Dennis Junge, Sabine Weithöner, Jennifer Kornprobst, Jürgen Herold · Foto: Martin Sigmund
Rolf Kindermann, Jürgen Herold · Foto: Martin Sigmund
Jürgen Herold, Dennis Junge · Foto: Martin Sigmund
Dennis Junge, Sabine Weithöner, Nicolai Gonther, Jürgen Herold, Jennifer Kornprobst · Foto: Martin Sigmund
Rolf Kindermann, Dennis Junge, Jürgen Herold · Foto Martin Sigmund
Jennifer Kornprobst · Foto: Martin Sigmund
Sabine Weithöner, Hannah Jaitner · Foto: Martin Sigmund
Jennifer Kornprobst, Nicolai Gonther · Foto: Martin Sigmund

Medea

Tragödie von Euripides · Deutsch von Peter Krumme


Reutlinger Nachrichten, 15. Juli 2020

Verloren in der Fremde

(von Jürgen Spieß)

Ragna Guderian inszeniert Euripides’ „Medea“ am Landestheater Tübingen.

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Schwarzwälder Bote, 25. Juni 2020

Hass und Verzweiflung im Gittergestänge

(von Christoph Holbein)

Die Inszenierung der Tragödie »Medea« am LTT besticht durch viele Einfälle

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Reutlinger General-Anzeiger, 23. Juni 2020

Schmerz als Geben und Nehmen

(von Christoph Ströhle)

Ragna Guderian befremdet und fesselt mit ihrer »Medea«-Inszenierung am LTT. 

»Mir wird leicht, weil ich dich beschimpfen kann«, sagt Medea an einer Stelle. Doch die Titelfigur in Euripides’ weit über 2?000 Jahre altem Stück, ins Deutsche übertragen von Peter Krumme, gibt sich nicht damit zufrieden, Jason nach dessen Treuebruch die Meinung zu geigen. Wie kaum eine andere Figur in der Theatergeschichte steht sie für das Bedingungslose, Absolute. Worte reichen ihr nicht. Jason soll das gleiche Leid erfahren, dass er ihr zugefügt hat.

Er wird sie dafür später »Scheusal« nennen, »Abschaum«, »ein Untier, keine Frau«. Denn Medea hat ihm nicht nur die frisch angetraute Königstochter, sondern –?durch Mord – auch seine gemeinsamen Kinder mit ihr, Medea, genommen.

Ragna Guderian hat die antike Tragödie am LTT packend inszeniert. Die Bühne hat sie als archäologische Ausgrabungsstätte gestaltet, um zu unterstreichen, dass es hier um das Verstehenwollen von etwas Fremdem geht. Etwas, das weit weg von uns heute ist, und doch nicht ohne Parallelen. Männliche Ignoranz, Sexismus und Unterdrückung auf der einen Seite und ein Denken, das Kindsmord als Mittel der Rache legitimiert, auf der anderen Seite lassen damals wie heute erschaudern.

Jennifer Kornprobst in der Rolle Medeas und Nicolai Gonther als Jason machen durch ihr großartiges Spiel spürbar, welche Welten da zwischen ihnen liegen. Und sie lassen zumindest an einer Stelle erahnen, dass sie, der Anführer der Argonauten und die Königstochter, die gemeinsam das Goldene Vlies von Medeas Vater geraubt haben, sich einmal sehr nahe waren. Durch einen coronabedingt ins Bühnenbild integrierten transparenten Vorhang küssen sie einander. Medea ist danach mit einem roten Mal gezeichnet.

Als Flüchtlinge sind Jason, Medea und ihre Söhne nach Korinth gekommen, und Jason stellt es so dar, dass seine Heirat mit Kreusa, der Tochter Kreons, des Königs von Korinth, ihnen allen nutze. »Praktisch und vernünftig« habe er gehandelt, meint Jason. Nur hat er dabei vergessen, Medea, seiner Frau, auf Augenhöhe zu begegnen. Sie ist nicht bereit, den Schwur, der beide aneinander bindet, aufzukündigen. Sie spricht Drohungen und Verwünschungen gegen die Gastgeber aus. Kreon, um die Seinen fürchtend, verbannt Medea daraufhin aus seinem Reich.

Rolf Kindermann gibt den Herrscher als nur scheinbar Resoluten, der in Wahrheit mit seiner Nachgiebigkeit und Schwäche hadert. Mit marionettenhaften Bewegungen klopft er sich immer wieder selbst auf die Brust, als wolle er sie von innen wie außen härten. Seine Konfrontation mit Medea zählt neben ihren Begegnungen mit Jason und ihrem Monolog gegen Ende zu den absoluten Höhepunkten des Stücks und der Inszenierung. Das Ganze lebt von auf den Punkt gebrachter Rhetorik und den exzellenten Schauspielern, die mit Dennis Junge, Sabine Weithöner, Hannah Jaitner und Jürgen Herold auch im Chor, als Puppenspieler und in kleineren Rollen zu finden sind.

Der Chor nimmt Anteil an Medeas Schicksal und verurteilt Jasons Rechtfertigungsrede als in schöne Worte gekleidetes Unrecht. Mit seinem Aufruf zur Mäßigung dringt der Chor aber bei Medea nicht durch. Die Option, um ihrer Kinder willen auf Vergeltung zu verzichten, ist für sie keine. Jason jeglichen Stammhalter zu verwehren und die Söhne gleichzeitig für ihre Zwecke zu instrumentalisieren, sieht sie als ihre wirksamste Waffe an. Und so nimmt das Unglück seinen Lauf. Mit einer Medea, die ihre wahren Absichten ab einem gewissen Zeitpunkt verschleiert.

Zu den Besonderheiten der Inszenierung in Corona-Zeiten gehört, dass immer wieder Abstand auf der Bühne eingefordert wird. Ein Kontrabassbogen, der davor und danach musikalisch im Einsatz ist, zeigt beispielsweise die Mindestentfernung an. Auch tragen der Chor und die Figuren bisweilen Skibrillen und Mundschutze (Kostüme: Marianne Hollenstein). Medea agiert häufig aus erhöhter Position, auf hohen Absätzen auf einem Tisch, einer Treppe stehend, auf solche Weise Augenhöhe einfordernd und die Art, wie Männer glauben, sie übergehen zu können, aushebelnd. Anfangs, als Jason zu ihr spricht, lässt sie lautstark dicke Steine in eine Schubkarre fallen. Er muss so immer wieder neu ansetzen.

Das Fremde dieser in starke Bühnenbilder gefassten Welt verstärkt eine Puppe, die Medea einmal gar auf der Schulter sitzt. Ein Mittelding aus E.T., Gollum und Schweinchen Dick. Ihre Rolle bleibt geheimnisvoll. Eine zweite Puppe (Puppenbau, -coaching und -regie: Dorothee Metz), ein äußerst lebensecht wirkendes Kind auf dem Dreirad, schildert per Botenbericht Medeas Mord an Kreusa. Das Unfassbare, auch das noch folgende, erscheint dadurch umso größer. Da helfen auch die menschenfreundlich dagegengesetzten Gesänge des Chores nicht.


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Schwäbisches Tagblatt, 23. Juni 2020

Die Fremde aus Kolchos

(von Peter Ertle)

Aus aller Welt (aber schon 2500 Jahre alt): Um sich an ihrem Mann zu rächen, der sie für eine andere verließ, tötete eine Frau in Korinth nicht nur ihre Konkurrentin, sondern auch die beiden gemeinsamen Kinder. „Medea“ von Euripides – packend am LTT.

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nachtkritik.de, 21. Juni 2020

Vor dem Mord bitte Hände waschen

(von Thomas Rothschild)

Dem LTT ist eine eindringliche Inszenierung gelungen, die nach und nach einen zunehmenden Sog entwickelt. 

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