„Ein Thema muss alle angehen, damit das Publikum so aktiviert wird wie bei der Premiere“, sagte Uschi Famers, die Regisseurin und Leiterin des Frauentheaters. Schließlich lebt das Stück „Ende gut?“ vor allem von den Beiträgen des Publikums: Nachdem die zwölf Schauspielerinnen in den ersten 45 Minuten in fünf Bildern auf überspitzte Weise vom Alltag in einem Pflegeheim für ältere Menschen erzählt haben, spielen sie die Bilder drei bis fünf noch einmal – diesmal sind Interventionen des Publikums erwünscht. Mit einem Klatschen können sich Zuschauerinnen und Zuschauer bemerkbar machen und eine der Rollen übernehmen, um Ideen einzubauen, von denen sie denken, dass sie die Situation verbessern könnten. Im Anschluss geben die beteiligten Figuren durch den Vortrag eines inneren Monologes preis, wie die Veränderungen auf sie gewirkt haben.
Das Forumtheater nach Augusto Boal ist eine wichtige Methode aus Boals „Theater der Unterdrückten“, das zum Ziel hat, sich auf politisch-persönlicher Ebene mit Zuständen auseinanderzusetzen und sie zu prägen und verändern. „Das Forumtheater ist die Kür des Theaters der Unterdrückten“, so Famers, die im Rahmen ihres Theaterpädagogik-Studiums in Berlin Ende der 1970er-Jahre von Boal selbst gelernt hat.
Der fiktive Pflegealltag auf der Bühne war schwer erträglich für das Publikum: Während die zu pflegenden, teils dementen Frauen hauptsächlich lethargisch und unbeachtet herumsitzen und darauf warten, dass ihnen bei Notwendigem wie dem Toilettengang oder dem Essen geholfen wird, hetzen die Pflegerinnen im Dauerstress an ihnen vorbei; immer mit der Angst im Nacken, den Job zu verlieren, wenn sie nicht schnell genug alle anstehenden Aufgaben erfüllen. Für zwischenmenschliche Kontakte oder Wärme ist da kein Platz.
So erstaunt es nicht, dass ein Großteil der Interventionen, die das Publikum im zweiten Teil einleitete, einen humaneren Umgang mit den zu Pflegenden oder Solidarität unter den Pflegekräften vorschlug. Insgesamt fünf Zuschauerinnen und Zuschauer bissen sich etwa an einer Szene die Zähne aus, in der eine der Bewohnerinnen des Pflegeheims (Ulla Huhn) darum bittet, dass ihr der Joghurt geöffnet wird und von der unter Druck stehenden Pflegerin Sonja (Marianne Seidel) kurz angebunden abgespeist wird. Drei von ihnen versuchten, sich in der Rolle von Sonja mehr Zeit für die Bewohnerin zu nehmen, eine Person kam auf die Idee, als Angehörige einer anderen Bewohnerin der Dame zu helfen und eine Person ersetzte die Bewohnerin und half sich kurzerhand selbst. Die inneren Monologe im Anschluss zeigten aber: Vielleicht gut gedacht; aber im Pflegealltag oft gar nicht umzusetzen.
Und so bewahrheitet sich im Stück, was die zynische Putzfrau (Ruth Sprondel – mit 87 Jahren die älteste Schauspielerin des Ensembles) an einer Stelle singt: „Schlaf, Opa, schlaf. Die Pflege ist im Arsch. Da liegst du im verkackten Hemd, niemand dir zur Hilfe rennt – schlaf, Opa, schlaf.“
Neue Leitung beim Frauentheater am LTT
Anfang Februar feiert das Frauentheater Purpur sein 20-Jähriges Bestehen und genau so lang hat Uschi Famers schon die Leitung inne. Nun aber wird es Zeit für Veränderung: „Ich bekomme in meinem Umfeld mit, dass seit einigen Jahren immer mehr Leute in die Rente gehen – als Freiberuflerin muss ich das aber selbst entscheiden und ich habe entschieden: Ich möchte jetzt in die Rente gehen dürfen“, so die 68-Jährige. Ein wichtiges Anliegen vor dem Aufhören war Famers aber, ein gutes Gespräch über ihre Nachfolge beim Frauentheater zu führen. Die Theaterpädagogin Miriam Rösch, die gerade das „LTT Labor“ leitet, wird das Frauentheater übernehmen. „Da habe ich volles Vertrauen und gar keine Sorgen“, so Famers. Mit Famers Abschied ist aber auch die Zeit des Frauentheater „Purpur“ vorbei, künftig wird das Frauentheater unter neuem Namen anders konzipiert ablaufen.