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Familienstück nach dem Kunstmärchen von Hans Christian Andersen · Bühnenfassung von Monika Kosik · Mit Liedern von Monika Kosik und Johannes Winde · 6+
Reutlinger General-Anzeiger, 10. November 2025
(von Carl-Friedrich Schmidt)
Das Familienstück »Die Schneekönigin« bringt Märchenstimmung ins LTT, aber auch Komik und Musik
Samstagnachmittag, 16 Uhr: Der vollbesetzte große Saal des LTT wartet in gespannter Vorfreude auf die Premiere der »Schneekönigin«. Jetzt erhellt sich die Bühne und glitzernder Theaterschnee rieselt sanft auf den schneeweißen Boden, über den ein flacher See aus Trockeneisnebel fließt. Die Schneekönigin tritt auf und begrüßt das Publikum mit einem beeindruckend schön vorgetragenen Lied. Sophie Aouami ist gewandet in einer weißen Wolke aus Tüll und trägt eine Krone aus dünnen Eiszapfen überm frostigen Gesicht. Die Kinderaugen werden immer größer.
Andersens Kunstmärchen beschreibt Gretas verzweifelte Suche nach ihrem geliebten Spielkameraden Kay, der zuvor von der Schneekönigin entführt worden war. Durch einen kleinen Splitter im Auge, der vom verwunschenen Spiegel eines bösen Trolls kam, verlor er die Sicht auf alles Gute und Schöne. Er wandelt sich schlagartig zum Bösen und verstößt seine vertraute Freundin. Toni Pitschmann versprüht in ihrer Rolle als Greta den Charme und Esprit dieses mutigen Mädchens, dessen Liebe stärker ist als jeder böse Zauber. Sowohl ihr Energie- und emotionsgeladenes Spiel als auch ihr klarer Gesang passen perfekt zur Rolle. Mühelos wie ein Ball springt und tanzt sie über die Bühne und füllt die bunte Gefühlswelt der kleinen Greta mit Leben.
Der einzige Instrumentalist im Ensemble ist Yaroslav Somkin. Er spielt zunächst im heiteren Duett mit Greta den vertrauten Spielkameraden, um später als Gefangener im Eispalast der Schneekönigin mit gesenktem Kopf hinter seinem Schlagzeug zu sitzen. Immer wieder klinkt er sich aber mit subtilem und perfekt synchronisiertem Spiel in die Lieder der anderen ein und gibt der Musik dadurch eine intensive Live-Präsenz.
Alle Stimmen, das Schlagzeug sowie das Playback werden von der Tonanlage im Saal wiedergegeben. Das Ergebnis ist eine kristallklare, durchsichtige Liveakustik. Die geheimen Publikumslieblinge sind Gretas Reisebekanntschaften, gespielt von Fenna Benetz und Michael Mayer. Ausgestattet mit der Wandlungsfähigkeit eines Chamäleons spielen sie Kinder, lustige Blumen, skurrile Krähen, sowie ein Räubermädchen und ein Rentier. Fenna Benetz gestaltet die kleine Räuberin gleichermaßen liebenswert wie burschikos. Ihre kultivierte Singstimme meistert lyrische Passagen ebenso überzeugend wie frech gekeifte 80er-Songs. Die Dialoge mit ihrem Spielpartner Michael Mayer sind herzhaft gewürzt mit Situationskomik und gelegentlichen lustigen Grimassen, über die sich das Publikum köstlich amüsiert.
Nicht zuletzt die Liedvorträge der beiden, wunderschön vorgetragen und blitzsauber intoniert, zeugen abermals vom Spitzenniveau der Aufführung. Spätestens in diesem Moment glaubt man, in einem veritablen Musical zu sitzen. Auch beim A-cappella-Gesang der Schneekönigin fühlt sich das Publikum durch den perfekten Digitalhall mitten in ihren Eispalast versetzt. Das Staunen und die Faszination der Kinder tragen die Spannung des Publikums bis zur letzten Sekunde. Die Gesamtlänge ist perfekt kalkuliert, nicht das geringste nervöse Gezappel ist zu bemerken.
Hannah Petersen hat mit ihrem Bühnen- und Kostümdesign eine bezaubernde kleine Welt geschaffen, in die jeder Zuschauer sofort eintauchen wollte. Und natürlich die großartige Musik: Johannes Winde verlieh der Premiere mit seinen Kompositionen ihren märchenhaften Zauber. Seine maßgeschneiderten Arrangements reichen von intimer Klavierbegleitung über Punk und Rave bis zur großen Orchesterpartitur. Manchmal sogar ein wenig großes Kino. Bravo!
Monika Kosik ist die Autorin dieser wirklich rundum gelungenen Bühnenfassung. Sie führte auch Regie und schrieb selbst zudem einige der Lieder. Die Probenarbeit hat sicher viel Spaß gemacht, anders war die ausgelassene Spielfreude nicht zu erklären.
Endlich findet Greta ihren Kay und erlöst ihn mit ihren Tränen. Ihre Sehnsucht, ihr Mut und ihre Liebe haben das Böse besiegt. Wenn es doch nur im richtigen Leben auch immer so wäre.
Tübinger Tagblatt, 10. November 2025
(von Peter Ertle)
„Die Schneekönigin“ als famoses Halbmusical rettet Kay aus seiner Gefühlskälte und läutet so am LTT die Weihnachtszeit ein.
Als man den zu diesem Zeitpunkt fast voll besetzten, später ausverkauften großen Saal des LTT betritt, ist die Tonlage des Stimmengewirrs hörbar anders als sonst: Höher. Die Hälfte der Zuschauerinnen und Zuschauer sind Kinder. Was fürs Junge Ensemble wiederum wenig ist. „Die Schneekönigin“ ist dieses eine Stück, das sie pro Spielzeit auf der großen Bühne für die ganze Familie machen.
So wird am LTT die Weihnachtszeit eingeläutet: „Die Schneekönigin“ ist nichts weniger als ein Kostüm- und Musikfest. Ein halbes Musical, das sich in der Qualität nicht hinter den Produktionen professioneller Musicalhäuser verstecken muss. Aber dann eben doch viel weniger glattgebügelt, viel unkonventioneller, phantasievoller, man merkt halt: Hier ist das Junge Ensemble des LTT am Werk.
Die Bühne ist mit ihren leuchtenden Rauten und Vierecken ein recht abstrakter Raum, der die kalt rationale Welt der Schneekönigin symbolisiert, vage auch ein abstrahiertes Berge- oder Wolkenrelief, Heimstatt der Königin. Aber, Abstraktion hin oder her, welche Magie kommt auf, wenn die Farbe der Röhren ins Warme wechselt oder der weiße Zauber vom Bühnenhimmel rieselt!
Die Königin: Sophie Aouami als weiß wallende Wonnepracht, Schneependant zum Sonnenkönig. Etwas unheimlich, faszinierend. Dass ihr Kay verfällt, ist sofort nachvollziehbar, wiewohl ihre Annäherung eher nach Art ins Glas gekippter K.O.-Tropfen zu deuten ist: Ein Verbrechen.
Wie auch immer: Nun kommt Gerda ins Spiel. Eigentlich müsste dieses Märchen nach ihr benannt sein und nicht nach der Schneekönigin. Zöge aber viel weniger Publikum. Die unheimliche Macht des schillernd Bösen ist halt attraktiver als das leicht nachvollziehbar mittelmaßmenschlich Gute einer Gerda. Daran ändert auch die nahegelegte Deutung der Schneekönigin als Person, die sich mit einem Gefühlspanzer schützt – recht wenig.
Gerda ist unsere Hauptfigur, Heldin, beziehungsweise das Paar aus Gerda und dem von der Schneekönigin verwunschenen, verführten, k. o. geküssten Kay. Beste Freunde sind sie offiziell, so entgeht man der ja auch nicht unproblematischen Liebespaarfalle. Extrem korrekt. Nur völlig egal, denn für alle im Publikum ist es: ein Liebespaar. Interessant: Die Literatur wimmelt von Helden, die raus müssen und nach einer Reihe von zu bestehenden Abenteuern wieder nach Hause kommen, endlich bei sich selbst, endlich erwachsen. Hier aber ist es die Frau, eine, die unerschütterlich sie selbst ist, die raus muss, die Abenteuer besteht, ihren Liebsten zurückholt. Andersen macht’s anders. Ein früher Feminist?
Wobei: Im Reich des ewigen Frühlings wirkt Gerda so unerschütterlich nicht, kommt kurz mal ab von ihrem Weg. Das Frühlingsreich ist gleich die erste Station, ein Drogenparadies des Nektars und der Düfte, Reich des Vergessens. Es folgen das Land zweier fieser Krähen, die Gerda in ihr Spiel ziehen und sie behalten wollen, wie vorher schon die beiden Blumen und nachher die Räubertochter. Symbolisch gesehen lauter Übergriffigkeiten, Fremdbestimmungsversuche ähnlicher Art, wie es Kay passierte. Insofern könnte dieses Märchen Kinder darin bestärken, zu widerstehen, nein zu sagen, ihren eigenen Weg zu gehen.
Die Blumen, die Krähen, die Räubertochter und ihr Hirsch: Lauter schauspielerische und kostümtechnische Glanzlichter, es gluckst und windet sich stängelig, Blütenkelchhände nähern sich wie Elefantenrüssel, es kräht und kraht und cchhhzt und schwarzschnäbelt um die Wette. Es blitzt ein Messer, Gerdas Hände werden gefesselt, das arme Ding über den Boden geschleift. Ein Kind weint und muss mit der Mutter raus. Weitere fünf werden nachts Alpträume haben. Vielleicht kann man das nicht ändern. Für die restlichen 150 war es sicher toll. Jedenfalls: Fenna Benetz und Michael Mayer als Darsteller all dieser Gestalten machen extrem Spaß.
