Emma Schoepe, Susanne Weckerle, Insa Jebens, Konrad Mutschler · Foto: Martin Sigmund
Emma Schoepe, Susanne Weckerle, Insa Jebens, Konrad Mutschler · Foto: Martin Sigmund
Konrad Mutschler, Emma Schoepe, Susanne Weckerle, Insa Jebens · Foto: Martin Sigmund
Konrad Mutschler · Foto: Martin Sigmund
Susanne Weckerle, Konrad Mutschler, Emma Schoepe, Insa Jebens · Foto: Martin Sigmund
Insa Jebens, Susanne Weckerle, Konrad Mutschler, Emma Schoepe · Foto: Martin Sigmund
Insa Jebens, Konrad Mutschler, Susanne Weckerle, Emma Schoepe · Foto: Martin Sigmund
Konrad Mutschler, Insa Jebens, Susanne Weckerle, Emma Schoepe · Foto: Martin Sigmund
Emma Schoepe, Susanne Weckerle, Insa Jebens, Konrad Mutschler · Foto: Martin Sigmund
Emma Schoepe, Susanne Weckerle, Insa Jebens, Konrad Mutschler · Foto: Martin Sigmund

Gullivers Reisen

Nach dem Roman von Jonathan Swift


Schwarzwälder Bote, 21. Juni 2023

Das Ensemble lebt seine Spielfreude voll aus

(von Christoph Holbein)

Gulliver geht im Landestheater Tübingen auf Reisen und kommt dabei bis in die Zukunft. Die Inszenierung geizt nicht mit Ideen und Einfällen. Zur passenden Atmosphäre tragen auch das Bühnenbild und die Kostüme bei.

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Reutlinger General-Anzeiger, 2. Mai 2023

Wenn Riesen zu Zwergen werden

(von Thomas Morawitzkiy)

Wolfgang Nägele schickt Jonathan Swifts »Gulliver« im Landestheater Tübingen auf eine Zeitreise

Am Anfang ist da ein Raum, weiß ausgekleidet, nahezu barock, mit dazu passender Musikberieselung, gedämpft. Grelles Licht trifft das Publikum. Ein Mann in höfischer Kleidung, mit turmhoher Puderperücke tritt auf. Er trägt viele Häuser, klein, aus weißem Papier, er lässt sie fallen, verteilt sie auf der Bühne – wieder blendet weißes Licht das Publikum, und plötzlich sind es zwei Männer mit Perücken, dann drei, dann vier. Sie alle sind Lemuel Gulliver, Arzt auf einem britischen Schiff; es verschlägt ihn in ferne Länder, in denen Menschen oder Pferde leben, auf ganz unwahrscheinliche Weise. Doch: Wer ist Lemuel Gulliver?

Ein ziemlicher Macho scheint es, ein echter Großtuer. Das fällt nicht schwer in Liliput, in das es ihn zuerst verschlägt, denn dort sind alle anderen sehr klein. Als Gulliver erwacht, schiffbrüchig an den Strand gespült, ist er zuerst gefesselt. Das Zwergenvolk hat ihn mit Stricken festgebunden, es ist ein Leichtes für ihn, sich zu befreien. Später wird er, ganz generös, einen Hausbrand in der kleinen Stadt mit seinem Urin löschen: Ein Held.

Und einer, der rasch mit sich selbst im Zwist liegt, denn jeder der vier Gullivers, die in Wolfgang Nägeles Inszenierung unterwegs sind zu neuen Welten, will der bessere sein: »Meine Augen sind grün, ich rieche gut und bin wunderschön!«, tönt der eine – »Ich habe die strammsten Waden von Nottinghamshire!«, ruft der andere. »Ich kann extrem gut backen!«, behauptet einer, und schließlich dies: »Ich habe ganz Irland umschwommen!« – »Ich spreche 39 Sprachen, von denen ich sechs selbst erfunden habe!« – »Ich habe die Bibel geschrieben!« Mit der Hybris ist es bald vorbei, denn es verschlägt Gulliver nach Brobdingnag, und dort ist er der Zwerg, alle anderen sind Riesen.

Jonathan Swifts Roman »Gullivers Reisen« erschien 1726, ist heute noch bekannt als Kinderbuch, in stark gekürzter Form, war seinerzeit gedacht als bitterböse Satire, ist eines der frühesten Beispiele für das Genre der Science-Fiction. Wie könnte man die Welten, die Gulliver bereist, auf eine Bühne bringen? Fliegende Städte, Riesen, Zwerge? Sprechende Pferde?

Wolfgang Nägele, so scheint es zunächst, möchte all diese Geschichten dort einfach erzählen lassen, von seinem vierfachen Gulliver. Insa Jebens, Konrad Mutschler, Emma Schoepe und Susanne Weckerle – drei Frauen also, nur ein Mann?– spielen den Reisenden, erstatten zänkisch, grell und komisch Bericht von seinen Abenteuern. Doch dann kommt ein Wind, die Gullivers fegen mit einem Laubbläser die kleinen Häuser weg – und einer von ihnen, Konrad Mutschler, liegt plötzlich, reichlich nackt, neben einem riesenhaften Apfel – genialer Einfall von Valentina Pino Reyes, die Bühnenbild und Kostüme des Stückes schuf.

Gulliver will erst einmal seine Blöße bedecken, flüchtet sich zum Vorhang, neckt einen neugierigen Scheinwerfer, indem er mit Socken wirft, darf sich schließlich ankleiden, springt als possierliche Kuriosität im Businessanzug umher in einem Käfig, der auf dem Jahrmarkt ausgestellt wird. Die anderen Darsteller haben im Publikum Platz genommen, necken ihn. »Kleiner als eine Feldmaus!« – »Ob er wohl schon ausgewachsen ist?« – »Haben Sie schon mal ein Embryo mit Bartwuchs gesehen?«

Nächste Station: Laputa, die fliegende Insel, bewohnt von Wissenschaftlern. Dort kippen Aktenordner um wie Dominosteine, die Gelehrten tanzen Polonaise, der Kopierer spricht mit sanfter Stimme.

Wolfgang Nägele hat aus Gulliver einen Zeitreisenden gemacht – und seine Inszenierung gespickt mit Anspielungen an bekannte Motive der Science-Fiction. Wenn Gulliver sich in einer Zeitschleife multipliziert, darf man vielleicht an Stanislaw Lem denken, bei anderen Szenen an Stanley Kubrick – schließlich taumeln die vier Gullivers in Raumanzügen schwerelos über die Bühne. Als die sanfte Stimme des Rechners nachzudenken beginnt und von der Erkenntnistheorie zur Bibel kommt, dann allerdings ist John Carpenter an der Reihe. Ruft der Rechner schließlich »Es werde Licht«, fliegt aber nicht das LTT in die Luft – nur der Kopierer beginnt zu qualmen. Trotzdem: Alles versinkt im Chaos.

Zuletzt begegnet Gulliver einem Vertreter der Houyhnhnms, kluger Pferde, die die Menschen als Nutztiere halten. Obschon: Esel, sagt das Pferd, seien doch eigentlich die nützlicheren Tiere. Gulliver, der Mensch der frühen Neuzeit, wurde gerade mal durch Länder, Epochen, geschleudert, hat die Relativität seiner eigenen Bedeutung gründlich erfahren – und doch noch immer nichts als Krieg im Sinn.

Jonathan Swift soll ein Menschenfeind gewesen sein – seine Einsichten sind bitter, aber urkomisch auf der Bühne: »Gullivers Reisen« ist ein Stück, das mit boshaftem Witz zum Lachen reizt und eine fantastische Geschichte sehr einfallsreich erzählt.


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Merkur.de, 2. Mai 2023

Das LTT zu Gast in Landsberg mit „Gullivers Reisen“

(von Susanne Greiner)

Was sehen Sie, wenn Sie an „Gullivers Reisen“ denken? Wahrscheinlich den gefesselten Gulliver auf Liliput. Dass hinter Jonathan Swifts Roman aber mehr als ein Kinderbuch steckt, bekam das Publikum im Stadttheater letzte Woche zu sehen: in einer schrillen und nicht leicht bekömmlichen LTT-Inszenierung unter der Regie des Landsbergers Wolfgang Nägele.

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