Andreas Guglielmetti · Foto: Thomas Müller
Andreas Guglielmetti · Foto: Thomas Müller
Andreas Guglielmetti · Foto: Thomas Müller
Andreas Guglielmetti · Foto: Thomas Müller
Andreas Guglielmetti · Foto: Thomas Müller
Sarah Larisch, Andreas Guglielmetti · Foto: Thomas Müller
Andreas Guglielmetti · Foto: Thomas Müller

Meine Eltern

Eine szenische Lesung von Andreas Guglielmetti


Schwäbisches Tagblatt, 19. April 2021

Led Zeppelin sprengten das Diner

(von Dorothee Hermann)

In einem vergnüglichen Solo-Stück erkundet der LTT-Schauspieler Andreas Guglielmetti die Welt seiner Eltern mit Fotos, Objekten und Musik.

Es klingt nach der bodenständigen, schweizerischen Variante des amerikanischen Traums: Statt vom Tellerwäscher zum Millionär brachte es der Vater des Schauspielers Andreas Guglielmetti vom Maschinenschlosser zum Fabrikanten. Die Mutter hatte sich die eigene Ausbildung zum „Postfräulein“ noch erkämpfen müssen. Der Sohn hat die Zeit des Lockdowns dazu genutzt, sich mit dem eigenen Hintergrund auseinanderzusetzen. Auf der Bühne ist er nicht nur Erzähler, sondern auch eine Art Zeremonienmeister der Familiengeschichte im dunklen Dreiteiler mit Anzug und Weste zum silbrigen Haar. Nur das Oberhemd mit Krawatte hat er doch lieber gegen ein schwarzes T-Shirt eingetauscht.

Auf der kahlen, schwarzen Werkstattbühne des Landestheaters sahen die etwa 25 Besucherinnen und Besucher zunächst nur zwei kleine schwarze Tische. An den einen setzte sich Guglielmetti. Am zweiten managte Sarah Larisch die Technik, die einen Livestream herstellte oder auch nur simulierte.

Geräte zur industriellen Teigwarenherstellung und später Strickmaschinen brachten Guglielmetti senior, seinerseits Sohn eines Schuhmachers aus dem Tessin, den wirtschaftlichen Aufstieg, Aufenthalte in Ägypten, Portugal und Brasilien inklusive. Wenige Fotos oder Postkartenansichten genügten dem Schauspieler, um das alles sehr lebendig zu machen. Er verwendete auch nur einzelne, ausgewählte Requisiten: eine altmodische Pendeluhr, eine Miniaturausgabe der Nofretete-Büste oder ein kleines Plüschtier, von Guglielmetti als „Äffchen“ bezeichnet, obwohl es doch wie ein Bärchen aussah.

Nebenbei schimmerte durch, was in der Schweiz anders war als in der Bundesrepublik der 1930er bis 1970er Jahre. Allein was in der Sprache diesseits und jenseits des Bodensees mitschwingt oder eben nicht, erläuterte der Schauspieler unter anderem anhand des Namens Huber auf Schweizerdeutsch. Mit dem Kampf um die Rote Fabrik in Zürich als alternatives Kulturzentrum Anfang der 1980er Jahre deutete sich ein Perspektivwechsel an von der Welt der Eltern auf die, die nach ihnen kommen.

Man kann sich das Stück immer wieder anschauen: Denn Guglielmetti erinnert sich an viel mehr, als er bei einer einzigen Aufführung erzählen könnte. Manchmal bricht er genau dann ab, wenn es richtig spannend wird. Beispielsweise kam „Onkel Willy“, der Bruder der Mutter, auf der Familienübersicht als „Arzt und Frauenheld“ beschrieben, bei der Premiere noch gar nicht vor.

Das Leben der Eltern war ziemlich normiert: Ein paar Langhaarige im Speisesaal des Luxushotels „Beau Rivage“ in Interlaken sind so laut, dass sie das Galadiner der beiden Fabrikantenpaare stören, die ihrerseits schon recht leger dasitzen. Waren es tatsächlich Led Zeppelin, die dort ihr Album „Physical Graffiti“ feierten?

So soll es Leadsänger Robert Plant der Mutter des Schauspielers erläutert haben, die seit einem Haushaltsjahr in England in ihrer Jugend fließend Englisch sprach. Kann das stimmen, oder hat Guglielmetti das und manches andere nur gut erfunden? Am Ende schien er mit dem dunklen Bühnenhintergrund zu verschmelzen, als würde er nun selbst zum unscharfen Erinnerungsbild.

Zuvor empfahl der Schauspieler den Zuschauern noch, wieder mehr selbst zu erleben, statt Informationen nur aus Suchmaschinen zu beziehen. Denn das scheinbar allseits verfügbare Wissen hat für ihn ein gewaltiges Manko: „Keiner weiß etwas, weil er es erlebt hat.“ Das dürfte vor allem in der Generation seiner Eltern noch ganz anders gewesen sein.


 Unterm Strich

Wie sehr es sich lohnt, einfach etwas anderes auszuprobieren, wenn Theaterspielen als Ensemble nicht möglich ist, zeigt dieser so kurzweilige wie nachdenkliche Solo-Abend des LTT-Schauspielers Andreas Guglielmetti. Ihm gelingt ein kleines Wunder: 75 bereichernde Minuten, ohne ein einziges Mal an Corona zu denken. Man geht wie getröstet aus dem Theater.


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Reutlinger General-Anzeiger, 16. April 2021

Brieftaube und Led Zeppelin

(von Christoph B. Ströhle)

»Ein überragender Abend!«

Ensemblemitglied Andreas Guglielmetti erinnert am LTT mit einem eigenen Text an »Meine Eltern«

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