Insa Jebens, Hannah Jaitner, Justin Hibbeler, Nicolai Gonther · Foto Tobias Metz
Insa Jebens, Justin Hibbeler, Hannah Jaitner · Foto Tobias Metz
Insa Jebens, Justin Hibbeler · Foto Tobias Metz
Justin Hibbeler, Insa Jebens, Hannah Jaitner · Foto: Tobias Metz
Insa Jebens, Hannah Jaitner, Justin Hibbeler · Foto Tobias Metz
Insa Jebens, Justin Hibbeler, Hannah Jaitner · Foto Tobias Metz
Nicolai Gonther · Foto: Tobias Metz
Nicolai Gonther, Insa Jebens · Foto: Tobias Metz
Nicolai Gonther, Hannah Jaitner · Foto: Tobias Metz

Hyperion

Schauspiel nach dem Roman von Friedrich Hölderlin


Schwarzwälder Bote, 7. Oktober 2020

Verfangen in symbolträchtigen Bildern

(von Christoph Holbein)

"interessant, aber auch anstrengend, vergeistigt und in gewisser Weise kontemplativ."

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Schwäbisches Tagblatt, 5. Oktober 2020

Das Hyperium schlägt zurück

(von Wilhelm Triebold)

"ein raffinierter Ansatz, der das hochkonzentrierte Zuhören möglich, aber auch nötig macht"

Eigentlich kann man als Theater am „Hyperion“ nur scheitern. Und zwar so gründlich wie Klaus Michael Grüber, der im Dezember 1977 im 85 000 Zuschauer fassenden Westberliner Olympiastadion seine Hölderlin-Sentenzen deklamierenden Akteure sich warmlaufen ließ - vor 800 Zuhörern wohlgemerkt, die von dem fernen, fremden Spektakel da drunten Rund nur wenig mitbekamen. Aber dabei sein ist alles.

Dagegen mutet der Tübinger „Hyperion“, der am Tag der Deutschen Einheit im Landestheater herauskam, fast schon schlüssig an. Das Corona-Feeling vergleichbar wie in Herthas altem Heimstadion, ein Publikums-Häufchen, verteilt über die vielen ansonsten leeren Plätze. Die LTT-Werkstatt fasst bestenfalls 134 Zuschauerinnen und Zuschauer, am Freitag zählten wir 17 belegte Stühle, Kissen oder Hocker – und damit gilt die Premiere offenkundig schon als ausverkauft (oben jedenfalls mussten Spontanbesucher wieder umkehren). Die Corona-Misere, sie schlägt unerbittlich zu.

Carina Riedls Inszenierung scheint aus der Not eine Tugend stricken zu wollen und begreift Hölderlins epische Vorlage gleich mal als epidemiologische Steilvorlage. Wie heißt’s so schön im „Hyperion“: „Der Tod ist ein Bote des Lebens, und dass wir jetzt schlafen in unsern Krankenhäusern, dies zeugt vom nahen gesunden Erwachen.“

Das geht schon los, bevor man maskenbewehrt in Pia Grevens heilig-nüchternen Teppichboden-Parcours tappt. Straßenschuhe bleiben hier absichtsvoll außen vor, und der Bühnenbild-Teppichboden lappt bis ins Entrée. Denn „schon beim Schwellenübertritt soll es möglich sein“, so wünscht es sich Regisseurin Riedl, „den Alltag und seine Routinen zu verlassen und die Panzer, mit denen man sich draußen schützt, abzulegen“.

Das klingt erst einmal arg nach anthroposophisch befeuerter Weihestunde. Die Regisseurin, die am LTT mit Kafkas „Verwandlung“ und Joseph Conrads „Herz der Finsternis“ bereits zwei Erzähltexte, mal mehr und mal minder erfolgreich, als kollektive Theater-Annäherung adaptiert hatte, widersteht nun allerdings der allzu großen Versuchung, Hölderlins einzigen (Brief-)Roman als hehre Deklamationsveranstaltung anzubieten, hier aufgeteilt auf vier Sprechrollen.

Hölderlins „Hyperion“ ist in Riedls Lesart ein andauernder Verinnerlichungs-, Vereinzelungs- und Verzweiflungsprozess. Die Wörter zerfallen dem Sprechquartett im durchscheinenden Pavillon-Kokon ihrer Aufenthaltskabinen sowohl zu Anfang als auch am Ende beinahe wie die berühmten modrigen Pilze in Hofmannsthals berühmten Chandos-Brief. Und nur die anstrengende, aber auch anregende Gedächtnisleistung des Einzelnen setzt sie zur neuen Poetik ganz im Sinne Hölderlin zusammen.

Es gibt Sätze, die reinigen mehr als jedes Hygienekonzept. „Das macht uns arm bei allem Reichtum, dass wir nicht allein sein können“, wird Hölderlin herbeizitiert. Oder: „Es ist auf Erden alles unvollkommen, ist das alte Lied der Deutschen. Wenn doch einmal diesen Gottverlassnen einer sagte, dass bei ihnen nur so unvollkommen alles ist, weil sie nichts Reines unverdorben, nichts Heiliges unbetastet lassen mit den plumpen Händen.“ Es ist wiederum ein raffinierter Ansatz, der das hochkonzentrierte Zuhören möglich, aber auch nötig macht, den das Kleeblatt aus ihren vier Eremitenklausen auch einfordert.

Davon kann auch allerlei störendes akustisches Beiwerk nur schwer ablenken: Der Text zieht einen unwillkürlich in den Bann. Mitunter am besten, wenn man im Halbdunkel des Bühnenraumes die Augen schließt, um die Ohren besser aufzusperren.

Denn szenisch ist der Regie nur mäßig etwas eingefallen. Hyperions (und somit auch ein bisschen Hölderlins) Etappenweg über die schwärmerische Adoleszenz, das Anhimmeln der Diotima-Liebschaft und der Busenfreunde, das verquast-verquere Kriegsgeschrei inklusive Griechensehnsucht und schließlich das resignative Verdämmern unter den barbarischen Deutschen wird durch einen eher kruden Zeitlupen- oder Wiederholungsaktionismus aufgepeppt.

[...]

Eine Inszenierung sollte verdeutlichen und nicht ablenken, nicht in die Irre führen, nicht den Gehalt in verirrte Bilder und Aktivitäten übersetzen. Hölderlins Wortmusik oder das, was die Fassung für die eindreiviertel Stunden in der Werkstatt von ihr übrig lassen kann, erweist sich dann aber als stark genug, um sich gegen solche Illustrierungsversuche zu behaupten. Das Hyperium schlägt zurück.

[...]


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Reutlinger General-Anzeiger, 5. Oktober 2020

Mit eigenmächtigen Bildern

(von Martin Bernklau)

Carina Riedl bringt Friedrich Hölderlins Briefroman »Hyperion« auf die LTT-Werkstatt-Bühne

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Die deutsche Bühne, 3. Oktober 2020

Eingehüllt in Zellophan

(von Wilhelm Triebold)

„Hölderlins epischer Klagegesang zieht wohl jeden über die eindreiviertel Stunden Spieldauer hinweg in den Bann.“

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