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von Sabine Altenburger
Schwäbisches Tagblatt, 22. März 2018
Diese Reinigungskräfte nehmen es auch mit Lebenslügen auf
(von Dorothee Hermann)
"Vorsicht! Putzfrauen!" heißt das neue Stück des Tübinger Frauentheaters Purpur
Sie beherrschen nicht nur die Tiefenreinigung der vertracktesten Oberflächen von analog bis digital. "Die schnellen speziellen Cinderellen" sind ein Putztrupp, der es sogar mit dem Schicksal aufnehmen kann, das für Frauen immer noch ganz eigene Fallstricke parat hat.
Doch die Power-Reinigungskräfte in der neuen Inszenierung des Tübinger Frauentheaters Purpur (Regie: Uschi Famers) wissen sich (und ihren Geschlechtsgenossinnen) zu helfen. Sogar dann, wenn sie zunächst auf Granit beißen und frau sich nur sehr zögerlich unter die Arme greifen lassen will: beispielsweise die zaghaft-honorige Haushälterin (wunderbar überzeugend mit Dutt und Schmollmund: Marga Andriessens als Lina Brotbeck) des Bankrotteurs Schlucker (kein Tippfehler!), der tausende Frauenarbeitsplätze gegen die Wand gefahren hat. Das hat so viel Schwung, dass die Premierengäste am Dienstagabend in der Werkstatt des Landestheaters Tübingen (LTT) hörbar amüsiert waren.
Zunächst sieht alles stark nach Business-Erfolg und Feierlaune aus. Zwar dominieren vier nüchterne Spinde die Bühne, doch auf dem kleinen Tisch mit dem Laptop stehen rosa Schicht-Torte und Sekt bereit: Der aufstrebende Frauen-Betrieb "Die schnellen speziellen Cinderellen" feiert das dreijährige Bestehen. Die Reinigungskräfte mit dem aus dem Märchen entlehnten Firmen-Namen haben Vertrauen und Stammkunden erworben und sind dabei, die drückenden Existenzsorgen, die ältere, ungenügend abgesicherte Frauen millionenfach plagen, für immer hinter sich zu lassen. Die Firmen-Hymne singen sie nach der Melodie des altbekannten italienischen Partisanen-Liedes "Bella Ciao". Und jede von ihnen hat ihre Erfahrungen mit der Aschenputtel- beziehungsweise Cinderella-Rolle.
Hinter den drei Firmengründerinnen Renate (Elisabeth Straussinsky), Hanna (Elke Haas) und Katrin (Marianne Seidel), die ihre unternehmerische Ader erst spät im Leben entdeckten, liegen herbe menschliche Enttäuschungen, häufig verursacht durch den vormaligen eigenen (männlichen) Lebenspartner und Vater der gemeinsamen Kinder - oder durch frauendiskriminierende berufliche Machtstrukturen.
So liefert das Stück mit viel Humor auch eine Kampfansage an gesellschaftliche Verhältnisse, die Frauen noch immer an den Katzentisch verbannen (wollen). Es ist klar, dass sich das auf der Bühne des Frauentheaters Purpur keine länger gefallen lassen will: etwa die Ex-Journalistin Renate (Elisabeth Straussinsky), der in ihrem Fernsehsender nicht nur von den männlichen Chefs, sondern auch von der betriebsinternen Frauenbeauftragten übel mitgespielt wurde. Mit der Medienbranche blendet die Inszenierung auf ein weiteres berufliches Milieu und signalisiert, dass nicht nur opferbereite Ehefrauen und Mütter, sondern auch berufstätige Frauen sich immer noch warm anziehen müssen. Das ist ein bisschen schade, denn die Putzfrauen hätten selber genug Potenzial.
Das Stück erzählt viele Geschichten, fast zu viele. Die rollen in krimimäßigem Tempo vor den Zuschauerinnen und Zuschauern ab, lassen aber wenig Raum für improvisierte, träumerische oder fantastische Momente, die nicht dem Handlungsablauf dienen. Doch überraschende Wendungen nach dem Motto "frau sieht sich immer zwei Mal im Leben" finden sich reichlich.