Theatersport-Erfinder Keith Johnstone gestorben

16. März 2023

Der britische Dramaturg, Schauspiellehrer und Begründer des Improvisationstheaters Keith Johnstone ist im Alter von 90 Jahren gestorben. Wie der Alexander Verlag Berlin mitteilt, starb er am 11. März in seiner Wahlheimat Kanada. Er galt als Erfinder des modernen Improvisationstheaters und hat diese neue Theaterform auf der Welt verbreitet und bekannt gemacht.

 

Volker Quandt, seit 33 Jahren Leiter des Theatersports am LTT, verabschiedet sich von Keith Johnstone in einem sehr persönlichen letzten Brief:

 

Lieber Keith,

 

da hast Du mich echt kalt erwischt. Ich sitze am 12. März gerade an den Vorbereitungen zu den Theatersport-Länderspielen Brasilien-Deutschland hier in Salvador da Bahia, da erfahre ich von deinem Tod.

 

Mit Dir hat Theatersport seinen wahren Vater verloren. Und das ist sehr traurig!

 

Im März 1983 traf ich Dich erstmals in Kopenhagen. Ich durfte – damals noch als Regisseur – ausnahmsweise zehn Tage lang zusammen mit den besten Impro-Spielern Dänemarks an deinem Theatersport-Workshop teilnehmen. Als Beobachter. Dachte ich! Doch als ich ankam, stelltest Du sofort eine Bedingung: „Nicht zuschauen, sondern aktiv mitmachen, mitspielen.“ Erinnerst Du Dich noch? Ich schon... Denn natürlich bin ich bei meinen Improvisationsversuchen kläglich gescheitert. Aber Du sagtest nur: „Macht nichts. Das nächste Mal scheiterst du besser.“  Seitdem ist „Die Lust am Scheitern“ mein ständiger Begleiter.

 

Du hast uns Hoch- und Tiefstatus improvisieren lassen und Szenen mit starken Behauptungen eingefordert, mit denen man Wendepunkte kreieren kann. Du redetest von Spielangeboten, die akzeptiert werden sollten, von Aktivem Zuhören (was auch heute immer noch banal klingt, aber doch so schwer ist) und von Geständnissen, die eine Geschichte vorantreiben können. Und auch den vielen Methoden, mit denen eine Geschichte kaputt gemacht werden kann! Du hast mir die Augen geöffnet und mir ein phantastisches Instrumentarium an Improvisations-Techniken und  -Spielformen an die Hand gegeben. Dafür werde ich Dir ewig dankbar sein.

 

Diese zehn Workshop-Tage mit Dir haben mein Leben verändert, sowohl beruflich als auch menschlich. Ich glaube, das weißt Du.

 

Übrigens warst auch Du es, der mich dazu bewegt hat, nach 21 Jahren in Skandinavien wieder nach Deutschland zurückzukehren. Doch echt. Das stimmt! Ende der 80er Jahre - nach mehreren vergeblichen Versuchen, den Theatersport nach Deutschland zu bringen - bekam ich die Einladung als Leiter des Kinder- und Jugendtheaters ans LTT nach Tübingen zu kommen. Da war sie, meine Chance, denn nun konnte ich deinen Theatersport endlich (als Jugendtheaterproduktion!) auf meinen Spielplan setzen. Das war am 13. Januar 1990, erinnerst Du Dich? Seitdem läuft der Theatersport (fast) ununterbrochen am LTT. Du hast es geschafft, mit diesem Spielformat bisher über 750.000 Zuschauer ins Theater zu locken. Und aus dem anfänglich jugendlichen Zielpublikum hat sich über die 33 Jahre hinweg ein Mehrgenerationenpublikum etabliert, das immer wieder kommt, um die beiden Teams Fortuna Faust und Coole Rampe anzufeuern. Hättest Du Dir das damals träumen lassen? Ich jedenfalls nicht.

 

Vielleicht ist es Dir gar nicht so recht, dass ich das alles erwähne, aber in diesem traurigen Moment ist es mir ein Bedürfnis, meine große Dankbarkeit Dir gegenüber zum Ausdruck zu bringen. Und Du kannst sicher sein, Du wirst in all unseren theatersportlichen Vorstellungen weiterleben. Und ich verspreche Dir jetzt (gerade in Salvador, Brasilien) und auch in Zukunft immer noch besser zu scheitern!

 

R.I.P.

 

Dein theatersportlicher Fan und Mitstreiter

Volker

und das gesamte Harlekin Theater







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