Justin Hibbeler, Dennis Junge · Foto: Tobias Metz
Justin Hibbeler, Nicolai Gonther · Foto: Tobias Metz
Justin Hibbeler, Sabine Weithöner, Hannah Jaitner, Nicolai Gonther · Foto: Tobias Metz
Andreas Guglielmetti, Nicolai Gonther, Justin Hibbeler, Susanne Weckerle, Julia Staufer · Foto: Tobias Metz
Dennis Junge, Julia Staufer, Justin Hibbeler · Foto: Tobias Metz
Julia Staufer, Hannah Jaitner · Foto: Tobias Metz
Justin Hibbeler, Nicolai Gonther, Hannah Jaitner, Julia Staufer · Foto: Tobias Metz
Sabine Weithöner, Nicolai Gonther, Susanne Weckerle, Hannah Jaitner, Andreas Guglielmetti, Julia Staufer, Justin Hibbeler · Foto: Tobias Metz

Bunbury oder: Ernst sein ist wichtig!

Triviale Komödie für ernsthafte Leute von Oscar Wilde · Deutsch von Rainer Kohlmayer · 14+


Schwäbisches Tagblatt, 1. Dezember 2021

Lügentänze mit Farbanschlag fürs Auge

(von Peter Ertle)

Formvollendet aus der Fassung: Oscar Wildes „Bunbury oder Ernst sein ist wichtig“ wird am LTT genau zu dem turbulenten Spaß, den man sich von diesem Stück auch erwartet.

Es gibt sie, diese Inszenierungen, über die so viel gar nicht zu sagen ist (und hier trotzdem einiges geschrieben wird), weil sie einfach gut sind und Spaß machen. „Bunbury oder Ernst sein ist wichtig“ am LTT ist so eine. Oscar Wildes Stück hat den Vorzug, dass es zwar reinste Komödie ist, oberflächlich bis zum Anschlag – diese Oberflächlichkeit aber permanent selbst als solche bloßstellt, oft in überraschenden Wendungen. Alles gerät aus der Fassung, nur eben so, dass die Etikette immer gewahrt bleiben.

Jack und Algernon, die beiden Silber&Goldjungen in Personen Nicolai Gonthers und Justin Hibbelers, hat Regisseur Malte C. Lachmann mit schrägen, großspurigen Gesten angelegt, ansatzweise sieht das bisweilen aus, als wären sie die Comic-Avatare ihrer Figuren. Abziehbilder sind sie alle: Hannah Jaitners Gwendolen in ihrer plumpen Eleganz, ihrem Trotz und Ehrgeiz, Sabine Weithöner als Lady Bracknell in ihrer formvollendet klassenbewussten Strenge, die ihre eigene Komik erzeugt. Alles very british, von den Anzügen über die Gurkensandwiches und das 5-o’clock-Gebäck.

Dann gibt es noch den Diener, der das Geschehen auch mal mit einem „Haha!“ brechen darf, wenn jemand zufällig das Wort „ernst“ sagt. Oder als living picture im Bilderrahmen dem tête a tête zwischen Jack und Gwendolen zuschaut. Seine große Szene hat er, hat der ihn verkörpernde Dennis Junge, als er in einem minutenlangen, zur eigenen Nummer ausgebauten Akt das Stadthaus zum Landhaus wandelt. Denn alles, vom Sofa über das Jackett bis zu den Wänden, ist hier umkehrbar, hat eine (urbane) Vorder- und eine (rurale) Rückseite – was allegorischen Charakter hat. Bühnenbild: Luisa Wandschneider. (By the way: Gibt es einen denkwürdigeren Namen für eine Bühnen- und Kostümbildnerin als ein Kompositum aus Wand und Schneider? Ist das ein Künstlername oder Pseudonym? Oder war der Name Berufstreiber?).

Wie auch immer: Gerade in den Landhausszenen kommt es zu Farbmischungen, die an eine elegante Camp-Spielart früher Flowerpowerzeit gemahnen. Da schreit die Holzhütte vor schriller Farbenpracht. Nicht nur im umkehrbaren Bühnenbild, im gesamten Stück spielen Gegen-, Spiegel- und Dopplungsstrukturen eine große Rolle und werden lustvoll bespielt. Aber zurück zum Diener: Dennis Junge bekommt für seinen Umbau johlenden Szenenapplaus. Und dann geht die Verwicklungs- und Verwechslungsgeschichte und ihr Auffliegen erst richtig los.

Die genaue Story muss hier nicht nacherzählt werden, „Bunbury“ ist bekannt genug. Und wird nun durch den Pastor Chasuble (Andreas Guglielmetti) und Susanne Weckerles Miss Prism komplettiert, die ein paar Mal in Ohnmacht fallen darf, aber erst nachdem sich zwischen Cecily (Julia Staufer reiht sich nahtlos in die tolle Ensembleleistung) und Gwendolen ein Zickenkriegshowdown ankündigt, der falsche Ernst mittels einer Taufe zum richtigen zu werden hofft – und zwar doppelt – und ein Findling in einer Reisetasche entdeckt wird, der schließlich das strenge Bräutigamscasting von Lady Bracknell zunichtemacht. Man muss das alles nicht verstehen, man versteht es, sobald man dieses Stück anschaut. Es bedeutet vor allem: Falls an Silvester Theater gespielt werden darf – diese Inszenierung wird gleich zweimal, um 17 Uhr und um 21 Uhr zu sehen sein.

Nach der Premiere spendierte Intendant Thorsten Weckherlin im Foyer Getränke, als gäbe es keine Pandemie. Während es hinter der Bühne, zur Premierenfeier, jene Gurkensandwiches gab (Maulwurf), die Lady Bracknell unter dem Vorwand, es hätte keine mehr gegeben, vorenthalten worden waren. Frech. Gut, Algernon hatte vor der Ankunft der Lady auch schon verdeckt zugeschlagen.

Hier schlägt sich eben jeder durch, passt sich an. Oscar Wilde war ein wahrer Meister darin, die Lüge sichtbar als Lüge zum Tanzen zu bringen. Die society verzieh es und ergötzte sich daran. Nur die aus der Lügenreihe tanzende, die Konvention sprengende Wahrheit verzieh sie nicht. Zum Beispiel Oscar Wildes Homosexualität. Da, unter anderem, sind wir heute einen Schritt weiter.

 

Unterm Strich

Ein Spaß, eine große Verwechslungskomödie mit einer so einfachen wie grandiosen Bühnenbildidee, durchgedrehten Kostümen, sprühenden Dialogen und prima Schauspielern. Falls an Silvester noch Theater gespielt werden darf: Vor allem für diesen Abend wäre es eine Empfehlung.


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