Foto: Martin Sigmund
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Bestätigung

Stück von Chris Thorpe · entwickelt in Zusammenarbeit mit Rachel Chavkin · Deutsch von Katharina Schmitt Stream-Version


Schwarzwälder Bote, 13. März 2021

Bestätigung von allen Seiten. Online-Stück widmet sich Diskurs mit Andersdenkenden

(von Christoph Holbein)

Via Stream gewährt die Inszenierung ein besonderes Theatererlebnis. [...] Thorpe jedenfalls versucht mit seinem Werk dafür zu werben, im Gespräch zu bleiben mit denjenigen, die anderer Meinung sind. Das provoziert. Und es trägt zu einer gewissen Verunsicherung bei [...]

Um das Fazit vorneweg zu nehmen: In ihrer sterilen, aseptischen, klinisch-weißen Atmosphäre auf der Bühne des LTT-oben vor leeren Zuschauerstühlen und mit den maskenbewehrten Kamera-Leuten im Hintergrund schafft es die Inszenierung des Stückes „Bestätigung“ am Landestheater Tübingen auch als Stream online eine innere Nähe aufzubauen. Das kleine Format dieses etwas mehr als eine Stunde langen Monologs, den Chris Thorpe in Zusammenarbeit mit Rachel Chavkin entwickelt hat, bietet sich geradezu für eine solche Online-Version an. Regisseur Thorsten Weckherlin lässt zudem seinem Schauspieler Jürgen Herold viel Freiheit im Spiel und in der Interpretation des Protagonisten. Und Herold nutzt dies, spielt mit den Kameras, schaut immer wieder direkt hinein und spricht damit das Publikum, das zuhause vor dem Bildschirm sitzt, unmittelbar an. Sein Übriges tut der aktuelle, provokante Text von Thorpe, der bereits bei der Live-Premiere des Werkes im Februar 2019 polarisiert hat. Und nicht von ungefähr, denn der Autor rüttelt gewaltig an der Gewissheit, im Recht zu sein, an der Neigung, dem „Bestätigungsfehler“, jede Information so zu interpretieren, dass sie in das jeweilige Weltbild passt. Er experimentiert damit, was passiert, wenn jemand ernsthaft versucht, die Realität mit den Augen des anderen zu sehen, auch wenn dieser Andere eine völlig konträre politische Auffassung hat. Im Stück trifft ein junger, politisch engagierter Linksliberaler auf einen überzeugten Rechten, einen Neo-Nazi. Und die Perfidität dieser Szenerie ist mit Händen zu greifen, bereitet Unbehagen, wenn es heißt: „Menschen mit grauenvollen Ansichten können charmant, intelligent und gute Gesprächspartner sein.“

Via Stream gewährt die Inszenierung ein besonderes Theatererlebnis. Jürgen Herold verleiht dem Spiel eine Dynamik im Wechsel der Gefühle und Anschauungen. Wen das auch nicht wirklich einen Theaterbesuch vor Ort komplett ersetzen kann, erzeugt das dennoch in der Sprachakrobatik des Textes eine Intensität – trotz anfänglicher Tonprobleme. Dazu trägt auch die eingespielte Musik bei, die es Herold ermöglicht, sich fast in Ekstase zu stimulieren, musikalisch seine Seelenlage auszudrücken und sich neue Energie zu geben. Es geht um Vorurteile und Weltbilder und darum, dass es nicht nur einen richtigen Weg gibt. Und gerade da wandelt das Stück auf dünnem Eis. Ist es tatsächlich möglich, mit jemandem zu sprechen, mit dem man selbst absolut nicht einer Meinung ist, vor allem dann, wenn diese Meinung des Gegenübers radikal, ja rassistisch ist? Mit Menschen zu reden, die an eine Weltverschwörung der Juden glauben, daran, dass alle Nicht-Weiße dumm sind, alle Muslime Terroristen, die Einwanderung ein Krebsgeschwür der Gesellschaft? Thorpe geht subtil heran, lässt Infiltration zu, Gemeinsamkeiten – und Herold setzt das mit großer Innerlichkeit um, gut austariert, gut komponiert und mit glaubhaften Wechseln. Das ist authentisch erzählt und bestens artikuliert.

Der Zuschauer wird dabei immer wieder auf sich selbst zurückgeworfen: Wie würde ich reagieren, wie antworten, wie mit dem Gegenüber sprechen, wie mit einem Holocaust-Leugner umgehen? Die Szenerie in ihren weißen Wänden ist passend gedreht, die Perspektivwechsel sorgen für eine Variabilität. Gibt es Hoffnung, dann wenn ich mit den Augen des anderen sehe, kann meine Welt und die Welt des Gegenübers jeweils gemeinsam die richtige Welt sein? Was passiert, wenn wir uns aufeinander zu bewegen? Bleibt es nicht schwierig, sich mit einem Neo-Nazi an einen Tisch zu setzen?

Regisseur Weckherlin gibt die Antwort aus seiner Sicht mit seiner Inszenierung und im Nachgespräch via Zoom: Es gebe zwei Seiten der Medaille und es sei wichtig, auf den anderen zuzugehen. Sein Protagonist Herold übersetzt das in seinem Spiel in eine „sehr interessante emotionale Reise“, bei der sich der Zuschauer fragt, ob er immer zu den Guten gehört. Autor Thorpe jedenfalls versucht mit seinem Werk dafür zu werben, im Gespräch zu bleiben mit denjenigen, die anderer Meinung sind. Das provoziert. Und es trägt zu einer gewissen Verunsicherung bei, die aber im besten Fall dazu führt, dass eine konstruktive Verständigung möglich wird angesichts der Spaltung der Gesellschaft. Und insoweit ist es dann insgesamt ein „wertvoller Abend“, wie es eine Zuschauerin im Nachgespräch formuliert.


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Schwäbische Zeitung, 26. Februar 2019

Das Landestheater Tübingen gastiert mit "Bestätigung" im Theater Ravensburg

(von Babette Caesar)

Schon beim Betreten des Saals mit gewohntem Blick in Richtung Bühne war sofort klar, dass etwas anders ist, als erwartet. Zu beiden Seiten der Bühne Stuhlreihen, so dass die Besucher mit im Spielfeld saßen. Im Hintergrund: ein Tisch mit Kaffee und Wasser zur Selbstbedienung. Vorne Jürgen Herold vor seinem Laptop. Was geschieht inmitten dieser Versuchsanordnung?

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Schwäbisches Tagblatt, 5. Februar 2019

Der mit dem Rassisten spricht

(von Peter Ertle)

In Chris Thorpes "Bestätigung" am LTT sucht ein Linker das Gespräch mit einem Ultrarechten und stellt dabei seine eigenen Gewissheiten infrage (was richtig ist), mehr als die seines Gegenübers (was falsch ist).

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Reutlinger Generalanzeiger, 4. Februar 2019

Der Nazi als Spiegelbild

(von Thomas Morawitzky)

Ein junger Mann, deutlich links eingestellt, will verstehen, wie die Rechte denkt. - »Bestätigung« ist eine gelungene Provokation.

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