Lucas Riedle, Sabine Weithöner, Insa Jebens, Jonas Hellenkemper · Foto: Martin Sigmund
Emma Schoepe · Foto: Martin Sigmund
Lucas Riedle, Insa Jebens, Sabine Weithöner, Emma Schoepe, Jonas Hellenkemper · Foto: Martin Sigmund
Jonas Hellenkemper, Lucas Riedle, Insa Jebens, Emma Schoepe · Foto: Martin Sigmund
Lucas Riedle, Sabine Weithöner, Insa Jebens · Foto: Martin Sigmund
Lucas Riedle, Insa Jebens · Foto: Martin Sigmund
Insa Jebens, Emma Schoepe, Lucas Riedle · Foto: Martin Sigmund
Lucas Riedle, Jonas Hellenkemper, Insa Jebens · Foto: Martin Sigmund
Andreas Guglielmetti, Sabine Weithöner, Lucas Riedle, Insa Jebens · Foto: Martin Sigmund
Insa Jebens, Lucas Riedle · Foto: Martin Sigmund
Lucas Riedle, Insa Jebens, Andreas Guglielmetti, Emma Schoepe · Foto: Martin Sigmund
Lucas Riedle, Jonas Hellenkemper, Insa Jebens · Foto: Martin Sigmund
Lucas Riedle, Emma Schoepe, Insa Jebens · Foto: Martin Sigmund
Lucas Riedle, Insa Jebens, Jonas Hellenkemper · Foto: Martin Sigmund
Lucas Riedle, Andreas Guglielmetti, Insa Jebens · Foto: Martin Sigmund
Lucas Riedle, Andreas Guglielmetti, Insa Jebens · Foto: Martin Sigmund
Lucas Riedle, Sabine Weithöner, Insa Jebens · Foto: Martin Sigmund
Emma Schoepe, Insa Jebens, Lucas Riedle · Foto: Martin Sigmund
Insa Jebens , Lucas Riedle, Sabine Weithöner · Foto: Martin Sigmund
Insa Jebens, Jonas Hellenkemper, Lucas Riedle · Foto: Martin Sigmund

Das große Heft

Nach dem Roman von Ágota Kristóf · 16+


Schwäbisches Tagblatt, 14. Februar 2024

Die Verlorenen

(von Peter Ertle)

Ágota Kristófs „Das große Heft“ ist das düsterste Stück seit langem am Landestheater – ein zeitlos anklagender Kommentar zu Krieg, sexualisierter Gewalt und Kinderschicksalen, die man niemandem wünscht.

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Schwarzwälder Bote, 14. Februar 2024

Wo die Seelen abstumpfen und total verrohen

(von Christoph Holbein)

Kristófs Roman ist ein Zeugnis gegen den Krieg, ein nüchterner Blick auf die totalitäre Mentalität einer vom Krieg zerrütteten Gesellschaft – akribisch beobachtet. Die Tübinger Inszenierung greift dies beeindruckend klar auf und leistet damit einen wertvollen Beitrag und Anstoß zum so notwendigen Nach- und Umdenken in diesen, unseren so gewaltvollen Zeiten.

 

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Reutlinger General-Anzeiger, 12. Februar 2024

Kinder des Krieges

(von Armin Knauer)

Wie verändern grausame Zeiten die Menschen? Das fragt das LTT mit Ágota Kristófs Roman »Das große Heft«

Anfangs wirken sie zuckersüß in ihren roten Pullovern, wie sie am Bühnenrand mit Puppen spielen. Doch bald schon verschwinden die Puppen unter einem Erdhaufen, und die niedlichen blonden Zwillinge werden zu gnadenlosen Beobachtern einer vom Krieg verstümmelten Welt. Einen verstörenden Roman hat das LTT mit Ágota Kristófs »Das große Heft« auf die Bühne gebracht.

Ein Stoff, der brandaktuell ist in Zeiten, da überall Kriege aufflammen. Gestochen scharf und schonungslos kommt auch im LTT zur Sprache, was das mit Menschen und mit der Gesellschaft macht. Und dennoch wird es in der Regie von Sophia Aurich keineswegs ein depressiver Abend. Mit geballtem Videoeinsatz rückt die Inszenierung den Personen buchstäblich auf die Haut.

Insa Jebens und Lucas Riedle sind die namenlosen Zwillinge. Dass sie entgegen der Vorlage beide Geschlechter abdecken und dass sie grundsätzlich im Chor sprechen, macht klar, dass sie hier nicht nur als Individuen gemeint sind. Sie sind der Spiegel, in dem sich die Grausamkeiten ihrer Umwelt reflektieren; sie sind die kühl beobachtenden Berichterstatter.

Von ihrer Mutter aus der bombardierten Großstadt gerettet und bei der Großmutter am Rande einer Kleinstadt abgeladen, lernen sie schnell, dass sie sich abhärten müssen, um zu überleben. Sie schlagen sich gegenseitig, um gegen die Schläge der Großmutter unempfindlich zu werden. Sie setzen sich Kälte und Hunger aus, um beides nicht mehr zu spüren. Sie schlachten Hühner, um sich an das Töten zu gewöhnen. Ihre Erlebnisse notieren sie in Aufsätzen. Nur die »wahrhaftigen« werden in ein großes Heft abgeschrieben.

Notiert wird unbestechlich, genau, ohne jedes Gefühl. Der Alltag mit der derben Großmutter, die Übergriffe des Pfarrers, der Tod eines Deserteur. Deportationen, Kriegsverbrechen, Sexualität, Grausamkeit. Die Zwillinge notieren alles ungerührt, referieren sachlich und penibel. Und sie handeln selbst, nach ihren eigenen Maßstäben, die oft grausam scheinen – und doch immer wieder Menschlichkeit aufblitzen lassen.

Bühnenbildnerin Martha Pinsker stellt das Haus der Großmutter aus halb durchsichtigen Elementen hell und kalt in die Bühnenfinsternis. Die Härte und der Schmutz einer Welt, in der jeder nur mit dem Überleben beschäftigt ist, vermittelt sich darin. Ebenso, dass dieses Haus wie alles andere für die forschenden Augen der Zwillinge durchsichtig ist. Nichts entgeht ihnen, jedes Detail berichten sie.

Zudem dienen die halbtransparenten Elemente als Projektionsfläche für Videos. Schmerzhaft dicht geht die Kamera, teils live auf der Bühne, an die Körper der Darsteller heran. So dick der Panzer, den hier jeder um seine Emotionen legt, so gnadenlos durchbricht die Kamera die Flucht in die Distanz. Ein Erdhaufen am Bühnenrand steht für begrabene Träume.

So erlebt man Charaktere, die sich in eine Trutzburg der Gefühlskälte zurückgezogen haben – und unter diesem Panzer die Sehnsucht nach Wärme ahnen lassen. Sie setzen das auf der Bühne eindringlich um: Sabine Weithöner als schroffe Großmutter, die ihre Enkel nur »Hundesöhne« nennt. Emma Schoepe als Mutter, als Bettlerin und lüsterne Pfarrersmagd. Andreas Guglielmetti als kriegsmüder Offizier, der sich in masochistische Fantasien flüchtet, als korrupter Pfarrer, als verfolgter Schuster und verzweifelter Vater. Jonas Hellenkemper als lebenshungriger Adjutant, sadistischer Kommissar und erschöpfter Deserteur.

Sie alle spielen das sehr körperlich. Allen voran Insa Jebens und Lucas Riedle als Zwillinge, die in ihrer ungerührten Klarsichtigkeit zeitweise fast monströs wirken. Und andererseits als letzte Instanz von Gerechtigkeit in einer korrupten Welt. Alles scheint an ihnen abzuprallen. Und doch schleppen auch sie die Erde hin und her, unter denen sie ihre Träume begraben haben.

Die Inszenierung von Sophia Aurich packt das in einen Reigen dunkler, eindrücklicher Bilder. Getragen werden sie von elektronischen Klängen, mal ätherisch schwebend, mal poppig pulsierend (Musik: Friederike Bernhardt). Ein Bilderreigen, der das Dunkle, Beklemmende, Grausame dieser Welt transportiert. Aber auch Momente lakonischer Komik. Und solche, in denen die Möglichkeit von Menschlichkeit durchschimmert. Ein beklemmender, bildstarker, dabei durchaus kurzweiliger Theaterabend.


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