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Schauspiel von Jens Raschke
10+
Schwäbisches Tagblatt, 18. Mai 2019
(von Dorothee Hermann)
Im Stück über einen Zoo in der Nähe eines Konzentrationslagers bewegt sich das Junge LTT zwischen Menschen, Tieren, Gefangenen und Folterern.
Vier seltsame Wesen in braunen Ganzkörperanzügen beäugen die Zuschauer und scheinen Witterung aufzunehmen. Sie zucken, glotzen, grinsen, scharren, kratzen sich, und sie krümmen sich ruckartig, als hätten sie ihre Bewegungen nicht völlig unter Kontrolle. Eines trägt einen Stahlhelm (es ist Insa Jebens als hartschädliges Mufflon). Ein anderes hat einen runden, hellgrauen Pelzkragen angelegt. Dass sein rotes Hinterteil es als Pavian-Papa (Jonas Breitstadt) ausweist, sieht man erst später (Bühne und Ausstattung: Nina Hofmann).
So beginnt das Jugendstück „Was das Nashorn sah, als es auf die andere Seite des Zauns schaute“. Die Zuschauer bleiben erstmal im Unklaren, was für Wesen sie da vor sich haben, ob eher Tier oder eher Mensch oder bloß ziemlich gleichförmig braun Uniformierte. Doch dann rufen die Figuren: „Stellt euch einen Zoo vor!“ Am Freitag war Premiere am Jungen LTT, dem Kinder- und Jugendensemble am Landestheater Tübingen (Regie: Gesa Bering).
Das Wittern und Scharren der Tiere wirkt skurril, aber auch merkwürdig bedrängt oder in die Enge getrieben, denn ihnen steht zunächst nur ein sehr schmaler Bühnenraum zur Verfügung, eine Art Gang, der durch wandhohe Schrankteile begrenzt wird. Auch Richtung Publikum hätten sie keinerlei Fluchtweg. Dort erheben sich die Sitzreihen für die Zuschauer. Der mechanisch-repetitive Sound (Musik: Stephan Dorn) betont die Zwangslage noch.
Die merkwürdige Zwischenzone liegt zwischen der Stadt der sogenannten Gestiefelten und den erbärmlichen Baracken der sogenannten Gestreiften. Denn das Stück des 49-jährigen Kindertheatermachers und Autors Jens Raschke bezieht sich auf den Zoo, der in der Nazizeit neben dem Konzentrationslager Buchenwald gebaut wurde, damit sich die Kinder der SS-Folterer und auch der Weimarer Bevölkerung dort amüsieren konnten.
Es stellt sich heraus, dass das titelgebende Nashorn nicht an der winterlichen Kälte gestorben ist, sondern nachdem es etwas so Schreckliches gesehen hat, dass es nicht mehr weiterleben konnte. Aber vorerst darf das Murmeltiermädchen (Kristin Scheinhütte) possierlich ihre Faxen machen oder sich dauergähnend wie die Haselmaus in „Alice im Wunderland“ in den Winterschlaf fallen lassen. Doch dann taucht ein Neuankömmling auf (mit Fellmütze: Elias Popp als Bär) und fängt an, Fragen zu stellen.
Unterm Strich
Anspruchsvolles Jugendstück über einen eigenartigen Unterhaltungsbetrieb voller merkwürdiger Tiere in grotesker bis mörderischer Nachbarschaft. Nimmt kleinen und großen Zuschauern durch den skurrilen Ansatz die Scheu, sich auf das schwierige Thema einzulassen. Erzählt für Kinder verständlich von Ausgrenzung, Gewalt und unfreiwilliger Zeugenschaft. Erwachsene Begleitung kann nicht schaden.
Reutlinger General-Anzeiger, 18. Mai 2019
(von Christoph Ströhle)
Kindertheater – „Was das Nashorn sah…“ am LTT
Der Bär, der das plötzlich verstorbene Nashorn ersetzen soll, muss als Zoo-Neuling erst einmal lernen, sich zurechtfinden. Die meisten Tiere haben es aufgegeben zu fragen, warum das Nashorn so überraschend der Tod ereilt hat. Die einen, weil sie vergesslich sind. Die anderen, weil sie einfach nur ihre Ruhe wollen. […] Regisseurin Gesa Bering gelingen in ihrer Inszenierung ausgesprochen dichte Momente, die im Zusammenspiel mit Stephan Dorns Musik die Relevanz und Dringlichkeit der Textvorlage eindrucksvoll unterstreichen.