Nicolai Gonther, Justin Hibbeler, Insa Jebens, Rolf Kindermann, Sabine Weithöner · Foto: Martin Sigmund
Rolf Kindermann, Insa Jebens, Justin Hibbeler, Nicolai Gonther, Sabine Weithöner · Foto: Martin Sigmund
Nicolai Gonther, Justin Hibbeler · Foto: Martin Sigmund
Rolf Kindermann, Sabine Weithöner · Foto: Martin Sigmund
Rolf Kindermann, Sabine Weithönder, Justin Hibbeler, Insa Jebens · Foto: Martin Sigmund
Justin Hibbeler, Sabine Weithöner, Rolf Kindermann · Foto: Martin Sigmund
Insa Jebens · Foto: Martin Sigmund
Justin Hibbeler, Insa Jebens · Foto: Martin Sigmund
Nicolai Gonther, Rolf Kindermann · Foto: Martin Sigmund
Sabine Weithöner, Nicolai Gonther, Insa Jebens, Rolf Kindermann · Foto: Martin Sigmund

Jenseits von Eden

nach dem Roman von John Steinbeck · Für die Bühne bearbeitet von Alice Buddeberg und Nina Steinhilber · Deutsch von Harry Kahn · 15+


Schwarzwälder Bote, 21. April 2022

Eine Welt voller Getriebenheit, Einsamkeit und Brutalität

(von Christoph Holbein)

Die Inszenierung von »Jenseits von Eden« zeichnet eine düstere Atmosphäre und drastische Szenen und das 

Schauspieler-Ensemble besticht mit enormer Spielfreude und hoher Präsenz

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Schwäbisches Tagblatt, 14. April 2022

Die ewige Wiederkehr des Schlimmen

(von Peter Ertle)

Amerika, du hast es auch nicht besser: John Steinbecks „Jenseits von Eden“, ein beklemmender Wiederholungszwang familärer Schieflagen über Generationen hinweg, wird am LTT trotz Epilogs nicht hoffnungsvoller.

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Reutlinger General-Anzeiger, 12. April 2022

Erwachsenwerden mit biblischer Wucht

(von Thomas Morawitzky)

Sehr eindrucksvoll ist es, zu erleben, wie Jan Jochymski Steinbecks Epos zu einem Kammerspiel verdichtet, bei dem Emotionen hart aufeinanderprallen, bittere Wahrheiten ans Licht kommen, Götter stürzen, Illusionen zerbrechen.

Wie ein Keil, ein Splitter liegt die Landschaft auf der Bühne. Zwei kleine Hügel ragen auf, zwei Jungen laufen über sie hinweg, ein Mädchen spaziert vorbei. Und vorne, da stehen die viel Älteren: Die Frau mit dem harten Blick, der Mann. Ein großer Berg an Säuglingspuppen liegt dort, ein Berg an toten Kindern. Die Frau nimmt eine solche Puppe auf, wirft sie dem Mann zu, er fängt sie auf. »Jenseits von Eden« ist neben »Früchte des Zorns« der bekannteste Roman des US-amerikanischen Nobelpreisträgers John Steinbeck. Er lieferte zudem die Vorlage für einen der größten Hollywood-Erfolge der 1950er-Jahre: Elia Kazans Verfilmung des Stoffes machte James Dean zum Star. Kaum ein Jahr zehrte der Schauspieler von seinem Ruhm; mit 24 war Dean tot und Legende.
Nun spielt das Landestheater Tübingen »Jenseits von Eden« und Nicolai Gonther schlüpft in jene Rolle, die einst James Dean ausfüllte: ist Caleb, Sohn des Farmers Adam in Kalifornien vor rund 100 Jahren. Caleb wirkt ungeschlacht, ein wenig grob und wild. Aron, sein Zwillingsbruder, ist wohlerzogen, gehorsam, fromm – der Vater zieht ihn offenkundig vor. Bis es zu spät ist, bis Verstrickungen, die viele Jahre zurückliegen, zu einer Tragödie zu führen scheinen. Denn Kate, die Mutter von Caleb und Aron, ist nicht tot, wie Adam seinen Söhnen sagte – sie lebt in der nahen Stadt, betreibt ein Bordell, eine so rücksichtslose und kalte wie erfolgreiche Frau.
Elia Kazans Filmfassung konzentriert sich ganz auf den letzten Akt dieses Familiendramas; Jochymski, der »Jenseits von Eden« für das LTT inszenierte und sich dabei auf eine Bearbeitung stützte, die Alice Buddeberg und Nina Steinhilber 2015 für das Theater Bonn schufen, geht einen anderen Weg: Bei ihm überlappen sich Vergangenheit und Gegenwart. Der Effekt ist beunruhigend.
Nur Rolf  Kindermann als der gealterte Adam, Sabine Weithöner als die gealterte Kate spielen Figuren, die in ihrer Zeitlichkeit deutlich festgelegt sind; Nicolai Gonther, Justin Hibbeler und Insa Jebens dagegen sind immer wieder beides zugleich: die eine Generation und die andere, die beiden Brüder Charles und Adam, die Söhne Caleb und Aron; Kate, die sich noch Cathy nennt, Abra, die noch unschuldig ist.
Kate war es, die frei sein wollte, die Adam in die Schulter schoss, die ihre Kinder abtreiben wollte, sich entschlossen abwand vom Guten; Adam ist es, der händeringend mit gepeinigtem Blick die heile Welt in ein Lot zu bringen versucht. Sie spielen auf der schiefen Ebene, jener Landschaft, die Christiane Hercher für die Tübinger Inszenierung schuf: Die allzeit gefährdete Existenz, unter deren Oberfläche die toten Säuglinge sich häufen. Sind die Kinder dazu verdammt, die Fehler ihrer Eltern zu wiederholen? Ist das Leben nur immer wiederkehrender Sündenfall? Gibt es keine Freiheit?
In einer letzten Szene will die Tübinger Inszenierung das Gegenteil behaupten: Da ist die Familie plötzlich geheilt, und auch der Sohn, der in den Krieg zog, ist heimgekehrt, alle sitzen am Tisch. Ein Versuch, die drückende Schwere der Vorlage aufzulösen, der ein wenig schlicht wirkt. Sehr eindrucksvoll ist es jedoch, zu erleben, wie Jan Jochymski zuvor Steinbecks Epos zu einem Kammerspiel verdichtet, bei dem Emotionen hart aufeinanderprallen, bittere Wahrheiten ans Licht kommen, Götter stürzen, Illusionen zerbrechen, der Existenzkampf der amerikanischen Farmer, die Zeitgeschichte und das Drama des begabten Kindes sich vermischen: »Nie wird die Welt des Kindes wieder h eil und ganz«, sprechen die Schauspieler zu Beginn im Chor. »Großwerden ist mit Schmerzen verbunden.«
Die Eltern, Kate und Adam, sind in diesem Spiel die bestimmenden Figuren. Sabine Weithöner glänzt in ihrer Verbitterung, rebelliert gegen eine aufgezwungene Rolle, wird böse; Insa Jebens ist einmal die noch junge Cathy, die heiter davon erzählt, wie sie das Haus ihrer Eltern anzündete; dann ist sie die junge Abra, die zwischen den Hügeln umhergeht, sich zu den beiden so unterschiedlichen Söhnen Cathys hingezogen fühlt.
Die Musik von Marco De Haunt füllt viele Szenen mit schwellendem, staubigem Klang. Weit weg scheint er zu sein, der nicht mehr ganz so wilde, aber raue Westen, den Steinbeck beschrieb. Aber der Erste Weltkrieg steht dort vor der Tür. Wenn Adam von den Prüfungen der Soldaten spricht, wenn er sagt: »Kein Mensch hat genug Liebe«, dann wirkt diese archaische Welt erschreckend nahe.

 


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