von Heiner Müller · 18+
Theater der Zeit, 3. April 2022
Krankhafte Leidenschaft in der Apokalypse
(von Elisabeth Maier)
Brigitte Maria Mayer inszeniert Heiner Müllers „Quartett“ am Landestheater Tübingen
Merkur, 17. März 2022
(von Susanne Greiner)
Beide Schauspieler meistern dieses Wort-Monsterwerk in gestochen scharfer Brillanz
Schwarzwälder Bote, 16. Februar 2022
Wirkgewaltung und nicht selten verstörend
(von Christoph Holbein)
Inszenierung von Heiner Müllers Stück „Quartett“ in Tübingen lotet Grenzen aus
An Heiner Müller und seinen Werken scheiden sich mit Sicherheit die Geister. Sein Œuvre mag nicht jedem gefallen. Was aber Regisseurin Brigitte Maria Mayer an Interpretation und Aussagekraft in ihre Inszenierung des Stücks „Quartett“ legt, ist durchaus einen Theaterbesuch in der Werkstatt des Landestheaters Württemberg-Hohenzollern Tübingen Reutlingen (LTT) wert. Mit wirkgewaltigen und manchmal brutalen Bildern, die immer wieder aufwühlen, verstören und erschrecken, macht sie die Zerstörung und moralische Vernichtung, die Autor Heiner Müller mit seiner bestialischen Rhetorik bis in die Finessen des Satzbaus zelebriert, plakativ deutlich.
Die Regisseurin setzt dabei viele und starke religiöse Zeichen. Im Zentrum der Bühne – auch das Bühnenbild hat Brigitte Maria Mayer kreiert - steht vor Videowänden, die in wechselnden Farben grell erleuchten, ein wuchtiger Altar, darüber hängt eine (über)lebensgroße Jesus-Figur, aus deren Wunde es später blutet. Geistliche Musik erklingt. Die Protagonisten beten das „Vater unser“ und das Glaubensbekenntnis, Kelch, Hostie, Weihwassersprengel bilden Insignien des Spiels. Im Priestergewand treten die sexuelle Vereinnahmung und Gewalt zu Tage.
„Quartett“ ist ein Stück für zwei ambitionierte, ausdrucksstarke und engagierte Schauspieler, die ihre Grenzen auslosten und bereit sind, darüber hinaus zu gehen. Susanne Weckerle als die Marquise von Merteuil und Stephan Weber als Vicomte von Valmont gelingt das kongenial. Ihr Spiel ist stark; sprachlich, körperlich, gestisch und mimisch ausgereift und übersetzt den Zynismus und die Boshaftigkeit in greifbare, treffend gesetzte, manchmal sogar komödiantische Szenen. Zu dieser dichten Atmosphäre tragen auch die Video-Einspielungen bei mit ihrer brachialen Deutlichkeit: Henriette Weckherlin und Christoph von Reichenbach mimen hier als Mädchen und Junge die „Gespiel*innen“ in einer bildgewaltigen Präsenz.
Die Sprache Müllers ist dicht und drastisch – „die Ewigkeit als Dauer-Erektion“ – und Mayer untermalt diese Bestialität mit einem Farbenspiel auf den Videowänden und dem gut erarbeitenden Spiel der Protagonisten, die im Rollentausch auch den Part ihrer Opfer übernehmen und deren Demütigung bis ins letzte Detail auskosten, was bis zur Entblößung und Nacktheit eskaliert. Damit schafft die Regisseurin klare, wahnsinnige Bilder dieser wollüstigen Freude, mit der sexuellen Lust an der Zerstörungskraft eines amoralischen Rationalismus zu experimentieren: Marquis de Sade lässt grüßen.
Stephan Weber sagt zum Schluss in seiner Rolle: „Ich hoffe, dass mein Spiel Sie nicht gelangweilt hat. Das wäre in der Tat unverzeihlich.“ Nein, das hat die Inszenierung in der LTT-Werkstatt ganz gewiss nicht.
SÜDWEST-PRESSE, 14. Februar 2022
(von Wilhelm Triebold)
Merksätze wie geronnener Büchner
Die Deutsche Bühne online, 13. Februar 2022
Die Gier und der blutende Erlöser
(von Thomas Morawitzky)
Heiner Müllers dichter, elegant abgründiger Text, der sie in die Spirale der Selbstvernichtung treibt: Die Darsteller brillieren ausdrucksstark, facettenreich in dieser Inszenierung
Nachtkritik, 13. Februar 2022
(von Thomas Rothschild)
Ein großer Wurf für die kleine Spielfläche der Werkstatt im Tübinger Landestheater