Die Jerry Lee Lewis Story · Ein musikalischer Soloabend von und mit Justin Hibbeler · 14+
Uraufführung
Schwäbisches Tagblatt, 27. Februar 2023
(von Justine Konradt)
„Great Balls of Fire!“ heißt das neue Stück im LTT und widmet sich einer musikalischen Legende. Die Premiere am Samstagabend hatte Groove.
Hibbeler gelingt es, die vielseitige und facettenreiche Lewis’sche Biographie in einer bunten Collage wiederzugeben, die fesselt.
„Die Geschichte von Jerry Lee Lewis ist keine Gute-Nacht-Geschichte!“, verkündet LTT-Schauspieler Justin Hibbeler. Und doch wird es eine sein, die man sich an diesem Abend gerne erzählen lässt. Vielleicht auch nur, weil Hibbeler in seiner Rolle des Alleinunterhalters glänzt; weil er erzählt, singt und spielt – Rolle wie Instrument. Und weil Hibbeler in seinem Stück gekonnt Biographie und Mythos so verwoben hat, dass der Zuschauer nicht immer sofort weiß, woran er ist. Schließlich ist es ja auch eine Geschichte: eine Geschichte über Sünde, Schmerz und Scheinwerferlicht.
1935, im gleichen Jahr wie Elvis Presley, kam Jerry Lee Lewis in dem kleinen Ort Ferriday in Louisiana zur Welt. „Wenn auch die Straßen nicht gepflastert waren, gab es in Ferriday ein Schulhaus aus gemauertem Stein, eine Bank, vier Kirchen und das gerühmte ‚King-Hotel‘, in dem fremde Männer ihre weichen Hände den einheimischen Arbeitern entgegenstreckten“. Justin Hibbeler machte eine kleine Zeitreise in die Südstaaten der 30er-Jahre und zeichnete eine Bild der tief verwurzelten Religiosität. Er lehnte dabei lässig am Klavier, das neben lose auf dem Boden verteilten Schallplatten das Bühnenbild formte. Hibbeler erzählte von Wanderpredigern und von zwei Frauen, die in Ferriday im Auftrag der „Assembly of God“ missionierten: „Sie glaubten an das Alte Testament und die Sündhaftigkeit von Schnaps, Tabak, Tanzsälen, Theatern, Wetten und Baden in der Öffentlichkeit.“
Was hat das alles mit Jerry Lee Lewis zu tun? So einiges! Schließlich war Lewis selber Teil einer streng gläubigen Familie und sollte im Laufe seines exzessiven Lebens immer wieder in Konflikt mit der Religion und der Kirche kommen. Im Zentrum stand dabei seine Faszination für die verpönte, wilde Musik – Hibbeler kruschtelte in seiner imaginären Lewis-Erinnerungskiste und beschrieb eine Situation, in der der junge Jerry Lee mit einem Freund das Lied „Ramblin’ on my mind“ von Robert Johnson hörte. „He sold his soul to the devil, that’s why he’s singing like this“, kommentierte der Freund.
Die Religion sollte Lewis letztlich nicht daran hindern, seine Musik und sein Talent auszuleben. Es waren seine Eltern, die eine Hypothek auf ihr Haus nahmen, um ihrem Sohn ein Klavier kaufen zu können. Sie waren es auch, die Jerry Lee durch die Gemeinde fuhren und ihn bei seinen Auftritten unterstützen. Über das eingenommene Geld freuten sich die drei gleichermaßen: „Und sie lachten durch die Nasen wie windige Ganoven.“ Noch einmal würden die Eltern versuchen, ihren Sohn zu bekehren, indem sie ihn in eine Bibelschule steckten – doch Jerry Lee Lewis würde gefeuert werden, wegen eines zu wilden Auftrittes: „Boogie-Woogie war nun einmal die achte Todsünde.“
Mit einem Plattenvertrag bei „Sun Records“ in den 50er-Jahren schaffte Lewis dann seinen Durchbruch: „Der Ruhm lüftete seinen Schleier für den verlorenen Sohn.“ Und der Musiker sollte zu einer der größten Rock’n’Roll-Größen aller Zeiten heranwachsen. Wenn man in den Genuss der Songs kommt, dann weiß man auch wieder ganz genau warum. Und in diesen Genuss kam das Publikum am Samstagabend. Mit Leichtigkeit, flinken Fingern und stets einem charmant-süffisanten Lächeln spielte und sang Hibbeler mitreißend die Hits des großen Lewis. Beeindruckend, wie Hibbeler in die Tasten haute und doch nie den Blickkontakt zum Publikum verlor. Dabei malträtierte er sein Instrument in einem Tempo, wie es einst Lewis getan hatte. Nur auf das Anzünden des Klaviers verzichtete er. Hibbeler gelingt es mit „Great Balls of Fire!“ die vielseitige und facettenreiche Lewis’sche Biographie in einer bunten Collage wiederzugeben, die fesselt.