Andreas Guglielmetti · Foto: Thomas Müller
Andreas Guglielmetti · Foto: Thomas Müller
Andreas Guglielmetti · Foto: Thomas Müller
Andreas Guglielmetti · Foto: Thomas Müller
Andreas Guglielmetti · Foto: Thomas Müller
Sarah Larisch, Andreas Guglielmetti · Foto: Thomas Müller
Andreas Guglielmetti · Foto: Thomas Müller

Meine Eltern

Eine szenische Lesung von Andreas Guglielmetti


Schwäbisches Tagblatt, 19. April 2021

Led Zeppelin sprengten das Diner

(von Dorothee Hermann)

In einem vergnüglichen Solo-Stück erkundet der LTT-Schauspieler Andreas Guglielmetti die Welt seiner Eltern mit Fotos, Objekten und Musik.

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Reutlinger General-Anzeiger, 16. April 2021

Brieftaube und Led Zeppelin

(von Christoph B. Ströhle)

»Ein überragender Abend!«

Ensemblemitglied Andreas Guglielmetti erinnert am LTT mit einem eigenen Text an »Meine Eltern«

Man konnte ihn am LTT zuletzt unter anderem in »Der gute Mensch von Sezuan«, »Top Dogs«, »Faust« oder »Warten auf Godot« sehen. Jetzt hat Andreas Guglielmetti, seit 2014 Ensemblemitglied am Tübinger Theater, einen sehr persönlichen Text vorgelegt, den er in einer szenischen Lesung auf die LTT-Werkstattbühne bringt. »Meine Eltern«, das zeigte die Premiere am Mittwochabend, ist eine Zeitreise in die Schweiz der Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg. Es geht tatsächlich um Guglielmettis Eltern. Und um die Subjektivität des Erinnerns.

Denn neben Andreas Guglielmetti sitzt als Assistentin Sarah Larisch, die immer wieder vermeintliche Facebook-Kommentare und Besserwissereien angeblicher Zuschauer aus dem Netz vorträgt. Als Experiment nimmt der Vortragende das anfangs interessiert bis skeptisch hin. In der Rolle des Sohnes, der nicht einfach so zu googlende Reminiszenzen zusammenträgt, reagiert er dann aber doch zunehmend genervt. »Überschreiten die rührenden Schilderungen des elterlichen Alltags, die in den 1950er-, 60er- und 70er-Jahren spielen, den Raum der Wahrheit?«, ist dazu im Programmheft zu lesen. Die Zuschauerinnen und Zuschauer, so heißt es, seien eingeladen, dies mit dem Künstler »kreativ zu überprüfen, indem sie nach Belieben glauben oder zweifeln und eben wissen, dass er kein Lügner ist«.

Dass er aus der Erinnerung heraus eine Szene aus einem Sissi-Film falsch wiedergibt, markiert für die Zuhörer klar erkennbar die Kluft zwischen Fakt und im Gedächtnis haften gebliebener Kindheitswahrnehmung. Ein Faktencheck – auch hier leistet die Facebook-Gemeinde ganze Arbeit – mag auf die richtige Fährte führen, bereichert aber nicht das wie in einer Schneekugel aufbewahrte Substrat aus der Kindheit.

Es sind tolle Anekdoten, die der 1966 in Urnäsch im Kanton Appenzell Innerrhoden geborene Schauspieler vorträgt. Erinnerungen an die Großmutter, die dem jungen Andreas Guglielmetti ein wenig unheimlich war, weil sie freitags immer Blut- und Leberwurst aß. An die Mutter, die als Postfräulein Genfer Diplomaten aufscheuchte, weil sie eine Brieftaube verwechselte und so einem in Europa wenig bekannten Jazzmusiker, der beim Festival in Montreux erwartet wurde, einen Empfang wie für einen Staatsgast bescherte. An den Vater, den »sanften Haudegen«, der in Portugal aus nichtigem Anlass in eine handfeste Auseinandersetzung mit einem Araber geriet.

Ein arabisches Schimpfwort, das der Vater als weit gereister Mechaniker kannte und bei dem Zweikampf ausstieß, muss bei seinem Widersacher auf so viel Anerkennung gestoßen sein, dass sie nicht nur rasch ihren Zwist beendeten, sondern über Jahre hinweg gute Freude wurden.

Die Mutter war es, die mit ihren Englischkenntnissen Mitte der 70er-Jahre in einem Nobelrestaurant vier im Raum etwas zu lautstark Feiernde zur Ordnung rief. Der Manager hatte ihnen ihr Verhalten durchgehen lassen. Wie sich herausstellte, waren es Mitglieder der britischen Rockband Led Zeppelin, die Party machten. Sie hatten gerade Songs für ihr Album »Physical Graffiti« eingespielt. Die Mutter und die Musiker kamen länger ins Gespräch. Ein Foto entstand. Das, so berichtet Guglielmetti und verweist auf das Corpus Delicti, schaffte es am Ende, klein zwar, aber immerhin, auf die Rückseite des Plattencovers.

Den Abend über stellt Guglielmetti immer wieder Erinnerungsstücke auf den Boden. Sarah Larisch streut Musik vom Kassettenspieler ein. Die berührendsten Momente aber schafft der Vortragende mit seiner Stimme und seinen Texten. Wenn er auf Schweizerdeutsch ein sehnsuchtsvoll stilles Weihnachtslied singt, er das Taschentuch seines Vaters beschreibt oder die Art, wie dieser ihn, als er ihm bei der Arbeit zur Hand ging, mit »Sohn« ansprach. Ein überragender Abend!


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