Martin Bringmann · Foto: Martin Sigmund
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Judas

Monolog von Lot Vekemans · Deutsch von Eva M. Pieper und Christine Bais


Reutlinger Nachrichten, 23. Januar 2020

Mit Jesus an der Luftgitarre

(von Wolfgang Albers)

Am Tübinger Landestheater feierte Lot Vekemans „Judas“ Premiere: Intendant Thorsten Weckherlin inszeniert einen Monolog über Schuld und Sühne.

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Schwarzwälder Bote, 22. Januar 2020

Zwischen enttäuschter Hoffnung und Verrat

(von Christoph Holbein)

Wer war dieser Mann, dessen Name der Inbegriff für Verrat ist, wer war Judas Iskarioth wirklich, der für 30 Silberlinge Jesus an seine Feinde ausgeliefert hat? Antworten auf diese Frage versucht die niederländische Autorin Lot Vekemans in ihrem Stück „Judas“ zu geben. Und Thorsten Weckherlin übersetzt die An- und Einsichten dieses Monologs in seiner Inszenierung in ein authentisches Schauspiel. Dabei kann der Regisseur voll und ganz der Präsenz und Spielfreude von Martin Bringmann vertrauen, der seiner Figur glaubhaft Leben einhaucht.

Bringmann verkörpert den Judas Iskarioth, der seine Version der Geschichte und Ereignisse vor mehr als 2000 Jahren erzählt und  von seinem Verhältnis zu Jesus und über seine enttäuschten politischen Hoffnungen berichtet, mit großer Intensität und inniger Nähe zu den Zuschauern, die er vor Beginn der Vorstellung persönlich mit einem Händeschütteln begrüßt. Barfuß und ein bisschen in Entertainer-Manier lässt der Schauspieler die Aufführung in einer lockeren Atmosphäre beginnen, um dann gleich mit einer kleinen grünen Kasse in der Hand nach demjenigen im Publikum zu fahnden, der angeblich nicht seinen Eintritt bezahlt hat. Doch so fröhlich bleibt die Inszenierung am LTT nicht. Weckherlin lässt seinen Protagonisten trotz einer gewissen Nonchalance mit Ernsthaftigkeit agieren. Bringmann geht dabei immer wieder ins Publikum und hält mit den Theaterbesuchern Zwiesprache, hält auch mal einem Zuschauer den Fuß oder drückt die Hände. Das ist gepaart mit einem kleinen, leisen Humor. Dabei lässt der Schauspieler auch die Unsicherheit und die Angst, die Judas anscheinend umgetrieben haben, erahnen. Das ist mit Dynamik und einem Steigern gestaltet. Die Dramaturgie nutzt dabei das Bühnenbild von Kay Anthony, das die Kopie des Gemäldes „Das letzte Abendmahl“ von Leonardo Da Vinci zum Hintergrund nimmt, ein Bild, das den Augenblick zeigt, nachdem Jesus verkündet hat, dass ihn einer seiner Jünger verraten wird. Judas agiert mit den Figuren des Gemäldes, tanzt mit Jesus, schmeißt einzelne Figurengruppen um, platziert sie von vorne nach hinten und umgekehrt, spielt gegen die Botschaft des Werkes an: Jesus, der Gute im Licht -  Judas, der Böse im Schatten. Das Stück von Vekemans hinterfragt die Wahrheit, stellt die überlieferte Sichtweise der Dinge in Frage. Bringmann interpretiert das mit einem unaufgeregten Mienenspiel, baut emotionale Umschwünge ein, macht Kunstpausen und kreiert Stimmungswechsel: „Ich habe an allem gezweifelt, woran ich geglaubt habe.“ Und bevor es zu Ernst wird, stimmt er ein schrilles Indianergeheul an, schaut jedem Zuschauer tief in die Augen, um herauszufinden, wer denn nun keine Eintrittskarte hat, und lässt das Publikum kurz mitsingen: „Jesus Christ looks like me.“ Das lockert das Spiel auf und sorgt für ein spezielles Timing, wenn Judas seine Haare wild um sich wirft und zu rockiger Musik die Jesus-Gemälde-Figur zur E-Gitarre umfunktioniert.

„Wachrütteln“ wollte der Jünger Jesus, damit er die Römer niederschmettert, lässt Bringmann echauffiert das Publikum wissen und steigert dabei in treffenden Nuancen. Regisseur Weckherlin gibt ihm dazu kleine schauspielerische Details an die Hand, die vielsagend sind, lässt seinen Protagonisten zwischen lauten und leisen Szenen wandeln, zwischen hellen und dunklen Tönen und ihn auch mal die Stille und Ruhe aushalten. Das ist eindringlich und eindrücklich. Ein Appell, den Namen Judas laut und ohne Abscheu zu sagen und auf ihn stolz zu sein, denn „jemand musste es tun“. Nach etwas mehr als einer Stunde haben Stück, Regie und Schauspieler der Figur des Judas eine Stimme, ein Leben, ein Dasein verliehen. Eine endgültige Antwort gibt der Monolog nicht, will es auch nicht, überlässt dem Zuschauer, seine Schlüsse zu ziehen auf der Suche nach der Wahrheit: „Ist eine Geschichte wahr, wenn sie niemand bestreiten kann?“


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Schwäbisches Tagblatt, 20. Januar 2020

Der Apostel mit den Pappkameraden

(von Dorothee Hermann)

Der Tübinger Landestheater-Intendant Thorsten Weckherlin testet mit dem Solostück „Judas“, wie eine ambivalente Figur aus einem religiösen Kontext sich auf der Bühne macht.

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