Zeit ist eine Blume

Ein etwas skurriler Anblick: Ein junger Mann in dunkelgrünem Taftrock und Schleifchen im langen Haar macht Kopfstand, Purzelbaum und Kerze in der Turnhalle des Kinderhauses Carlo Steeb in Tübingen. Die Kulisse: eine Sprossenwand und eine Weichbodenmatte. Der Zuschauerraum: etwa 20 gebannte Vorschulkinder auf Turnbänken und Kissen.

Das Einpersonenstück mit Alvaro Rentz handelt von einer Schmetterlingsraupe, die es nicht mehr abwarten kann, endlich groß zu sein. Auf einfühlsame Weise und in kindgerechter Sprache stellt das Junge LTT mit seinem neuen Stück „Zeit ist eine Blume“ die Fragen, die seinem Publikum auf der Seele brennen: Wann bin ich groß? Was ist Vergangenheit? Was ist Zeit? Das Stück lädt zum Mitphilosophieren ein. Ist Zeit eine Erinnerung? Ein Samen, eine Blume oder ein Wackelzahn? Oder einfach nur das Tick Tick Tack einer Kuckucksuhr?

Die philosophisch angehauchte Version der Kleinen Raupe Nimmersatt basiert auf dem Kinderbuch „Time is a Flower“ der kanadischen Illustratorin Julie Morstad, das im Januar diesen Jahres auf Deutsch erschienen ist. „Wir haben versucht, die Poesie des Buches aufzunehmen“, erklärt Monika Kosik, die Künstlerische Leiterin des Jungen LTT. Die thematisch zeitlichen, aber dennoch zeitlosen Fragen des Stücks machen es auch für ältere Menschen interessant. „Wir machen Theater für alle“, betont Kosik. Auch Erwachsene seien willkommen.

Der Schauspieler Alvaro Rentz nimmt sein junges Publikum sehr ernst. „Es ist anspruchsvoller, vor Kindern zu spielen als vor Erwachsenen“, sagt der 23-Jährige. „Kinder sind so ehrlich.“ Man merke sofort, ob es ihnen gefalle oder nicht. Das gebe ihm aber auch die Chance, sofort darauf reagieren zu können. Ungewöhnlich ruhig ist das Publikum aus Fünfjährigen bei der Premiere an diesem Morgen. Hochaufmerksam verfolgen die Kinder jede Bewegung des Schauspielers. Auch wenn im Kinderhaus Carlo Steeb die offizielle Premiere ist, hat das LTT schon Testproben vor anderen Kindergruppen aufgeführt. Die seien sehr viel aktiver gewesen, erzählt Monika Kosik. Nach der knapp 40-minütigen Aufführung wiederholt sie mit den kleinen Theaterbesucherinnen und -besuchern noch einmal die Inhalte des Stücks.

Als Premierengeschenk dürfen die Kinder mit Alvaro Rentz dann noch Samen in einen Blumenkasten einsäen. In einem Jahr, wenn die Kinder eingeschult werden, sollen dann Blumen daraus geworden sein. So wird der Inhalt der Titel des Stücks auch sinnlich erfahrbar.

In Kitas und am LTT

Als mobiles Kita-Stück wandert „Zeit ist eine Blume“ durch Tübingen. Aber auch für Nicht-Kitakinder und Erwachsene gibt es die Möglichkeit, es zu sehen. Aufführungstermine sind am 8., 15. und 26. Oktober im LTT und am 27. Oktober in der Stadtbücherei Tübingen. Weitere Infos auf www.landestheater-tuebingen.de.