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Inszeniertes Konzert von Andreas Guglielmetti (Text) und Heiner Kondschak (Musikalische Leitung)
Uraufführung
Reutlinger Nachrichten, 28. Februar 2020
(von Kathrin Kipp)
Mit der "Geisterstunde in Chelsea Hotel" geht's am LTT in die Hall of Fame des Singer-Songs-Writings.
Nach „On The Road Again“ oder dem Kassenschlager „Forever 27“ jetzt also das nächste „inszenierte Konzert“: die „Geisterstunde“ im legendären New Yorker Chelsea Hotel, wo sich einst Musik- und Dichterlegenden die Klinke in die Hand gaben, und dessen inspirierender Mythos von Kunst, Solidarität und Rebellion vom skrupellosen Geldbetrieb systematisch zerstört wurde. Um noch einmal den hippiesken Geist vom Chelsea aufleben zu lassen, versammeln Andreas Guglielmetti (Text) und Heiner Kondschak (musikalische Leitung) die Künstler auf der LTT-Bühne, um mit einer „Benefiz-Platte“ die Herberge des musikalischen Antikapitalismus zu retten.
Und so schwelgen die mehr oder weniger lebenden Legenden nun unter der Regie von Jan Jochymski in ihren Erinnerungen, unterhalten sich mit Gossip und Running Gags - „Was, Bob Dylan kommt auch?“, streiten über die Song-Liste und den Sinn des (Musik-)Lebens und spielen mit Tontechniker Rick Rubin (Uwe Hinkel) ihre Lebensgefühlslieder ein. Mit meistens harmonischem Chorgesang und wechselnder Instrumentenbesetzung geht’s mal rührend, mal schmissig, mal pathetisch, mal rebellisch, mal dirty und mal bombastisch zu. Der Geist schwappt über: Alle Songs werden beklatscht.
Bühnenbildner Kay Anthony hat für die Untoten-Combo einen düsteren Riesen-Sarg, äh - Saal gestaltet. „Kunst ist Fake“, heißt es immer wieder, und auch die Türen sind nur aufgemalt, oder öffnen sich plötzlich von unsichtbarer Hand, um ein wenig Geisterstimmung in der surrealen Hall of Fame zu verbreiten. Verwaltet wird sie von „Hausmeister“ Sixto Rodriguez (Dennis Junge), dem armen Schlucker aus dem „Sugar Man“-Film, der in Südafrika ein Star war, aber nichts davon wusste. Eine großartige Geschichte, weniger für ihn, mehr für die Filmindustrie. Nun macht er mit beim globalen Ausverkauf des Rock‘n‘Roll, indem er die mythisch aufgeladenen Türen versteigert. Dennis Junge ist als musikalisch hochtalentierter Junge-für-alles multipel einsetzbar, und so wird dem „Sugar Man“ am LTT genauso ein wunderschön performtes Denkmälchen gebaut, wie all den andern, die auf fiktive Initiative der kämpferischen Patti Smith (Jennifer Kornprobst: trotz Gipsarm tapfer an Akkordeon und grandios rotzig am Mikro) allmählich eintrudeln.
Allen voran der Autor Sam Shepard, der vom schwerst mehrfach musikalisch begabten Jürgen Herold gespielt wird, der außerdem mit einer Iggy Pop-Parodie das Publikum in Ekstase zappelt. „People Have The Power“ schallt durch den Saal, als auch schon Joni Mitchell (Hannah Jaitner) dauerselig und mit rudernden Armen durch den Raum schwebt, alle Hippie-Folk-Klischees poetisch wiederaufbereitet, genauso wie ihre zahllosen erotischen Abenteuer. Mit Leonard Cohen war sie auch mal zusammen: „Beziehung kann scheitern, Liebe scheitert nie!“. Während man noch über die Bedeutung dieser These rätselt, schafft Gilbert Mieroph als alter Schwerenöter Cohen Häppchen und Drinks herbei. Johnny Cash wiederum kommt nicht, denn „Johnny Cash ist schon tot“ - ein weiterer Running Gag, genauso wie Bob Dylans (De-)Heroisierung: Fata Morgana, Nobelpreisträger, Dichter-Gott. Bob Dylan lässt wie Godot erst auf sich warten und schickt dann nur seinen Text: „Like A Rolling Stone“, wird genauso abgefeiert, wie alle anderen Nummern, unter denen sogar der Reggae seinen Platz bekommt, mit Bob Marleys „Get Up Stand Up“. Stephan Weber als gechillter Revoluzzer, Rastafari und Lebenskünstler raucht einen Riesenjoint. Fehlt nur noch Tom Waits, bei Nicolai Gonther ein abgewracktes Straßenkötergespenst. Lässig hängt er am Klavier rum, und singt sein „Cold Cold Ground“ oder „Time“ zwar nicht mit authentischer TiefKratz-Stimme, aber die vielbeschworene Authentizität ist ja sowieso Fake. Dafür sorgt die LTT-Combo für immer mehr echte Stimmung.
Schwäbisches Tagblatt, 17. Februar 2020
Abstellkammermusik mit New Yorker Stadtmusikanten
(von Wilhelm Triebold)
On the Road again and again and again: Heiner Kondschak und Co. beschwören im LTT-Saal eine zumindest musikalisch vollauf überzeugende "Geisterstunde im Chelsea Hotel".
Irgendwann waren sie halt alle mal da, von Dali über Warhol und Jimi bis Madonna. Nun hat auch das LTT das Haus besetzt oder besser: instandbesetzt. Und zwar mit der schönen Idee, ein paar von den noch lebenden oder verblichenen oder wenigstens scheintoten Lichtgestalten der Rockszene in der maroden Künstlerklause wieder zusammenzubringen. Zur Benefiz-„Geisterstunde im Chelsea Hotel“.
Heiner Kondschak, der Godfather des sogenannten „inszenierten Konzerts“, der schon so unterschiedliche Folk- und Rock-Heroen wie Pete Seeger, Woody Guthrie, John Lennon, Bob Dylan und Rio Reiser biografisch-musikalisch wiederbelebt hat, überlässt diesmal die Autorschaft an der „Geisterstunde“ generös dem LTT-Ensemblemitglied Andreas Guglielmetti und die Inszenierung dem Regisseur Jan Jochymski gleich mit. Doch als musikalischer Leiter bleibt Kondschak immer Herr des Verfahrens.
Die „Geisterstunde“ am LTT ist, wie schon die recht erfolgreichen Vorläufer „On the Road again – von der B 27 auf die A 8“ oder zuletzt das vergleichbare Stelldichein der Totenreich-Superstars („Forever 27“), wiederum eine Wucht. Zumindest was die Sangeskünste und die Instrumentenbeherrschung des Ensembles betrifft. (…)
Kondschaks Erfolgsmodell des „inszenierten Konzerts“ packt Schmuckstücke des Rock’n’Roll oder des Rhythm’n’Blues in eine halbwegs haltbare biografische Fassung. In „On the Road again“ war es zum Beispiel eine gänzlich unbekannte „Original Cover Band“, die ähnlich wie die Bremer Stadtmusikanten durch die Lande zog, um allemal etwas Besseres als den Tod zu finden. Mit der neuesten Produktion „Geisterstunde im Chelsea Hotel“ wird solche Sehnsucht nach einem festen Halt und Ort aufgegriffen, wie ihn offenbar unstete Rockstars verspüren. (…)
Allroundmusiker Heiner Kondschak hat das „inszenierte Konzert“ als Marktlücke entdeckt und gefüllt, aber auch als Markenzeichen perfekt veredelt. Das funktioniert dieses Mal wieder. Doch das Handlungsgerüst der „Geisterstunde im Chelsea Hotel“ ist genauso wacklig und abbruchreif wie das historische Hotel selber. Trotzdem, allein wegen der Songs: hingehen.
Reutlinger General-Anzeiger, 17. Februar 2020
(von Armin Knauer)
Ein Ort der Magie droht unterzugehen. Also hat Patti Smith, die alte Rebellin des Punk, gerufen: Ein Benefiz-Album soll das Hotel retten. Das ist der Rahmen für einen Song-Abend, der das Erbe von Heiner Kondschaks Dauerbrenner »Forever 27« antreten soll. Wir wagen die Prognose: Es wird so kommen.
(…) Im Zentrum steht dabei die Musik. Arrangiert und einstudiert von Heiner Kondschak und wie bei diesem Song-Verrückten nicht anders zu erwarten mit enormer Liebe fürs Detail ausgebreitet. (…) Der Reiz sind die Typen, erfrischend respektlos und doch mit großer Liebe parodiert. Ihnen allen hat Guglielmetti ein Feuerwerk voll Running Gags in den Mund gelegt – und ein amüsantes Hin und Her zwischen ideellen Höhenflügen und Niederungen des Alltags.
Die Deutsche Bühne online, 15. Februar 2020
(von Wilhelm Triebold)
Allein wegen der Musiknummern lohnt dieser Abend.
(…) Die Mutter der Rock-Kompanie ist Jennifer Kornprobst, die eine resolut-kompakte Patti Smith auf die spartanisch und hauptsächlich mit Musikinstrumenten bestückte Bühne stellt. Mit der Punklady checkt Sam Shepard ein. Und wenn dann auch Joni Mitchell, Leonard Cohen, Tom Waits und Bob Marley endlich eingetroffen sind, wird klar: Das ergibt eine illustre, mitunter explosive Mischung von Lebenden und Toten, Eitlen und Verpeilten, Angepassten und Dauerrebellen, Angepissten, Aphrodisierten und Euphorisierten. Als eine Art Chelsea-Concierge kommt noch Sixto Rodriguez hinzu, der in Südafrika der weltweit unbekannteste Superstar wurde, hier vor allem aber aufräumen soll. Er vertickt die Konkursmasse des Hotels, die abgewrackten Zimmertüren, hinter denen sich das Leben und manche so Dramen der prominenten Gäste abspielte.
Das ist eine wahre Geschichte, und auch manch anderes dürfte für Rock-Hagiographen maßlos spannend sein. Für die Übrigen rennt dieser Abend, der fast nahtlos an Kondschaks Totenreich-Revue „Forever 27“ anknüpft, dann doch zu viele offene Türen ein. Die Handlung bleibt dürftig und aufs Stichwortgeben beschränkt, während es umgehend aufregend wird, wenn die Protagonisten zum musikalischen Arbeitsgerät greifen. Der Schauspieler Stephan Weber, hauptsächlich ein knuddeliger Bob Marley und zwischendurch auch eine fiese Bob-Dylan-Parodie, erweist sich wiederum als exzellenter Leadgitarrist, mehr als nur solide begleitet von Bassist Jürgen Herold alias Sam Shepard und Gilbert Mieroph alias Leonard Cohen an der zweiten Gitarre. Dazu noch Dennis Junge, der Sixto Rodriguez am Schlagzeug Platz nehmen lässt, Hannah Jaitner als entgeisterte Joni Mitchell und Nicolai Gonther als fideler Tom Waits, die sich gelegentlich das Klavier teilen, sowie Jennifer Kornprobst, durch Gipsarm gehandicapt am Akkordeon, wovon man aber wenig merkt.
Und singen können sie alle, manchmal sogar siebenstimmig a cappella. Oft deutlich angenähert an die verehrten Vorbilder, und doch weit mehr als nur platte Coverversionen abliefernd. Kondschak hat da als Lehr-Maestro ganze Arbeit geleistet, die Grenzen im Schauspielensemble auslotend, ohne Überschreitungen zum Dilettantismus zuzulassen. Allein wegen der Musiknummern lohnt dieser Abend.