Farce von Rosa von Praunheim · 16+
Kupferblau, 19. Juni 2023
Hitler und seine Ziege: A Love Story Not To Remember
(von Lukas Lummer)
Zwischen Gegenwart und Vergangenheit bewegt sich von Praunheims Stück “Hitlers Ziege und die Hämorrhoiden des Königs”. AfDler, die Hitler wieder auferstehen lassen und dabei singen “AfD, AfD, Arschlöcher für Deutschland” sind nur die Spitze des Eisbergs und lassen nur erahnen, welche abgedrehten Machenschaften noch in den Räumen des LTTs folgen werden.
Ich schreite durch die Eingangstür des LTTs und suche hastig nach dem Weg zum LTT-oben. Ich bin, wer hätte es gedacht, knapp dran. Bevor ich aber die Treppen erblicke, bleibt mein Blick stehen auf einem Mann mit Anzug. Haare nach hinten geschmiert steht er da, Flyer in der Hand und Deutschland-Flagge am Revers. Mir wird mulmig als ich bemerke, dass er an der Treppe steht, die ich eigentlich jetzt hoch eilen wollte. Ich stelle mich an und bekomme prompt einen Flyer in die Hand gedrückt. Auf den ersten Blick, ein Flyer getreu dem Design der AfD entpuppt er sich als Vorspiel zum Stück des heutigen Abends. Im von Blaulicht durchtränkten Saal angekommen, nutze ich die letzten Minuten vor Beginn zum Lesen: Auf der Rückseite ist ein provokant formulierter Text zur “woke culture” zu lesen und wie das LTT gar nicht woke sein wolle. Abschließend die Worte: “Wir wollen eine kraftvolle Kunst, die ihre Freiheit freiwillig der guten Sache andient. Ganz egal, wie gut die Sache ist.” Da wusste ich noch nicht, wie kraftvoll die Kunst der heutigen Vorstellung daneben gehen wird.
Viele von euch kennen wahrscheinlich aus der Kindheit noch die Geschichte vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat. Das ist eine Geschichte, die ich sogar heute noch ganz amüsant finde. Nicht so amüsant fand ich, was nach dem Lesen des Flyers folgte. Mitten auf der Tribüne ist ein Jesus auf einer Toilette stehend ans Kreuz genagelt. Der schmierige Mann aus dem Foyer kommt auf die Bühne und gibt seinen Vortrag zum Besten. Es ist so originalgetreu, dass mir wieder eher unangenehm wird. Während des Vortrags klebt er in einer vermeintlich unbedeutenden Geste dem Jesus einen Hitler-Bart auf. Zum Vortrag gehört auch das Lied “AfD, AfD, Arschlöcher für Deutschland”, gesungen von einem AfD-Funktionär, wohl fast mein Highlight des Abends. Nach der ersten musikalischen Einlage von vielen wird es von hieran jedoch nicht besser. Dass Jesus am Kreuze wiederaufersteht und dabei die Reinkarnation von Hitler selbst darstellt, steht beispielhaft dafür, wie schrill, absurd und auch geschmackslos der Abend für mich werden wird.
Der frisch auferstandene Führer bekleidet sich schnell und sucht nach Erika. Wer Erika ist, bleibt offen. Vor ihrem ersten Auftritt passiert auch noch einiges; mehr Musikeinlagen, der Führer zu Gast bei Markus Schwanz. Geprägt ist das gesamte Stück von viel Fäkal-Humor und tiefgehenden Erzählungen über Hitlers sexuelle Präferenzen. Weshalb in diesem Stück eine Ziege eine so zentrale Rolle spielt? Sie ist hier der Grund, weshalb Hitler nur noch einen Hoden hat. Ich hätte auf eine bildliche Darstellung des Vorgangs verzichten können, Rosa von Praunheim (Autor des Stücks) augenscheinlich nicht. Die Hämmorrhoiden des Königs kommen etwa in der zweiten Hälfte des Stücks dazu, in einem Aufeinandertreffen von Adolf und Friedrich dem Großen. Letzterer hatte tatsächlich ein Hämmorrhoiden-Leiden, das jedoch im Verlaufe des Stücks kaum eine Rolle spielt. Sie singen gemeinsam, Hitler geht vor Friedrich dem Großen auf die Knie und treiben hörbare Akte der Liebe hinter der Bühne, alles Teil ihrer durchwachsenen Männerfreundschaft.
Nach turbulenten und zum Teil anstrengenden anderthalb Stunden verlasse ich den Saal und das Haus so schnell wie ich hereingeeilt bin. Die Gastauftritte von Hitlers Nichte, seinem Chauffeur und anderen, verstörenden Charakteren haben mir nicht gutgetan und Songs wie “Ich hätte gerne einen großen Penis” haben mir auch nicht geholfen. Schneller als Hitler seine Ziege begatten konnte, bin ich also bereits verschwunden und freue mich zum ersten Mal in meinem Leben darüber, dass ich das Theater verlasse.
Schwäbische Post, 29. Mai 2023
Große Tunten mit Erfolg und Hitlers Ziege
(von Dagmar Oltersdorf)
Schwäbisches Tagblatt, 8. April 2023
Und es lacht doch jemand, bei jedem einzelnen Furz
(von Moritz Siebert)
Südwest-Presse, 8. April 2023
Spießgesellen an der Scherzgrenze
(von Wilhelm Triebold)
Reutlinger General-Anzeiger, 8. April 2023
Zwischen Beichtstuhl und Toilette
(von Christoph B. Ströhle)