Julia Staufer, Franziska Beyer, Insa Jebens · Foto: Tobias Metz
Insa Jebens, Franziska Beyer · Foto: Tobias Metz
Insa Jebens, Franziska Beyer, Julia Staufer · Foto: Tobias Metz
Franziska Beyer, Insa Jebens, Julia Staufer · Foto: Tobias Metz
Franziska Beyer, Julia Staufer, Insa Jebens · Foto: Tobias Metz
Julia Staufer, Franziska Beyer, Insa Jebens · Foto: Tobias Metz
Franziska Beyer, Insa Jebens,Julia Staufer · Foto: Tobias Metz
Insa Jebens, Julia Staufer, Franziska Beyer · Foto: Tobias Metz
Julia Staufer, Franziska Beyer, Insa Jebens · Foto: Tobias Metz
Julia Staufer, Franziska Beyer · Foto: Tobias Metz
Julia Staufer, Insa Jebens, Franziska Beyer · Foto: Tobias Metz
Julia Staufer, Insa Jebens, Franziska Beyer · Foto: Tobias Metz
Julia Staufer, Insa Jebens, Franziska Beyer · Foto: Tobias Metz
Insa Jebens · Foto: Tobias Metz

Der erste fiese Typ

Nach dem Roman von Miranda July · Deutsch von Stefanie Jacobs


Schwarzwälder Bote, 7. März 2023

Erotik, Witz und Worthagel

(von Christoph Holbein)

In „Der erste fiese Typ“ geht es um gesellschaftliche Anpassung und Emanzipation.

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Schwäbisches Tagblatt, 21. Februar 2023

Cheryl und Clee, allein zuhaus

(von Peter Ertle)

Im Landestheater wurde Miranda Julys Roman „Der erste fiese Typ“ zum Theaterstück. Es gibt: Frauen, tough und konfus, den skurrilen Wunderkammerblick der Autorin – und manchmal sogar Klamotte.

Um mit einem persönlichen Einstieg zu beginnen: Vor einem knappen Jahrzehnt entdeckte man Miranda July, sah ihren ersten Langfilm „Me and You and Everyone We Know“, dann „ The Future“, las schließlich ein Buch von ihr, in dem sie beschreibt, wie sie auf Kleinanzeigen hin Leute besucht, nicht weil sie an den dort angebotenen Dingen interessiert ist, vielmehr interessieren sie die Menschen und eigenartigen Welten, denen sie da begegnet. Seitdem immer wieder der Gedanke: Sollte man das nicht als Rubrik für die Zeitung übernehmen?

Natürlich musste dann auch sofort ihr erster Roman her, „Der erste fiese Typ“. Man wurde aber nicht warm damit, hörte irgendwann zu lesen auf. Naja, dachte man sich jetzt. Statt ihn nochmal herzunehmen: Gehst du doch mal ins LTT. Dort hat Romy Lehmann das Ding zum Theaterstück umgebaut. Gleich vorneweg: Man hat es nicht bereut.

Auf der Bühne: drei Schauspielerinnen. Etwas verwirrend zu Beginn, Konzentration ist gefordert bei diesem Rolle-wechsel-dich-Spiel, das zur Zeit ja sehr angesagt ist – und wofür sich meist herzeigbare Gründe finden. In diesem Stück sowieso: Das fluide Spiel der Identitäten und Geschlechter ist ein Motiv in Roman und Stück.

Auch wenn eine Theaterkritik keine Nacherzählung der Story ist, so viel Story muss jetzt doch sein: Cheryl, Mitte vierzig, schrullig, pedantisch und etwas zwangsgesteuert, bekommt für einige Zeit das junge Ding Clee, Tochter ihres Chefs, einquartiert. Cheryl ist außerdem in einen über 60-jährigen Mann verknallt (er ist nur via Telefon und SMS-Nachrichten präsent). Der sie aber nur als Vertraute ansieht, seinerseits in eine 16-Jährige verknallt ist (und die in ihn) und nun von ihr, Cheryl, quasi als Richterin, grünes Licht für die Liebesbeziehung haben möchte, während Clee, pubertär und dauerglotzend vor sich hin muffelnd auf dem Sofa lebt und Cheryls Welt durcheinanderbringt. So sehr, dass es zu regelmäßigen, physischen Kämpfen zwischen beiden kommt, die deutlich erotischen Charakter haben – und auf Cheryl eine so beängstigende wie befreiende Wirkung.

So weit mal. Skurril? Ja, so ist die Welt Miranda Julys, voller Eigenheiten, Peinlichkeiten und Obsessionen, aber ganz schamlos und moralinfrei, dafür mit einer Mischung aus Humor und einem Freiheitsdrang, der sich als emanzipatorischer, durchaus feministischer Impuls versteht – doch nie ideologisch wird. Das hat etwas Unschuldiges, Verträumtes, dabei aber seine Freude an mittleren Abgründen, kleinen Frechheiten und Tabubrüchen, alles im heiteren, sanft-melancholischen July-Ton, von Fall zu Fall gespickt mit gnadenlos harten, pointentauglichen Wahrheiten. Lena Dunhams Schwester im Geiste.

Girls: Schon der erste Anblick (Bühne, Kostüme: Hannah von Eiff) ist sehr komisch. Eine Sofalandschaft mit Aquarium, oben hängt ein Zettel wie von Ikea, das Polster trägt komischerweise den Namen des Gärtners. Hinten ein Schild, auf dem „Bäder“ steht, mit einem Pfeil. Vermutlich der Ort, den Clee nie benutzt.

Eine orangefarbene Merkelfrisur (Insa Jebens). Dann ein Achtziger-Jahre-Look (Franziska Beyer), vielleicht ist Cheryl modisch stehen geblieben, seit sie selbst 16 war. Dann eine freche Latzhose: Julia Staufer mit viel gelangweiltem Teenienullbockblick und manch durchblitzender Leidenschaft

Dann gibt es: Telefonate mit IHM, seine SMS-Nachrichten, die Zuschauer lesen sie auf dem TV-Bildschirm: Sie habe sein steifes Glied in der Hand gehabt, aber nicht bewegt. So weit seien sie jetzt. Ob sie dürfen? Dazwischen sitzt Cheryl immer wieder bei ihrer Psychotherapeutin. Da das Klo dort zu weit weg ist, pullert sie auch mal hinterm Sofa lautverstärkt in eine Box, deren Inhalt wenig später im Gesicht der Kollegin landet. Ja, es hat zwischendurch klamottenhafte Züge, die Insa Jebens am Premierenabend mal zu einem aus der Rolle fallenden Lachen bringen. Lustig.

Neben der Urinbox ist auch von Scheiße, Sperma und stinkenden Füßen die Rede: Zwischenzeitlich fragt man sich, ob man jetzt unversehens in Charlotte Roches „Feuchtgebieten“ gelandet ist. Aber nur ganz kurz. In dieser Inszenierung gibt es nichts wirklich Obszönes. Es ist ihr bloß nichts Menschliches fremd. Bei July wird alles sofort transzendiert. In die Kunst. Beziehungsweise ein zweites Leben, in dem Geheimnisse öffentlich werden dürfen. Cheryl braucht zum Beispiel immer diese eine, ganz eigene Fantasie, um zum Orgasmus zu kommen. Sagt sie. Sie steht auf Männer, ist aber offenbar auch bi, fantasiert sich beim Sex mitunter selbst zum Mann. Das hat sicher auch eine Empowerment-Seite: Sei wie du bist. Mehr Mission ist da aber nicht. Es würde auch weggelacht durch die bizarr putzige Alltagskomik, das einzige Sendungsbewusstsein, zum Beispiel Cheryls Tipps zur Gestaltung besserer Alltagsökonomie: Man solle die Schmutzwäsche ohne Wäschekorbzwischenstation gleich in die Trommel tun, bei jedem Gang im Haus immer gleich mehrere Sachen auf einmal transportieren, und – als valentinesker Abschuss – damit nichts unnötig rumliegt, beim Lesen eines Buchs gleich neben dem Regal sitzen bleiben, den Finger einer Hand in der Regallücke, aus der man das Buch gerade genommen hat.

Dann wird Clee schwanger. So viel darf man erzählen, ohne zu spoilern. Cheryl wird eine Art Ersatzmutter. Beziehungsweise Ersatzoma. Mutter, Feindin und Geliebte gleichzeitig ist sie ja schon – irgendwie. Übrigens wurde auch Miranda July schwanger. So also fand das echte Leben im Buch seinen Niederschlag und sorgt nach der Pause für eine Bühne, die vor allem eines ist: aufgeräumt.

So ein Kind macht halt alles anders. Und, klar, Clee und SEINE 16-Jährige Freundin – man hat das ganze Stück drauf gewartet, dass der Bogen mal geschlagen wird. Ist am Ende aber gar nicht so wichtig. So. Und jetzt lesen wir doch weiter im Buch. Ob das da alles auch so drin steht. Wahrscheinlich schon.


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Reutlinger General-Anzeiger, 20. Februar 2023

Fifty Shades of Beige

(von Kathrin Kipp)

»Erst war ich ihre Feindin, dann ihre Mutter und dann ihre Geliebte«: am LTT geht’s mit dem neuen Stück »Der erste fiese Typ« drunter und drüber.

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