Das Tübinger Sommertheater auf dem Bahnbetriebswerk am Festplatz
Schwarzwälder Bote, 11. Juli 2022
Im Land der rauchenden Colts und flotten Sprüche
(von Christoph Holbein)
Ein amüsantes Stück für einen unterhaltsamen Theaterabend
Das Ambiente mit seinem industriellen Charme passt bestens: Mit dem Bahnbetriebswerk am Festplatz hat das Landestheater Württemberg-Hohenzollern Tübingen Reutlingen (LTT) eine Umgebung gefunden und für sich erobert, die einen atmosphärisch dichten Schauplatz bietet für das Tübinger Sommertheater. Das Bühnenbild von Sandra Fox mit klassischen Elementen wie Saloon-Schwingtür, Galgen, Kakteen und Holzgrabkreuzen tut ein Übriges dafür, dass der Tübinger Western »Fünf vor High Noon« ein amüsantes Stück ist für einen unterhaltsamen Theaterabend. Dabei offenbart sich die Inszenierung von Dominik Günther, der für Regie und Text gleichermaßen verantwortlich ist, als eine typisch-launige LTT-Produktion mit viel Musik, Gesang und Tanzeinlagen.
In dem kleinen Westernstädtchen »Tü-Town« begegnen sich – immer wieder gewürzt mit witzigen Gags – die Salon-Besitzerin, der Sheriff, eine reiche Ranch-Besitzerin mit Tochter, der Totengräber mit Partnerin, Outlaws und ein Greenhorn. Sie alle verwickeln sich in die Handlungsstränge und Episoden, die Autor Dominik Günther gemeinsam mit Ausstatterin Sandra Fox und dem musikalischen Leiter Jörg Wockenfuß mit Zitaten aus bekannten und berühmten Western in Wort und Musik angereichert hat. Dabei greift der Regisseur tief in die Kiste mit den Klischees, die er immer wieder auch auf den Kopf stellt, und eröffnet damit dem Sammelsurium an schrägen und skurrilen Typen einen breiten Spielraum.
Günther spart auch nicht mit lokalen Anspielungen und Verweisen auf aktuelle Auseinandersetzungen. Für die sehr affektierte Spielweise, die Pointen und Musikeinlagen gibt es bei der Premiere immer wieder zwischendurch Szenenapplaus. Und der Klamauk feiert fröhliche Urständ, etwa in der grotesken Kampfszene, in der sich die Protagonisten unter anderem im Wetttrinken von Milch duellieren. Das ist Comedy und Quatschmachen. Das ist überdreht und fast noch mehr als witzig, in jedem Fall aber unterhaltsam. Da darf dann auch nicht ein nackter Hintern fehlen, tätowiert mit dem Brandzeichen eines Peitschenhiebs.
Rhythmisch arrangiert sind die Song-Einlagen, bestens gesungen und gekonnt gepaart mit der guten Instrumentalisierung durch das Ensemble. Das zeugt von großer Musikalität. Viele kleine Szenen und Details laufen parallel auf der Bühne im cineastischen Breitbild-Format ab. Nicht alle Dialoge zünden; es gibt auch kleinere Längen zwischendurch, die aber verschmerzbar sind.
Wie es sich für eine Aufführung unter freiem Himmel gehört, dürfen auch pyrotechnische Effekte nicht fehlen. Da kracht es, da zündet es, da brennt es, da qualmt es gewaltig. Es ist Sommertheater reinster Natur ohne allzu viel Tiefgang, auch wenn es kleine Seitenhiebe auf Themen gibt wie Ökologie und Stuttgart-21-Protest. Das Publikum verlangt und bekommt am Ende noch im besten Entertainment-Sinn eine musikalische, gesangliche und tänzerische Zugabe und dankt es mit anhaltendem Applaus.
Reutlinger General-Anzeiger, 9. Juli 2022
Western-Verschnitt mit woker Note
(von Markus Raab)
Das LTT entführt mit »Fünf vor High Noon« auf dem Bahnbetriebswerk am Festplatz nach Tü City
Südwest-Presse, 9. Juli 2022
Hier fährt kein Zug nach Nirgendwo
(von Wilhelm Triebold)
Das LTT geht mit einer Westernparodie aus sich heraus. Die Musik überwältigt.
Schwäbisches Tagblatt, 9. Juli 2022
(von Moritz Siebert)
Die Location passt perfekt, die Inszenierung ist ein Spektakel.