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Ein Stück über brave Mädels und Nazi-Omas von tjc (Theaterjugendclub am LTT) & Frauentheater Purpur in Zusammenarbeit mit der Geschichtswerkstatt Tübingen
Uraufführung
14+
Schwäbisches Tagblatt, 4. April 2016
(von Dorothee Hermann)
Das LTT-Jugendstück "Täterinnen" und die Mechanismen der Ausgrenzung
Beate Zschäpe ist eine der wenigen rechtsradikalen Frauen, auf die eine breite Öffentlichkeit aufmerksam geworden ist. Das Stück "Täterinnen - Ein Stück über brave Mädels und Nazi-Omas", das der LTT-Theaterjugendclub und das Frauentheater Purpur gemeinsam auf die Bühne brachten, möchte die Frauen am rechten Rand stärker in den Blick rücken (Regie: Uschi Famers und Tobias Ballnus). Zur Premiere am Samstag in der ausverkauften LTT-Werkstatt kamen mehr als 100 Zuschauer.
Die Bühne präsentiert sich zunächst als minimalistischer Campingplatz. Die Zelte sind noch geschlossen. Wer die Gäste sind und wie sie politisch ticken, ist zunächst offen. Es bleibt dem Zuschauer überlassen, die Figuren danach einzuschätzen, wie sie sich zueinander verhalten und was sie sagen.
In der gleichen Situation, nicht zu wissen, mit wem sie es zu tun haben, finden sich auch fünf Jugendliche, die bei einer gemeinsamen Wandertour auf dem Platz übernachten. Die anderen Gäste, die Truppe um Frau Hartmann (Ulla Huhn), scheint auf den ersten Blick bloß übertrieben ordentlich.
Dass in der scheinbar so übersichtlichen Szenerie etwas nicht stimmt, signalisiert der hektische Auftritt von zwei seltsam inkompetent wirkenden Kriminalbeamtinnen, die es aus irgendeiner untergegangenen Bürokratie auf die Bühne gespült haben könnte: In der Nacht hat es in einer geplanten Flüchtlingsunterkunft in der Nähe gebrannt.
Die Inszenierung wird unterstützt von der Landeszentrale für politische Bildung. Die Tübinger Geschichtswerkstatt stellte biografisches Material von NS-Täterinnen aus Tübingen zur Verfügung. Beispielsweise von der sogenannten Reichsfrauenführerin Gertrud Scholtz-Klink, die bis zu ihrem Tod im März 1999 in Bebenhausen wohnte. Wenn diese Täterinnen starr wie Puppen mit ihren straffen Frisuren und der überkorrekten (Berufs-)Kleidung Nazi-Phrasen von einst von sich geben, gelingen der Inszenierung die gespenstischsten Szenen.
Kleidung, Frisuren (penibel geflochtene Zöpfe) und einschlägige Symbole (Hakenkreuzfahne) weisen überdeutlich auf die braune Vergangenheit. Die unwahrscheinliche Rächerfigur (Achtung, Jugendkultur!) könnte hingegen aus einem Comic, einem Computerspiel oder einem Actionfilm stammen. Doch das Stück zielt auch auf Emotionen, treibt die Figuren in die Enge, wenn sie entscheiden müssen, wie sie sich verhalten sollen, wenn um sie herum plötzlich immer mehr Leute offen rechts sind. Oder wenn den Jugendlichen von Erwachsenen vorgeführt wird, wie rassistische Ausgrenzung funktioniert.
Das mag als erster Anstoß dienen, sich weiter mit der Rolle von Frauen im Rechtsextremismus auseinanderzusetzen - oder mit der eigenen Haltung zu rassistischer Hetze. Man kann den Zugang über bekannte Stereotypen auch ein bisschen dünn finden. Statt einfach Sätze vom Stammtisch aufzunehmen, wäre der Hintergrund einer solchen Figur auszuleuchten: Warum ist Till (Hans Ehlers) so schnell dabei, Flüchtlinge abzuwerten? Stattdessen präsentiert er unreflektiert eine derzeit scheinbar gängige Meinung.
Insgesamt bleibt dieser Bühnen-Campingplatz völlig abgeschottet von der Gegenwart in einer Welt, die sich erheblich vielfältiger präsentiert, als es bei diesem Neonazi-Jugendlager den Anschein hat. Wenn das ein knüppeldicker Hinweis auf die Mentalität von Rechten sein sollte, ist er ziemlich plakativ ausgefallen.
Schwäbisches Tagblatt, 2. April 2016
(von Antje Feldkamp-Rembeck & Annelie Straub (LTT-Vorbericht))
"Täterinnen" - eine Coproduktion von LTT-Jugendclub und Purpur
Am heutigen Samstag hat " Täterinnen" am LTT Uraufführung, entstanden aus der Zusammenarbeit von tjc (Theaterjugendclub am LTT) und dem Frauentheater Purpur. Die Regieassistentinnen Annelie Straub und Antje Feldkamp-Rembeck sprachen mit den beiden Spielleitern Uschi Famers und Tobias Ballnus, sowie den Darstellerinnen Ruth Sprondel vom Frauentheater und Jette Bachmann vom tjc.
Straub / Feldkamp-Rembeck: Wie kam es dazu, dass der Theaterjugendclub und das Frauentheater Purpur ein gemeinsames Theaterprojekt erarbeiten?
Tobias Ballnus: Mir spukte seit einiger Zeit im Kopf herum, etwas zum Thema Nationalsozialismus zu machen. Dann kam von den Jugendlichen der Impuls, mit dem Frauentheater zusammen zu arbeiten. Die beiden Ideen ließen sich gut miteinander verknüpfen. Auch Uschi Famers war sofort begeistert.
Uschi Famers: Ich fand das für die Purpurfrauen eine interessante Spielbegegnung von jung und alt, die wir schon einmal sehr erfolgreich vor 12 Jahren mit der Produktion "Entgleisungen" hatten.
Was hat Sie an den Themen "Frauen im Nationalsozialismus" und "Frauen in der rechten Szene" gereizt?
Ballnus: Wenn man Geschichten aus Nazi-Deutschland erzählt, finde ich den Blickwinkel wichtig. Vieles kennen und wissen wir, und wollen es vielleicht auch nicht mehr hören und sehen. Dennoch ist die Auseinandersetzung gerade für Jugendliche natürlich wichtig. Frauen als Täterinnen in dieser Zeit zu beschreiben, ist noch fast ein Tabu.
Wie sind Sie während der Probenzeit vorgegangen, um diese Themen auf die Bühne zu bringen?
Famers: Bei den Recherchen und in der Literatur entdeckten wir konkrete Biografien, solche aus der Nazizeit und heutige. Einige von ihnen haben wir als Rollenfiguren weiter entwickelt. Bei den Frauen im Nationalsozialismus haben wir uns streng an die vorliegenden Biografien gehalten. Daraus ist ein Chor von Nazifrauen entstanden, der ausschließlich originale Texte ihrer Zeit spricht.
Frau Sprondel, Sie sind die älteste Darstellerin in "Täterinnen". Gibt es Erinnerungen an weibliche Gewalt während Ihrer Jugend im Nationalsozialismus?
Ruth Sprondel: Die Erinnerung an eine Szene mit einer jungen BDM-Führerin in unserem Dorf vor 72 Jahren. Ich war elf Jahre alt. Sie teilte Ohrfeigen aus. Ich war empört und haute zurück.
Was hat Sie bei der Arbeit an "Täterinnen" überrascht?
Sprondel: Wie grauenhaft und mit welcher Euphorie Frauen an den NS-Verbrechen beteiligt waren. Nie hatte ich darüber erfahren. Da es ein menschliches Problem ist, erlebe ich jetzt, wie man mit Ironie, Leichtigkeit und Ehrlichkeit diesem Thema begegnen kann. In meiner Rolle habe ich die Möglichkeit, eigene Hässlichkeiten offen anzugehen. Und seit dieser Arbeit bin ich aufmerksamer auf die rechte Politik, höre interessierter und genauer hin.
Jette, hat sich Deine Sicht auf Nazi-Deutschland und auf die heutige rechte Szene durch die Arbeit an " Täterinnen" verändert?
Jette Bachmann: Mir wurde dadurch viel deutlicher bewusst, wie einfach Jugendliche in rechtes Denken verfallen. Auch achte ich bei anderen Menschen mehr auf "Kleinigkeiten", die solche Ansichten verraten könnten.
Warum sollten Menschen ab 14 Jahren "Täterinnen" anschauen?
Bachmann: Ich leg das Stück vor allem Jugendlichen ans Herz, weil sie das Thema momentan viel in der Schule behandeln. Für manche scheint es sogar schon "durchgekaut" und daher denke ich, dass es ihnen eine neue Sicht auf das Thema gibt. Natürlich kann ich es auch anderen Altersgruppen empfehlen, da es einfach jede Generation anspricht.