Sabine Weithöner · Foto Tobias Metz
Sabine Weithöner, Lisan Lantin · Foto Tobias Metz
Sabine Weithöner, Susanne Weckerle · Foto Tobias Metz
Sabine Weithöner, Lisan Lantin · Foto Tobias Metz
Sabine Weithöner, Susanne Weckerle · Foto Tobias Metz
Sabine Weithöner, Jens Lamprecht · Foto Tobias Metz
Lisan Lantin, Jens Lamprecht, Sabine Weithöner · Foto Tobias Metz
Jens Lamprecht, Sabine Weithöner · Foto Tobias Metz
Florenze Schüssler, Sabine Weithöner · Foto Tobias Metz
Florenze Schüssler, Sabine Weithöner · Foto Tobias Metz
Florenze Schüssler, Sabine Weithöner · Foto Tobias Metz
Florenze Schüssler, Sabine Weithöner · Foto Tobias Metz
Sabine Weithöner, Jens Lamprecht · Foto Tobias Metz
Sabine Weithöner, Susanne Weckerle · Foto Tobias Metz
Sabine Weithöner · Foto Tobias Metz

Für immer schön

Schauspiel von Noah Haidle · Deutsch von Barbara Christ


Schwarzwälder Bote, 24. Februar 2020

Balance-Akt mit hoher Absturzgefahr

(von Christoph Holbein)

„Für immer schön“ erzählt eine tragikomische Geschichte über fragwürdige Ideale

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Esslinger Zeitung, 24. Februar 2020

Das erfrorene Lächeln

(von Elisabeth Maier)

Noah Haidles Groteske „Für immer schön“ am Landestheater Tübingen – Dominik Günther inszeniert einen amerikanischen Alptraum

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Schwäbisches Tagblatt, 17. Februar 2020

Gefangen in einem riesigen, stilisierten Schminkkasten

(von Dorothee Hermann)

 

Die Groteske „Für immer schön“ am LTT ist ein Horrortrip nicht nur der weiblichen Selbstoptimierung.

Diese Frau hat etwas Überdrehtes, obwohl sie in ihrem schmalgeschnittenen schwarzen Overall nüchtern genug daherkommt. „Ich reiße mir hier draußen den Arsch auf für Sie“, ruft die Kosmetikvertreterin Cookie Close (grandios: Sabine Weithöner) im Stück „Für immer schön“ des US-Dramatikers Noah Haidle und fordert Aufmerksamkeit ein. Am Samstagabend war die begeistert aufgenommene Premiere auf der Werkstattbühne des Landestheaters Tübingen. „Eines Tages werde ich glücklich sein, und deshalb bin ich hier“, sagt die Nachfahrin des „Handlungsreisenden“ von Arthur Miller und deutet den selbstzerstörerischen Zusammenhang zwischen Verkaufsleistung und Selbstbild schon an, der sie antreibt.

Die Bühne ist ein riesiger, stilisierter Schminkkasten, und man kann sich fragen, ob Cookie Close überhaupt noch auf den Straßen unterwegs ist, und nicht längst ein Stück Inventar des eigenen Sortiments. Ob sie sich vielleicht nur noch vorstellt, an Türen zu klingeln und potenzielle Kundinnen anzusprechen, wenn tatsächlich gar keine mehr da sind. Gelegentlich öffnen sich in der Wand mit den 96 Lippenstiftfarben Fensterchen oder Türchen für andere Figuren wie für Springteufel ihrer Erinnerungen.

Doch zunächst ist die Schönheitsberaterin gegenwärtig genug. Statt über glatte Asphaltwege muss sie ihren Rollkoffer über die unebenen, quadratischen Kästchen des Bühnenbodens wuchten, die vielleicht Lidschatten, Rouge, etwas Federnartiges in Rosa oder auch ein bisschen kontrolliertes Grün (wie das Rasenstück eines Vorgartens) enthalten können. Wie aus dem Nichts taucht auch noch unerwartete Konkurrenz der besonders unfairen Art auf. Nachwuchstalent Heather (Lisan Lantin) lächelt im Direktvergleich deutlich frischer und unverbrauchter als ihre eigene Ausbilderin. Dass Cookie ihr vorhält: „Was machst du denn hier? Das ist mein Gebiet!“, beeindruckt die Jüngere wenig. „Dein Mindesthaltbarkeitsdatum ist abgelaufen! Wann gibst du endlich auf?“, kontert sie. Das lässt Cookie nur eine mögliche Antwort: „Niemals!“

Stählern, wie sie sich gibt, erinnert die Kosmetikverkäuferin an eine Soldatin der Vorstadt, vom Typ patente Pannenhilfe. Denn ihr Existenzkampf ist ein knallharter Job, immer knapp an der Absturzkante zur offenen Bettelei. Dass Cookies quasireligiöses Sendungsbewusstsein nur eine antrainierte, verkaufsfördernde Masche ist, zeigt sich, als ihre Tochter Dawn (Florenze Schüssler) ihr nacheifern will, aber nur von einer Hölle in die nächste stolpert.

Für Sex oder gar Erotik und Beziehungen hatte diese verzweifelte Handlungsreisende nur am Rande Kapazitäten: „Wieder eine Straße, wieder eine Tür, wieder eine Geschichte, wieder ein Geschäft.“ In diesem Zusammenhang gelingt dem Ton (Uwe Hinkel, Jan Brockerhoff, Ricarda Zelter) das Kunststück, ein Baby allein über die Akustik (ein leises Greinen oder Kichern) heraufzubeschwören.

Man könnte sich auch einfach aus dem Bühnengeschehen ausklinken, das die eisern voranschreitende, aber tragisch glücklose Hauptfigur von einer Desillusionierung in die nächste schickt, und sich von den 96 Lippenstiftfarben zwischen sattem Rot und Grauviolett zu den wunderlichsten Assoziationen anregen lassen: von „Automatic Love“, „Electric Eel“ (lila) oder „Best Friend“ (ein mattes Haut-Orange). Ein ganz großes Kompliment geht an die Ausstattung (Bühne und Kostüme: Sandra Fox), die durch das serielle, artifizielle und zugleich absurde Bühnenbild die süßliche Verlogenheit von Generationen von Avon-Beraterinnen souverän auf Distanz hält. Und zugleich darauf hinweist, wie fragil die Balance zwischen Ausstrahlung und Masche ist, wie unausweichlich die Selbstausbeutung in Selbstzerstörung umschlägt.

 

Unterm Strich

Man kann sich leicht abgrenzen von dieser Protagonistin, der die Absurdität des eigenen Tuns überdeutlich vor Augen steht, sich aber dennoch nicht stoppen kann. Doch es hat auch etwas Verstörendes, wenn die Propagandistin von Ausstrahlung und Abenteuer an den eigenen Imperativen zerbricht. Und nicht zuletzt liefert das Stück einen der schnellsten Quickies der Theatergeschichte.


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Generalanzeiger Reutlingen, 17. Februar 2020

Die Welt und das Schminkkästchen

(von Thomas Morawitzky)

»Für immer schön«: Noah Haidles Geschichte einer reisenden Kosmetikberaterin an der LTT-Werkstatt

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