das LTT zum geschützten Ort, eben zu dieser „letzten Karawanserei“, zu dieser sicheren Herberge, an der das Lagerfeuer der Empathie und des Mitgefühls Wärme spendet.
Schwäbisches Tagblatt, 1. Oktober 2018
Identitätswechsel der Schicksale und Gefühle
(von Wilhelm Triebold)
Oberspielleiter Christoph Roos beginnt die neue Spielzeit am Tübinger Landestheater mit einer schlanken Version von Ariane Mnouchkines Flüchtlingsstudie "Die letzte Karawanserei" und vermeidet damit übermäßigen Betroffenheitskitsch. Die verflochtene Handlung soll herauslocken aus der Komfortzone der bürgerlichen Sicherheit und ans Gewissen appelieren.
(…) Jeder und jede aus dem neunköpfigen "Karawanserei"-Ensemble hat drei, vier, im Extremfall fünf Rollen zu bewältigen. Ein Identitätswechselspiel der Schicksale und damit verbundenen Geschichten. Sie werden nicht einfach nur nacherzählt, sondern bis zur Kenntlichkeit angedeutet. Sie springen von den Drangsalierungen eines afghanischen Liebespaares durch finster lauernde Mullahs umstandslos zu Elendsflüchtenden aus tschetschenischem Kriegsgebiet, von der persischen Mittelstandsfamilie, die ebenfalls vom religiösen Furor bedrängt wird, ohne größere Umschweife zur russischen Babuschka, die einfach das bessere Leben sucht.
Solche Bedrängungs- und Bedrohungsszenarien als Fingerzeige auf Fluchtursachen sollen noch einmal verdeutlichen, wie herzlos jedes Abschotten, ja sogar jedes Regulieren erscheint. Die Neun vom Landestheater spielen das auch mit Herzblut und Überzeugungskraft, mitunter mit Leidenschaft. Vor allem Florenze Schüssler, die gleich drei verschiedene junge Geflüchtete verkörpert, überzeugt hier schauspielerisch, ebenso Stephan Weber, der als abgebrühter serbischer Chef-Schlepper Yosco durchaus auch eine "menschliche" Seite (als treusorgend telefonierender Familienvater) zeigen darf.
Yoscos Geschäftsmodell ist ein Loch im Zaun, das den Geflüchteten das Heil verspricht, auf den rettenden Eurotunnel-Zug in Richtung England aufspringen zu können. Dieser Yosco, der Familien auseinanderreißt oder Mitschuld trägt, wenn einem beim Aufspringen das Bein abgerissen wird, ist Herr über triste Wirklichkeiten oder Zukunftsverheißungen, über Not und Elend oder die Chance aufs bessere Leben, auch Herr über Leben oder Tod. Er kassiert und lässt passieren. Oder auch nicht.
Am nachdrücklichsten sind neben den Kampfszenen am Zaun sicherlich die Verhöre, die der irakische Schutzflehende Salahaddin Al Bassiri in einem australischen Ausländerbüro über sich ergehen lassen muss. Auf der LTT-Bühne, eingeschlossen im Bretterkreis, gibt der Schauspieler Jürgen Herold zunehmend verzagt-verzweifelt Auskunft über ein alternativloses Leben, über die Lügen und Wahrheiten, die ihm der staatliche Rechtsvertreter mit dem offensichtlichen Ziel entlockt, den Unbequemen hinterher ausweisen zu lassen. Hier ist die Schräge, die Ausstatterin Katrin Busching entworfen hat, passendes Sinnbild dafür, wie alles ins Rutschen kommt.
Am Ende schlägt die LTT-Inszenierung den Bogen ins Hier und Heute. Sie versteht sich zwar nicht als Dokumentartheater, in dem coram publico Statements oder Berichte vorgetragen werden. Doch nun steht ein Schauspieler am Mikro und verliest die Klage eines Flüchtlings, der vor über 17 Jahren an der australischen Küste auf einem Seenot-Rettungsschiff dümpelte, bis es die Behörden unbarmherzig abwiesen.
Was sich seitdem geändert hat? Der letzte Satz dieser Aufführung macht's klar: "Am 23. September 2018 wurde die private europäische Seenotrettung eingestellt."
Reutlinger Generalanzeiger, 1. Oktober 2018
(von Kathrin Kipp)
"Die letzte Karawanserei" von Ariane Mnouchkine am LTT: Das Elend der Welt im Schnelldurchlauf
(...) Angesichts eines Oberbürgermeisters, der beim »Wir können nicht allen helfen«-Populismus gerne mal mitpoltert, und angesichts einer Gesellschaft, in der genau die Werte zerbröseln, wegen der viele geplagte Freiheits- und Rechtsstaatsfans zu uns flüchten, greift das LTT mit seiner jetzigen Premiere zurück zum schlichten, schulischen und dokumentarischen Aufklärungsstück »Die letzte Karawanserei«, das Ariane Mnouchkine nach vielen Gesprächen mit Geflüchteten im legendären Théâtre du Soleil in Paris 2003 uraufgeführt hat. Authentische Geschichten, erzählt in einem »geschützten Rahmen« wie einer Karawanserei, wo Reisende aller Kulturen aufeinandertreffen.
Im Jahr 2018 hat sich an den Schicksalen nicht viel geändert und die Abschottungspolitik sogar noch verstärkt – nicht umsonst weist die LTT-Aufführung am Ende auf das aktuelle Verbot der privaten Seenotrettung auf dem Mittelmeer hin. Geändert haben sich auch nicht die Fluchtursachen, und das, was die Menschen alles auf sich nehmen, um zu flüchten.
