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Unglaublich sinnvolles Theater-Comedy-Solo von Michael Miensopust, Helge Thun
Uraufführung
14+
Schwäbisches Tagblatt, 16. Januar 2016
(von Fred Keicher)
Das junge LTT verheddert sich mit dem Solo "Karma? Schicksal? Pech gehabt?" in alten Fragen
Karma? Schicksal? Oder hat Henry Braun einfach nur Pech gehabt? Jetzt steht der Schauspieler in der Turnhalle des Albert-Einstein-Gymnasiums Reutlingen und hat eine Stunde im Frontalunterricht zu halten über wichtige Fragen, "also die wirklich wichtigen Fragen, nicht über einen Handyvertrag oder wer mit wem geht oder das neueste Computerspiel". Kurz: über Gott.
Henry Braun hat ein Problem. Er ist in Ost-Berlin aufgewachsen, noch ein Stück der DDR, dort stellt man solche Fragen nicht. "Dort glaubt man, dass man nichts glaubt." Religion galt als "Opium fürs Volk. Und Rauschgift haben mir meine Eltern verboten." Jetzt hat er auf einer Flüchtlingsgala im LTT Schabata getroffen. Die junge Frau sagte ihm, sie engagiere sich aus "Nächstenliebe" für Flüchtlinge, weil Gott das so wolle. Und der arme Henry traute sich weder, sie nach diesem Gott zu fragen, noch sie zu einem Date einzuladen. Oh my God, oder kurz: OMG.
Theater-Comedy-Solo haben die Ideengeber Michael Meinsopust (auch Regie) und Helge Thun (dazu auch noch Comedy-Coaching) ihr Stück für drei Fragezeichen. Verzichtet wird auf alle theatralischen Effekte. Es genügt ein kahles Podest mit Stuhl und roter Papiertasche. Zuschauer und Schauspieler sitzen im selben Licht. Das zwei Scheinwerfer auf den Schauspieler gerichtet sind, fällt nur an dessen Schatten auf. Es wirkt, als würde er ständig von sich selber verfolgt - und das gleich doppelt. Er wirft zwei Schatten.
Es ist eine Theologie mit Fallstricken, mit dem das Stück beginnt (die Dramaturgin Susanne Schmitt hat einen Großteil des Textes geschrieben). Wenn man schon an Gott glaube, an welchen? An den mit vielen Armen, an den dicken, an den, der Blitze schleudert, oder doch lieber den freundlichen älteren Herrn? Oder werde Gott mit der Muttermilch eingezogen? Dann sei er in Pakistan ein anderer als in Afghanistan und "in Kirchentellinsfurt, da steht es schon im Namen."
Langsam nähert sich dann die Comedy der Jugendkultur an. "Gott ist auf Whatsapp" ruft Braun und zeigt Gottes Bild auf dem Smartphone. Aber warum hat Gott kein Facebook-Konto? "Seit 01.01.00 bei Facebook" sähe schon komisch aus, meint Braun. Oder sein Sohn, wie sei es mit dem? Wie heißt der doch gleich? Was mit "J.". Justin Bieber! Jubel im Publikum. Dutzende bekennen sich, Believer von Bieber zu sein. Oh my God.
Überhaupt sprudeln jetzt Bekenntnisse. Henry Braun drängt es zu bekennen, dass er eigentlich gar nicht mit Frauen reden kann. Zwar hätte er das als Schauspieler gelernt, aber so wie etwa um 1300. Er geht in die Knie und himmelt eine junge Frau in den Zuschauerreihen an. Die wähnt sich im Theater, also nicht zuständig, und wird angefleht: "Ja, Sie. Sie sind gemeint."
Weil nicht nur diese junge Frau das Spiel mit den Realitäten noch nicht verstanden hat, holt Braun die stärkste aller Theaterwaffen aus seiner roten Papiertasche: Yoricks Schädel. Er setzt an zu Hamlets Monolog: "Sein oder Nicht-Sein." Unterbricht sich: "Eigentlich müsste es aber heißen: Schein oder Nicht-Schein." Und referiert die Erkenntnisse der Atomphysik, dass die Atome hauptsächlich aus leerem Raum bestehen: "Wir bestehen zum großen Teil aus nichts. Wir sind gar nicht da." Da machen ihm allerdings drei junge Frauen einen Strich durch die Rechnung. Sie stehen auf und wollen gehen. Wenn man weggehen kann, muss man doch dagewesen sein. Oder wie meint Braun sein entgeistertes "Ihr könnt doch jetzt nicht gehen." Doch, sie können, noch vor seiner Schlusspointe: "Es ist alles erfunden. Schabata gibt es nicht, den Schauspieler nicht, das Theater nicht. Tschüss."
Eine unterhaltsame dreiviertel Stunde Frontalunterricht, für den die Schüler mehr als artig, fast schon begeistert applaudierten: Vielleicht sollte das Stück nicht gar so hektisch gespielt werden. Vielleicht sollten die Theatermacher mehr Vertrauen in die gewaltige Komik ihres Stücks haben und mehr auf die spontanen Reaktion mit den jungen Zuschauern hören.
Unterm Strich
Wer Antworten auf die ewigen Fragen erwartet, der ist hier falsch. Wer eine jugendfreie Komödie sehen will, ist richtig. Leider zu viel Frontalunterricht und zu wenig Improvisation.
Reutlinger Nachrichten, 16. Januar 2016
(von Kathrin Kipp)
"Wo kommen wir her? Wo gehen wir hin? Und was passiert dazwischen?" Das Junge LTT thematisiert mit der Uraufführung seines "unglaublich sinnvollen" Comedy-Solos die großen Fragen des Lebens.
Die Premiere des rundumphilosophischen Theater-Comedy-Solos fand in der knallvollen kleinen Turnhalle des Albert-Einstein-Gymnasiums statt (AEG) - eine sportliche Herausforderung für den LTT-Schauspieler Henry Braun, sich vor 300 Schüler(innen) mit den großen Lebensfragen zu befassen, und das in einem Rundumschlag von der Liebe bis zu Gott, von der Physik bis zur Metaphysik, von der kleinen Sporthalle zu Milliarden anderer Paralleluniversen. In einer Schulstunde!
Das Konzept von Jugendtheater-Chef Michael Miensopust, Dramaturgin Susanne Schmitt und Comedy-Spezialist Helge Thun ist, mit "Karma? Schicksal? Pech gehabt?" für Jugendliche ab 14 Jahren kurz mal die zentralen und wichtigsten Fragen des Lebens aufzuwerfen. Heraus kommt nun eine etwas andere Dreiviertelstunden-Predigt über den Sinn von Leben, Liebe und Smartphones.
Möglichst unterhaltsam, allumfassend und realitätsnah will der Rundumschlag sein, weshalb schon im Vorfeld viele SchülerInnen zu den Themen befragt wurden. Aber wie immer ist in Sachen Glaube, Religion und Sinnsuche nur eines sicher: Es gibt keine allgemeingültigen Antworten oder Wahrheiten.
Und so steht auch Henry Braun auf der Bühne und spielt eine leicht chaotische Version seiner selbst, die nicht nur jede Menge Fragen an das Leben und die menschliche Existenz hat, sondern auch in der Liebe noch nicht ganz hundertprozentig von sich überzeugt ist.
Man nimmt ihm den zutiefst verunsicherten 30-jährigen Jugendlichen sofort ab, der vor lauter Fragen keine Antworten mehr sieht. Und so hantiert Henry Braun aufgeregt und hektisch mit einem Totenschädel herum und kommt vom Hundertsten ins Tausendste. Er hat in der großen Turnhalle ein wenig Mühe, die Pointen wirksam zu platzieren. Geht aber trotzdem immer wieder auf sein Publikum ein. Und macht mit seinem Smartphone ein Selfie von sich und den Massen, "die hinter mir stehen", um seiner angeschmachteten Schabana eine Videobotschaft zu schicken.
Schabana habe er bei einer Flüchtlingsaktion kennengelernt und war sofort beeindruckt von ihr. Auf die Frage, warum sie so engagiert sei, meinte sie: "aus Nächstenliebe". Während er überlegt, wie er selbst Schabanas "Nächster" werden könnte, startet er ein wildes Assoziationstänzchen zwischen Nächstenliebe, Religion und der Riesenauswahl, die es gibt. Islam? Christentum? Buddhismus? Atheismus?
Und wenn man sich einmal entschieden habe, gäbe es ja auch innerhalb der großen Weltreligionen noch jede Menge Glaubensrichtungen. Henry hätte am liebsten einen "Religionsvertreter", der in einer Art Shopping-TV die Vorteile jeder Glaubensrichtung preist: lieber einen allgegenwärtigen Gott oder coole Rituale auf schicken Gebetsteppichen? Oder doch lieber den Tempel mit Duftkerzen? Und welche Hölle darf's denn sein? Fegefeuer und mal so richtig durchgrillen? Gar keine Hölle? Dann kostet es eben ein bisschen mehr.
Oder Party bis ans Ende der Zeit? Wiedergeburt? Oder "Nada, Nichts, Nirvana"? "Und warum hat Gott kein Facebook-Profil?" Wär doch praktisch: Er müsste mit allen befreundet sein, die das wollen, und man könnte alle Posts von ihm kommentieren. Nur mit den Profilbildern wird's schwierig - übrigens der klare Beweis dafür, dass Gott eine Frau ist: "Nee, jetzt kein Foto, da seh' ich immer so schrecklich aus", zickt Henry herum. Überhaupt, was hat Gott eigentlich gegen einen eindeutigen Gottesbeweis?
Zumindest hat er jede Menge fragwürdiger Öffentlichkeitsreferenten. Inge Schubert beispielsweise, die monatlich eine Erzengel-Gabriel-Botschaft hinausposaunt: Wir sollen "zur richtigen Zeit das Richtige tun". "Was aber ist das Richtige?", fragt sich Henry. Und was passiert nach dem Tod? Was geschah vor dem Leben? "Warum passiert so ein Scheiß wie Köln"? "Karma? Schicksal? Pech gehabt"?
Ist die Realität überhaupt real? Oder nur eine Art Videospiel? Bloße Projektion? Physiker behaupten ja, was hier nicht möglich sei, sei in einem Paralleluniversum umso wahrscheinlicher. Andere sagen, wir sind nur irgendwelche "Plasma Dingsbums Wellen". Und warum haben die Leute so Angst vor dem Tod? Schließlich waren ja alle schon mal nicht-existent. Ungefähr 13,6 Milliarden Jahre lang.
Muss man nicht aufpassen, dass vor lauter Kopfzerbrechen über das Leben nicht genau dieses an einem vorbeizieht? Oder haben doch die Quantenphysiker recht, die behaupten, alles, was vorstellbar ist, kann auch real werden? Oder soll man's lieber mit der großen Philosophin Pippi Langstrumpf halten: "Ich mach' mir die Welt, wiedewiedewie sie mir gefällt?"
LTT-Vorbericht, 12. Januar 2016
Theater-Comedy über den Sinn des Lebens
(von Susanne Schmitt)
Ein besonderes Ereignis steht am Freitag, 15.1., im Reutlinger Albert-Einstein-Gymnasium auf dem Programm: „Karma? Schicksal? Pech gehabt?“, das neue Stück des Jungen LTT, feiert seine Premiere in der Turnhalle des AEG, denn es handelt sich um ein Theaterstück, das speziell für Schulen konzipiert wurde: ob in der Turnhalle, in der Aula, oder im Klassenzimmer, es ist überall spielbar – aber natürlich auch in einem Theater. Und so zeigt das LTT am nächsten Tag, am Samstag, 16.1., um 19 Uhr auch eine erste Vorstellung im LTT-Oben.
Im Vorfeld der Premiere sprach Dramaturgin Susanne Schmitt mit Michael Miensopust, dem künstlerischen Leiter des Jungen LTT, dem bekannten Tübinger Comedian Helge Thun und dem Schauspieler Henry Braun, die das Stück gemeinsam entwickelt haben. Grundlage dafür waren Gespräche mit Jugendlichen aus dem Raum Tübingen/Reutlingen über Sinn- und Glaubensfragen. So ist ein kurzweiliges Theaterstück entstanden, das auf unterhaltsame Art zum Nachdenken über ernste und wichtige Themen anregen will.
Susanne Schmitt: Ein Theaterstück über Sinn- und Glaubensfragen – wie kann man denn den Sinn des Lebens auf die Bühne bringen?
Michael Miensopust: Ich glaube, den Sinn des Lebens kann man nicht auf die Bühne bringen, aber man kann die Frage nach dem Sinn des Lebens auf die Bühne bringen.Und ich denke, dass genau darin die große Herausforderung liegt. Ich weiß noch, dass ich als Jugendlicher ganz viele Fragen an den Sinn und das Leben hatte. Und nun, auf dem Theater, können alle diese Fragen wieder aufkommen und vielleicht kann man so mit diesen Fragen anders umgehen. Und wir haben versucht, eine Form dafür zu finden, mit der wir hoffentlich genau das erreichen können.
Susanne Schmitt: Die Form ist ein gutes Stichwort: Ein Theater-Comedy-Solo, was ist das? Was ist der Unterschied zwischen Comedy und Theater?
Helge Thun: Bei Comedy fehlt die vierte Wand. Es ist die Erzählform, die den Unterschied ausmacht, nämlich dass man sich mit einem viel direkteren Ton ans Publikum wendet. Also es nicht so wie im Theater: Das Licht geht an und man sieht eine fremde Welt und jemand agiert in dieser Welt, sondern der Schauspieler ist hier und jetzt und spielt scheinbar gar nicht. Also diese direkte Ansprache des Publikums, das ist der Hauptunterschied zwischen Stand-up-Comedy und Theater.
Susanne Schmitt: Warum sollte man so ernste Themen wie den Glauben und die Frage nach dem Sinn des Lebens mit Humor betrachten?
Helge Thun: Weil Humor nur aus der Not heraus entsteht. Humor ist die für mich beste Form, mit den Unwegbarkeiten oder der Sinnlosigkeit des Lebens umgehen zu können. Also, nur wer Humor hat, kann auch glücklich leben.
Michael Miensopust: Und man kann mit Humor auch Themen behandeln, die man sonst nicht so leicht ansprechen kann – gerade wenn man es mit einem jungen Publikum zu tun hat.
Susanne Schmitt: Stand-up-Comedians erzählen in der Regel von sich selbst, natürlich in zugespitzter und etwas veränderter Form. Wieviel von Ihnen steckt in diesem Stück, Herr Braun?
Henry Braun: Relativ viel, angefangen damit, dass ich mich persönlich vorstelle, mit meinem echten Namen und meinem echten Geburtsdatum und meiner echten Herkunftsstadt. Aber ich habe während der Proben festgestellt, dass es doch mehr eine Theaterfigur ist, als ich es zuerst gedacht habe. Aber dennoch ist schon viel von mir persönlich auch noch drin.
Susanne Schmitt: Während des Probenprozesses haben wir immer wieder mit Schülerinnen und Schülern gesprochen. Was war für Sie die spannendste oder überraschendste Erkenntnis im Austausch mit den Jugendlichen?
Henry Braun: Dass ich nicht gedacht hätte, dass so viele junge Menschen an Gott glauben.
Susanne Schmitt: Wir haben außerdem auch schon sehr früh Teile des Stücks in einer Schule gezeigt. Wie war es für Sie, noch ohne fertiges Stück bereits vor Publikum zu stehen?
Henry Braun: Ich glaube, ich war in meinem Leben noch nie so aufgeregt und ich habe in meinem Leben noch nie so schnell einen so trockenen Mund bekommen. Eine Katastrophe! (lacht)