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Familienstück nach dem Bilderbuch von Tomi Ungerer
6+
Reutlinger General-Anzeiger, 14. November 2022
(von Kathrin Kipp)
Thorsten Weckherlin inszeniert am LTT Tomi Ungerers »Die drei Räuber« als süßgruselige Märchensause
Räuber und Gendarm! Frühstück mit Tiffany! Aufstand im Waisenhaus! Das LTT feiert mit »Die drei Räuber« im Großen Saal eine süßgruselige Märchensause, die mit all unseren Urängsten spielt: Raub, Entführung, Einsamkeit, Ungerechtigkeit, Sklaverei, Kontrollverlust, Armut und und und. Zum Glück für die Kinder aber auf eher harmlose und vor allem hübsch ausgestattete Weise. LTT-Chef Thorsten Weckherlin hat das Bilderbuch von Tomi Ungerer recht lebhaft inszeniert, Kay Anthony und Bernadette Weber liefern dazu entsprechend effektvolle, schaurige und spektakuläre Bilder.
Der Anlass ist eher ein trauriger: Tiffany hat beide Eltern verloren und soll nun ins Waisenhaus gebracht werden, wo die böse Rübendespotin regiert. Die Polizeikutsche wird von den Räubern überfallen, der schreckhafte Gendarm flieht, Tiffany wird gekidnappt. In der Räuberhöhle schleimt sie sich dann bei den eigentlich ganz lieben Räubern ein, indem sie ihnen Kakao zum Frühstück sowie ein Märchen vom reichen Vater, der ganz viel »Lösegold« zahlt, auftischt.
Am LTT spielt sich das alles in einem düster-nebligen Riesen-Wald ab, eine mächtige Eule jagt mit ihren leuchtenden Augen dem Polizisten (Michael Mayer) Angst und Schrecken ein und pompöse Musik (von Niklas Henrich) begleitet die drei Räuber Malente (Lena Steinhuber), Jakob (Lorraine Töpfer) und Flint (Michael Mayer) durch den Wald. Sie veranstalten ein prahlerisches Halligalli. »Es gibt nichts Schöneres, als wenn ein Räuber singt«, grölen sie, schwingen Beil, Pfefferwerfer und Donnerbüchse, stolpern über die Bühne und feiern Hexensabbat. Ganz im Gegensatz zur unschuldigen Tiffany (Clara Schulze-Wegener) mit rosa Kleidchen und blonden Zöpfen, die verloren im Wald steht und Angst vor dem Waisenhaus hat. Zu Recht: Dort schikaniert die schreckliche Tante ihre verwahrlosten Waisenkinder und lässt sie auf dem Rübenacker schuften: »Ohne Rübe keine Liebe!«, heißt die Devise, während sie für sich selbst zuckrige Torten bunkert.
Sabine Weithöner spielt den bösen lila Drachen mit knallrotem Haarturm, der selbst den Gendarmen per imaginärer Fernbedienung voll im Griff hat. Aber die Rübentante kann auch ganz nett sein, wenn sie beispielsweise ihre geflohenen Schützlinge im Wald sucht, bezieht sie vorbildlich die Kinder im Publikum mit ein.
Ihr größter Schatz ist eine »Maschine«, die aussieht wie ein Weichenstellbock bei der Bahn, aber in Wahrheit ein dampfblubbernder Zauber-Thermomix ist: oben Rübe rein, unten allerlei Leckereien raus, von denen die Kinder aber nichts abbekommen. Kein Wunder, dass sie den Aufstand proben und sich mit Tiffany verbünden. Und wenn auch noch Räuber und Gendarm durch den Wald irren, geht’s im LTT-Wald teilweise zu wie im Sommernachtstraum, nur in schaurig.
Ganz besonders tricky ist bei diesem Novembernachtskinderalptraum, dass Lena Steinhuber, Lorraine Töpfer und Michael Mayer jeweils in Doppelrollen mit teils rasanten Kostümwechseln unterwegs sind, eine sportliche Herausforderung. Genauso wie der Dialekt, den sie sprechen, denn ihre Halunken kommen aus Sachsen, Schwaben und Bayern. Spießig sind sie zu Hause, wo sie sich erstmal die Schuhe abstreifen.
Die tapfere Tiffany wiederum nimmt ihr Schicksal selbst in die Hand, was ihr trotz aller Gefahren, die in der Erwachsenenwelt lauern, letztlich auch gelingt. Aber nur im Team versteht sich. Dafür gibt’s am Ende auch viel Applaus.
Schwäbisches Tagblatt, 14. November 2022
(von Dorothee Hermann)
Die Inszenierung „Die drei Räuber“ nach Tomi Ungerer brachte dem Landestheater ein volles Haus.
Der Bühnenwald ist perfekt, fast zu perfekt. Sogar ein mächtiger Uhu sitzt auf einem Ast. Seine Augen können richtig funkeln (Bühne: Kay Anthony). Es ist dunkel und sehr einsam; also ideal für die drei Räuber, die so gerne vorbeifahrenden Reisekutschen auflauern, um die Passagiere zu beklauen. In der Inszenierung des Jungen LTT fällt ihnen das Waisenkind Tiffany (Clara Schulze-Wegener) in die Hände.
Zur Premiere am Samstagnachmittag im Saal des Landestheaters Tübingen (LTT) kamen mehr als 300 kleine und große Zuschauer. Von Tiffanys Abenteuern waren sie so gefesselt, dass sie die 70 Minuten konzentriert durchhielten. Regie führte LTT-Intendant Thorsten Weckherlin.
Das Mädchen in Prinzessinnenrosa ist zwar samt Kuscheltier Pimpernella sehr geschlechterstereotyp ausstaffiert, doch sie erfasst blitzschnell, dass es bei den Räubern immerhin besser sein könnte als im berüchtigten Waisenhaus. Wenigstens spielen die überwiegend crossdressenden Räuber nicht nur durch ihre angeklebten Bärte wacker gegen Geschlechterrollen an. Und sie werfen die Frage auf, wie viele Schauspielerinnen und Schauspieler im Stück wohl am Werk sind.
Das Mädchen Tiffany hat das Problem, wie sie die Räuber dazu bringen kann, sie bei sich aufzunehmen, auch wenn das Trio dadurch zunächst gar nichts erbeutet, sondern bloß eine weitere Esserin durchfüttern muss. Doch Tiffany hat etwas zu bieten: Sie kann Geschichten erzählen.
Die wenigen Mitmach-Elemente nach dem Prinzip „Ich sehe was, was du nicht siehst“ verstehen bereits unter Sechsjährige. Gleich am Anfang bittet der Polizist (Michael Mayer) alle, ihm bei der Suche nach den Räubern zu helfen, denen er seit 30 Jahren vergeblich auf der Spur ist.
Die Handlung entwickelt sich erwartbar und hat leider häufig einen didaktischen Unterton – nicht nur dann, wenn die Aufseherin (Sabine Weithöner als Tante) mal wieder ihre der schwarzen Pädagogik entlehnten Maximen wiederholt und der Schauplatz vom Wald zum Waisenhaus wechselt.
Die „Tante“ macht das so oft, dass jeder und jedem klar wird, wie fragwürdig sein muss, was sie sagt – und dass ihr nicht zu trauen ist. Ihre Schützlinge beutet sie für die Arbeit auf ihrem Rübenacker aus, der den Rohstoff für die komplizierten Tortenkreationen liefert, von denen sie so gerne schwärmt. Sofort ist klar: Rosa, blond und einfallsreich muss gegen diese Frau gewinnen. Es fragt sich nur, wie?
Unterm Strich
Solides Erzähltheater mit Musical-Elementen, viel Rosa und etwas Cross-Dressing. Von der anarchischen Energie und Überraschungseffekten wie zuletzt etwa im Stück „Angstmän“ hat die ziemlich vorhersehbare Geschichte leider nichts. Sie ist ein Räubermärchen für ein Publikum, das Waisen eher aus Büchern kennt.