Rolf Kindermann · Foto: Thomas Müller
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Tagebuch eines Wahnsinnigen

Monolog von Nikolai Gogol


Schwäbisches Tagblatt, 2. Juni 2021

Die Kontrolle verlieren

(von Dorothee Hermann)

Rolf Kindermann lässt am Landestheater Tübingen Gogols Monolog „Tagebuch eines Wahnsinnigen“ funkeln.

Der seltsam förmlich gekleidete Mann kommt ein bisschen zu spät, als müsse er sich erst an die Gegenwart herantasten, denn er kommt offensichtlich aus einer anderen Zeit. Zwar aktualisiert die Fassung von Werner Buhss den Monolog von Nikolai Gogol zu „Der Mitarbeiter“. Doch der Protagonist im absurd-beklemmenden Regie-Debüt von Sarah Larisch agiert nicht nur an der Grenze von verrückt und normal, sondern auch zwischen dem 19. und dem 21. Jahrhundert. Eine gewisse Fremdheit und bis zuletzt auch eine große Würde gehen von ihm aus. Am Sonntagabend war Premiere auf der Hofbühne des Landestheaters Tübingen (LTT).

Der Mann im grauen Anzug, mit Hornbrille und schwarzer Kappe ist Propristschin (sehr. eindrucksvoll: Rolf Kindermann), der an seinem Arbeitsplatz im Ministerium fast immer übersehen wird. Zuletzt sagte ihm sein Abteilungsleiter: „Sie funktionieren nicht mehr richtig. Sie laufen nicht mehr ganz rund.“ Der gedemütigte Untergebene bringt die Worte nicht mehr aus seinem Kopf.

Es wäre leicht, sich über seine albern wirkende, nach heutigem Wissensstand sexistisch gefärbte Schwärmerei für die Tochter des Staatssekretärs lustig zu machen. Um an die aus der Ferne Bewunderte heranzukommen, belauscht er deren Hündchen und behauptet, es würde mit einer angebeteten Artgenossin Briefe tauschen. Aus diesen erhofft Propristschin sich Informationen für eine nähere Bekanntschaft.

Wenn er die junge Frau vorbeistöckeln sieht, ist er nicht mehr ganz bei sich. Und besitzt doch eine Verletzlichkeit und eine Ernsthaftigkeit, die jede Lächerlichkeit zurückweist. Zugleich nimmt er schier überscharf wahr, wie sich die gleichförmige Behördenroutine bis ins körperliche Erscheinungsbild auswirkt.

Das Bühnenbild erinnert an einen kahlen Amtsflur (die Ausstattung hat ebenfalls Larisch übernommen): eine scheinbar neutrale Zwischenwelt, in der sich die Dinge banal oder schrecklich entwickeln können. Eine Art Klemmbrett stellt einen Kalender dar, von dem Propristschin jeden Tag einen seltsamen Sinnspruch abliest, etwa: „Es gibt nichts Schöneres auf der Welt als einen Menschen, der seine Arbeit liebt.“

Als er immer stärker in den Wahn abgleitet, überrascht er damit, welche erstaunlichen Dimensionen er für sich erobert. Wie er den Bühnenraum weitet, während sich bereits die Zwangsjacke um ihn zu schließen droht.


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Reutlinger General-Anzeiger, 1. Juni 2021

Er läuft nicht mehr rund

(von Thomas Morawitzky)

Rolf Kindermann gibt in »Tagebuch eines Wahnsinnigen« auf der LTT-Hofbühne einen an der Welt Verzweifelnden

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