Von Jörn Klare · Uraufführung · 15+
Augsburger Allgemeine, 21. Oktober 2025
Im Stadttheater Landsberg stellt sich die Frage „Was ist Heimat“
(von Lu Grundmann)
Das Landestheater Tübingen gastiert mit dem neuen Stück von Jörg Klare. Ein grandioser, bewegender Theaterabend.
Mit großem Applaus endete die Vorstellung von Jörn Klares neuem Stück „… worin noch niemand war - Ein Heimatabend“ im Landsberger Stadttheater. Das Landestheater Tübingen war zu Gast und brachte mit dem fünfköpfigen Ensemble ein Theaterstück auf die Bühne, welches das Publikum begeistert und zugleich nachdenklich zurücklässt. Ein grandioser, bewegender Theaterabend.
In seinem Stück greift Klare die Frage auf: Was ist Heimat? Wer darf von ihr sprechen und wer nicht? In unserer schnelllebigen, globalisierten Welt wird der Heimatbegriff in diesem Stück von verschiedenen Seiten auf eine journalistische, musikalische und wissenschaftliche Art beleuchtet und neu verhandelt. Es wirkt fast so, als wäre die Heimat an diesem Abend auf der Suche nach sich selbst. Regisseur Sascha Flocken führt das Ensemble, bestehend aus Insa Jebens, Rolf Kindermann, Sarah Liebert, Gilbert Mieroph und Leo Kramer in einer Art Dokumentartheater durch Szenen, in denen die Schauspieler ihre Stimme den Menschen leihen, die der Journalist und Autor Klare auf seiner Recherche in Baden-Württemberg interviewt hat.
So schlüpft Insa Jebens in die Rolle einer jungen Frau, die sich in der Enge ihres Heimatdorfes mit knapp 2000 Einwohnern gefangen fühlt. Rolf Kindermann leiht seine Stimme einem jungen Afghanen, der aus Damaskus und vor dem Krieg geflohen ist, vertrieben aus der Heimat. Gilbert Mieroph, ist der digitale Nomade, der nur seinen Laptop braucht, um sich zu Hause zu fühlen. Sarah Liebert spricht für eine junge Frau, geboren und aufgewachsen in Holzgerlingen, ihre Eltern stammen aus der Türkei. Die Frage, die ihr immer wieder im Leben begegnet, nach ihrer ursprünglichen Heimat, also wo sie wirklich herkommt, lässt sie nur noch fluchen. „Heimat ist da, wo man begraben werden will“, sagt sie. Für Leo Kramers Protagonisten ist das gewählte Leben im Kloster nur eine Vorbereitung auf die endgültige Heimat, die Heimat im Jenseits.
Das Telefon klingelt: der Ehrengast des Abends, ein gewisser Ernst, verspätet sich. Gemeint ist der Philosoph Ernst Bloch, dessen These aus „Das Prinzip Hoffnung“ dem Stück seinen Namen und auch dessen Rahmen gibt: „So entsteht in der Welt etwas, das allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand war: Heimat.“ Heimat ist nicht das, was man gewohnt ist. Heimat ist ein Zustand, der sich ständig neu formt. Das ist auch ganz im Sinne von Friedrich, der ebenfalls zwischendurch mal anruft. Friedrich Hölderlin, versteht sich. Im „Großen und Ganzen“ sei er damit zufrieden, was die Schauspieler dem Publikum mitgeben. Heimat sei kein Ort, sondern ein Zustand der Seele, sie muss in einem selbst wohnen und sich immer wieder neu finden.
Immer wieder neu entsteht auch das Bühnenbild (Doreen Back): Eine Hauswand mit Fenster, vor dem eine mal offene, mal geschlossene Jalousie hängt, wird mehrfach verschoben. Der Fototapete mit einer grünen Kuhweide wird mit Videoprojektion via Camcorder immer wieder die heile Idylle genommen. Etwa, wenn Kindermann von den schrecklichen Fluchterfahrungen seines Protagonisten spricht. Die Hauswand fällt sogar mehrfach in sich zusammen, als gegen Ende des Stücks versucht wird, den Heimatbegriff umfassend zu definieren.
Besonders stark wirkt am Abend die musikalische Gestaltung. Franz Schuberts „Winterreise“, das vom ewigen Fremdsein und der Einsamkeit eines Wanderers erzählt, begleitet das gesamte Stück. Dazu kommen immer wieder instrumentale Stücke. Wenn der Begriff Heimat für propagandistische oder ideologische Zwecke missbraucht wird, wird es laut. Rockiger Sound aus der E-Gitarre, dazu wird dem, auf dem Kunstrasen sorgsam drapierten Gartenzwerg, mit dem Baseballschläger der Gar ausgemacht.
Am Ende klappt es doch noch. Der Ehrengast kommt. Und das gleich in mehrfacher Ausführung. Vier der fünf Schauspieler schlüpfen in die Rolle Blochs und zitieren aus seinem Buch „Das Prinzip Hoffnung“. Für Bloch ist die Sehnsucht die einzige ehrliche Eigenschaft des Menschen. In der Heimat sieht er eine utopische Vorstellung, sie sei ein prozessualer Begriff, der eng mit dem Begriff der Hoffnung verbunden ist. Die Hoffnung auf und die Sehnsucht nach einer Heimat, in der der Solidarität, Freiheit und Geborgenheit mehr wert sind als das Streben nach Macht und Geld.
Knapp zwei Stunden dauert die Vorstellung, in der es Jörn Klare gelungen ist, den Heimatbegriff auf vielfältigste Art zu beleuchten. Immer wieder lockern komödiantische Passagen die teilweise bedrückende Stimmung auf. Die Musik, hervorragend arrangiert von Jan Paul Wege, verleiht dem Stück in seiner Komplexität einen roten Faden. Mal klingt es leicht, dann wieder tief bedrückend. Also genauso, wie die Heimat auch.
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