WEITER SO - DIE NEUE SPIELZEIT AM LTT!

19. Juni 2015

Heute veröffentlichte das LTT-Leitungsteam auf einer Pressekonferenz den Spielplan 15/16, den zweiten in der Intendanz Thorsten Weckherlins, der mit starken Stoffen und großen Themen an die erste Spielzeit anknüpft, in der Querdenker, Systemverweigerer und Visionäre den Spielplan bestimmten. „Sagen lassen sich die Menschen nichts, aber erzählen lassen sie sich alles.“ Dieses geflügelte Wort Bernhard von Brentanos steht für die Theaterarbeit am LTT. Ab Morgen, Samstag 20. Juni, liegt das neue Spielzeitheft im Foyer aus - hier können Sie sich bereits online einen ersten Eindruck verschaffen.

 

Hoffnung, Freiheit & Gewalt, Angst vor dem Fremden, Glaube und Utopie sind Schwerpunktthemen der neuen Spielzeit im Abendspielplan.

 

In der Uraufführung „Nach Korfu“ des jungen Autors Nikolas Hoppe trennt Kathrin sich von ihrer Familie und stellt den gemeinsamen Lebensplan in Frage. Ibsens „Nora“ bricht aus ihrem „Puppenheim“ aus und Isa, das junge Mädchen aus Wolfgang Herrndorfs posthum erschienenem Buch „Bilder deiner großen Liebe“, aus einer psychiatrischen Anstalt, um frei und ungebunden durch eine brüchige, aber auch verzweifelt schöne Welt zu wandern. Alle diese Frauen versuchen einen Aufbruch ins Offene, der schmerzhaft ist, aber Hoffnung in sich trägt.

 

Um Hoffnung und Leben wollen geht es auch in Kay Pollaks „Wie im Himmel“, mit dem Oberspielleiter Christoph Roos im Saal die Spielzeit eröffnet. Die Musik, die die Herzen öffnet, aber auch die festgefahrene Ordnung eines Dorfes ins Wanken bringt, wird hier u. a. von einem Chor von 30 Tübinger und Tübingerinnen gesungen.

 

Dagegen erzählen Hermann Hesse und Friedrich Schiller in „Demian“ und „Die Räuber“ Geschichten von jungen Männern, deren Sinnsuche und Rebellion mit großer Konsequenz zu Gewalt und Krieg führen. Warum endet persönlicher und gesellschaftlicher Aufbruch von jungen Männern so oft in Selbstzerstörung? Was hat Freiheitssuche mit Gewalt zu tun? Auch Hermann Kochs Roman "Angerichtet" erzählt von der Gewalt jugendlicher Menschen - und von dem Versuch der Eltern, diese zu vertuschen, um die Fassade aufrecht zu erhalten.

 

Von den aktuellen, mörderischen Konsequenzen der Festung Europa erzählt Carlos Eugenio López in seinem bitterbös komischen Gesprächsroman „Abgesoffen“. Zwei Auftragskiller ertränken nordafrikanische Immigranten in heimischen Badewannen und fahren mit ihren Opfern quer durch Spanien, um sie im Meer zu entsorgen. Die Festung Europa und unsere Angst vor dem Fremden sind das dritte große Thema des Spielplans. Max Frischs „Biedermann und die Brandstifter“ ist eine große Angstphantasie: Wenn man Fremde in sein Haus lässt, zünden sie einem zu guter Letzt das Dach über dem Kopf an.

 

Mit Fjodor Dostojewskijs Roman „Schuld und Sühne“ kommt der größte und faszinierendste Kriminalroman aller Zeiten auf die Bühne. Hier kreisen alle Figuren um das Problem, wie sich Gut und Böse noch bestimmen lassen, wenn man nicht mehr an Gott glaubt. In einer Welt ohne Gott scheint alles erlaubt, für den jungen Studenten Raskolnikow sogar ein Mord.

 

Was glauben wir heute eigentlich noch? Diese Frage ist der dritte thematische Schwerpunkt der Spielzeit und wird das LTT-Team noch in der übernächsten Spielzeit beschäftigen.

 

BELIEVE TANK heißt ein zweijähriges Projekt, für das die Kulturstiftung des Bundes eine Förderung im Fonds DOPPELPASS bewilligt hat (150.000 Euro). Gemeinsam mit Nyx e.V., einer freien Gruppe mit den Regisseurinnen Nina Gühlstorff, Dorothea Schroeder, dem Ausstatter Thomas Rustemeyer, dem Schauspieler Laurenz Leky und dem Autor Konstantin Küspert, forscht das LTT zum ältesten und zugleich aktuellsten Thema – Glaube und Religion. Für viele ist heute der Glaube an Gott ersetzt durch den Glauben an Selbstoptimierung, den Kapitalismus oder Bachblütentee. Zwischen Monotheismus und den 1000 anderen Göttern, Göttinnen und Götzen wird es dem modernen Menschen manchmal ganz unheimlich. Woher sollen wir unseren Lebenssinn beziehen? Mit welcher Sprache sollen wir über „die letzten Dinge“ reden? Wie verteidigen wir die Werte unseres „christlichen“ Abendlandes, wenn wir uns ihrer selbst gar nicht mehr so sicher sind? Und wie schlagen sich die Wertvorstellungen anderer Religionen in unserem Zusammenleben nieder? Im BELIEVE TANK wird mit Gesprächsformaten, szenischen Interventionen und Installationen, recherchebasierten Stückentwicklungen und interaktivem Game-Theater die Frage des Glaubens über zwei Jahre immer wieder neu gestellt – bis ins große Reformationsjahr 2017!

 

Am Ende der zweiten Spielzeit schließlich verwandelt sich die Tübinger Neckarinsel in einen Ort der Utopie – mit „Wie es euch gefällt“, der politischsten Komödie William Shakespeares. Das Reich der Freiheit im Wald von Arden ist ein Experimentierfeld der Ent-Machtung und der Liebe, die in ganz unterschiedlichen Spielarten gelebt wird – mit viel Musik.

 

„Weiter so!“ gilt den Arbeitsbeziehungen der ersten Spielzeit. Mit vielen Regisseuren wird die gemeinsame Arbeit fortgesetzt: Gernot Grünewald, Dominik Günther, Jan Jochymski, Alexander Marusch und Nick Hartnagel realisieren neue Inszenierungen. Neue Handschriften kommen mit den jungen Regisseurinnen Carina Riedl (Wien, Graz, Ruhrfestspiele Recklinghausen) und Marlene Anna Schäfer (Karlsruhe, Darmstadt, Frankfurt) sowie mit Hüseyin Michael Cirpici (DT Berlin, Krefeld, Bremen, Wuppertal). Nach "Der Messias" in der ersten Spielzeit, wird Dramaturg Lars Helmer mit "Abgesoffen" seine zweite Regiearbeit zeigen, Oberspielleiter Christoph Roos legt nach "Wie im Himmel" seine Interpretation der "Räuber" sowie der Romanadaption "Angerichtet" von Hermann Koch vor.

 

Im Spielplan des Jungen LTT, das 2014 sein 30-jähriges feierte, geht es in 15/16 „um alles!“ Um alles, was im Leben wichtig ist und was junge Helden brauchen, um für eine unüberschaubare Welt, die sich Realität nennt, gerüstet zu sein.

 

„Raus aus dem Haus“ von Ingeborg von Zadow für Menschen ab 3 zeigt, wie das geht, sich raus aus dem Haus zu wagen, Ängste zu überwinden und die Welt zu entdecken. In Esther Beckers Stück „Supertrumpf“ (10+) geht es darum, auch in schwierigen Situationen die Menschen, die einem nahe stehen, als Gefährten zu erkennen und den Humor nicht zu verlieren.

 

„Karma? Schicksal? Pech gehabt?“, ein Theater-Comedy-Solo von Michael Miensopust und Helge Thun, stellt ebenfalls die ganz große Frage nach dem Sinn und dem Glauben – und woran man erkennen kann, was Schicksal oder Pech war und ob überhaupt?

 

Mit „Ein Sommernachtstraum – nur für Verliebte“ frei nach Shakespeare (13+) stürzt sich das gesamte Ensemble des Jungen LTT in das Chaos der Liebe, versucht, komplizierte Gefühlslagen zu entwirren und frechen Kobolden zu entkommen. „Die kluge Bauerntochter“ löst schwierige Rätsel und behauptet sich gegenüber den Herrschenden, indem sie ihrem Herz vertraut – bearbeitet wird Grimms Märchen von Karin Eppler zu einem Erzähltheaterstück ab 6 Jahren.

 

Wie schmal der Grat zwischen Strenge und Brutalität ist, wie verführbar Macht macht und wie schnell aus normalen Menschen Täterinnen und Täter werden können – davon erzählt die neue Produktion des tjc (Theaterjugendclub am LTT), „Täterinnen“ (14+) diesmal gemeinsam mit dem Frauentheater Purpur! Und „Ganz großes Kino“ gibt es im Filmtheaterstück von Michael Miensopust – seine Träume nicht aufgeben, das Geheimnis hinter der Leinwand lüften und erkennen, dass das Leben ganz großes Kino sein kann.

Um was geht’s? Um alles natürlich!

 

Veränderungen gibt es im Ensemble des Jungen LTT: Stefanie Klimkait kehrt aus der Elternzeit zurück, ihre Vertreterin Linda Lienhard tritt ein Engagement am Theater der Altmark in Stendal an. Dimetrio-Giovanni Rupp verlässt nach drei Jahren das Ensemble, für ihn kommt Andreas Laufer, bereits bekannt aus "Moglis Dschungel", "Neues von den Nibelungen" und "Der schöne Fischer".

 

„Weiter so“ ist auch der Wunsch, was den Zuspruch des Publikums angeht: Die Auslastung in 14/15 war hoch (82 %) – Heiner Kondschaks „Forever 27“ (Platzausnutzung: 99,8 %) oder das Political „Palmer – Zur Liebe verdammt fürs Schwabenland (Auslastung: 107,52 %), das Junge LTT mit „Tschick“ (98,5 %), „In einem tiefen dunklen Wald“ (89%), „Ronny von Welt“ (104 %), „Der schöne Fischer“ (82,07%) waren die Spitzenreiter. Zuwachs ist auch bei den Abonnenten zu verzeichnen (insbesondere bei den Fest-Abonnenten) und auf dem heiß umkämpften Gastspielmarkt konnte das LTT sich behaupten.

 

Leitungsteam und Ensemble begreifen das LTT als offenes Haus und die Bühne als einen „runden Tisch“, an dem die zentralen Fragen des Zusammenlebens spielerisch gestellt und besprochen werden. Hoffnung, Freiheit, Gewalt, Angst, Fremdheit, Glaube, Mut, Utopien, Liebe, Vertrauen – darüber will der Spielplan 15/16 mit den Tübingerinnen und Tübingern und den ZuschauerInnen in der Fläche ins Gespräch kommen.

 

Hier finden Sie das neue Spielzeitheft zum Download als PDF. Die Informationen zu allen Stücken auf unserer Homepage gibt es ab Ende dieser Spielzeit.







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