Folge 9 - Über große Helden und Gartenzwerge

26. Juli 2013

Die "Neues von den Nibelungen"-Proben fördern ganz neue Aspekte der Sagenfiguren zutage: Siegfried spielt Luftgitarre und König Gunther lässt sich von seiner Mutter Brote für die Schlacht schmieren. 

Am 25. Juni haben die Proben für „Neues von den Nibelungen“ frei nach Friedrich Hebbel begonnen. Michael Miensopust inszeniert das Stück, und unser ganzes Ensemble spielt: Magdalena Flade, Rupert Hausner, Stefanie Klimkait, Henry Braun und Dimetrio-Giovanni Rupp. Und ich hospitiere! Auf den Proben gibt es meistens viel Originelles zu sehen, besonders, da wir noch in der Anfangsphase sind und viel ausprobiert und gescherzt wird.

Erst mal sollte ich vielleicht kurz die Nibelungensage zusammenfassen: Der Held Siegfried kommt an den Hof des Burgunderkönigs Gunther und wirbt um die Hand von dessen Schwester Kriemhild. Gunther hat sich aber in den Kopf gesetzt, die isländische Königin und Halbgöttin Brunhild zu heiraten. Bei der Umsetzung dieses wahnwitzigen Plans muss ihm Siegfried helfen, bevor die Trauung mit Kriemhild stattfinden darf: Er besiegt unter einer Tarnkappe an Gunthers Stelle die bisher ungeschlagene Brunhild, die noch jeden ihrer Freier im Wettkampf getötet hat. Hagen, der eiskalte Berater des Königs, fungiert bei dieser Aktion als Strippenzieher. Brunhild ist zwar im Zweikampf unterlegen und kommt mit den Burgundern nach Worms, Gunther ist aber auch zu schwach, um die Hochzeitnacht mit der Halbgöttin zu vollziehen. Deshalb muss Siegfried diesen Part für ihn übernehmen. Als Kriemhild bei Brunhild dieses Geheimnis herausrutscht, sinnt Brunhild auf Rache. Hagen unterstützt sie und ermordet Siegfried bei einer Jagd. Daraufhin fordert die vor Trauer wahnsinnige Kriemhild über Jahre hinweg Rache an Hagen, die Gunther ihr aber nicht gewährt. Als der Hunnenkönig Etzel um Kriemhild wirbt, heiratet sie ihn aus Kalkül und lädt dann die Burgunder zu einem großen Festessen an Etzels Hof. Dort werden die Wormser allesamt heimtückisch von den Hunnen getötet, auch Kriemhild selbst und ihre Brüder.

Wir proben auf einem großen Podest mit unterschiedlich hohen Stufen, die eine Art Turnier-Atmosphäre herstellen. Die Akteure können einander so gegenseitig bei ihren Statuskämpfen zuschauen. Die Schauspieler und Michael scheinen ihre ganz eigene Interpretation der Charaktere zu haben: Da packt Königin Ute ihren kampflustigen Söhnen Butterbrote für die Schlacht ein – woraufhin der peinlich berührte König Gunther flüstert: „Mamaaa, nicht immer vor den Rittern!!“ Der Siegfried gleicht manchmal eher einem Elvis Presley, wenn er sein Schwert als Mikrofonständer benutzt und Luftgitarren-Bewegungen macht. Der bitterböse Hagen bohrt sich unablässig mit einem Zahnstocher im Mund herum und spuckt gelegentlich abfällig aus. Oder er klettert mit Stasispitzel-Attitüde aus Holzklappen. Die Frigga – Amme der isländischen Königin Brunhild – spricht Ost-Dialekt („Ich hab kein gutes Gefühl, ich hab gar kein gutes Gefühl, Kind…) und wirft Knochen, aus denen sie den Namen von Brunhilds Zukünftigem ersieht: „Gun…trun…Gun…??“

Auch andere hübsche Inszenierungseinfälle gab es, so sollte die Königsmutter Ute die ganze Bühne umstricken. Alberich, der kleinwüchsige Hüter des Nibelungenschatzes, soll als Gartenzwerg versehentlich vom heldenhaften und etwas trampeligen Siegfried umgetreten werden: „Huch!“ Bei der Entwicklung solcher Ideen glänzt Michael immer wieder durch seine recht ungewöhnlichen Vergleiche: Da bezeichnet er schon mal Hagen als Drogendealer oder als einen der Beatles (wozu der Darsteller würdevoll verkündet: „Ich war aber bei den Stones!“), Brunhild und Gunther als zuckrig-naives Ehepaar auf der Yacht oder Siegfried als lärmenden Proleten im morgendlichen Berufsverkehr: „GUTEN MORGEN!!! ICH GRÜßE ALLE IN DER STRAßENBAHN!!! ES IST JETZT SECHS UHR FRÜH – TOLL!!!“ Die Sage um die unbesiegbare Brunhild wird Michael zufolge vom Herold erzählt wie beim „Vorm-Edeka-Sitzen“. Hagen schreibt er in Metaphern schwelgend einen blumigen Sarggeruch zu, Siegfried dagegen Pfefferminzduft, um die konträren Naturelle der beiden zu verbildlichen.

Der Siegfried-Darsteller scheint bisweilen leichte Schwierigkeiten mit dem Namen seiner Figur zu haben: „Ich grüß dich, König Gunther von Burgund!! Du staunst, dass du den Friedrich vor dir siehst?!“ – „Wir hatten eigentlich Siegfried erwartet“, entgegnet der Schauspieler des Hagen bissig. „Ich bin Friedrich Hebbel!!“, brüstet sich der Siegfried daraufhin. „Eher Friedrich Hibbel“, murmelt der Hagen in sich hinein.

Die Premiere von „Neues von den Nibelungen“ findet am 11.Oktober 2013 statt, die Inszenierung wird sicher ziemlich spannend und vielschichtig! Übrigens: Meinen nächsten Blogeintrag lest ihr hier in den nächsten Tagen - bis bald!







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