Raphael Westermeier, Carolin Schupa · Foto: Tobias Metz
Carolin Schupa, Raphael Westermeier · Foto: Tobias Metz
Andreas Guglielmetti, Carolin Schupa, Jennifer Kornprobst, Raphael Westermeier · Foto: Tobias Metz
Carolin Schupa, Jennifer Kornprobst, Raphael Westermeier · Foto: Tobias Metz
Raphael Westermeier, Carolin Schupa, Jennifer Kornprobst · Foto: Tobias Metz
Raphael Westermeier, Jennifer Kornprobst, Andreas Guglielmetti, Carolin Schupa· Foto: Tobias Metz
Carolin Schupa, Andreas Guglielmetti · Foto: Tobias Metz
Andreas Guglielmetti, Jennifer Kornprobst, Raphael Westermeier, Carolin Schupa · Foto: Tobias Metz
Raphael Westermeier, Andreas Guglielmetti, Jennifer Kornprobst · Foto: Tobias Metz
Raphael Westermeier, Thomas Zerck · Foto: Tobias Metz
Raphael Westermeier · Foto: Tobias Metz

Geächtet

Schauspiel von Ayad Akhtar Deutsch von Barbara Christ


Reutlinger Nachrichten, 17. Oktober 2016

Gemetzel um Kunst, Koran und Kategorien

(von Kathrin Kipp)

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Schwarzwälder Bote, 11. Oktober 2016

Dilemma: Absturz zwischen Boulevardkomödie und Beziehungsdrama

(von Christoph Holbein)

Der Zugang zum Schauspiel »Geächtet« von Ayad Akhtar am LTT fällt überaus schwer

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Schwäbisches Tagblatt, 4. Oktober 2016

Des Selbstvernichtungsteufels Advokat

(von Wilhelm Triebold)

LTT-Premiere II: In der Werkstatt hat das Tübinger Landestheater mit Ayas Akthars Ausgrenzungsdrama "Geächtet" am Samstag, einen Tag nach dem misslungenen "Nathan", ein glücklicheres Händchen

Ayad Akhtars Schauspiel "Geächtet" ist bei der wichtigsten deutschen Kritikerumfrage nicht zu Unrecht zum besten "Stück des Jahres" erklärt worden. Denn es ist eine ungemein explosive, packende Auseinandersetzung mit den Geißeln Rassismus und Ausgrenzung, aber auch mit Anpassung als Angstsyndrom und als Fehlfunktion, die in heillosen Selbsthass umschlägt. Ein starkes Stück, ins luftige Gewand einer redseligen Beziehungskomödie gekleidet und an witzig-intelligenten Broadway-Dialogen ebenso geschult wie an dem hintergründig parlandohaften Konversationsstil einer Yasmina Reza.


Der Wirtschaftsanwalt Amir Kapoor hat's anscheinend geschafft. Guter Kanzleijob, beste Wohnlage an der Upper East Side. Er hat zudem mit Emily eine Frau an seiner Seite, die als zielstrebige Künstlerin kurz vorm großen Durchbruch steht, wobei sie sich besonders zur Ornamentik altislamischer Kunst hingezogen fühlt.


In ihrem Atelier, das die Ausstatterin Angelika Wedde in schönstem Op-Art-Stil in der LTT-Werkstatt erstellen ließ, lässt Emily ihren anfangs widerstrebenden Gatten während eines Fotoshootings stolz wie einen Velazquez-Spanier posieren. Ein Abbild, das bereits viel verrät über den tragischen Helden dieser Geschichte.


Denn Amir, pakistanischer Herkunft, wird schließlich dann beides sein: Täter und Opfer, Eroberer und von noch mächtigeren Konquistadoren unterdrückter Aufständischer, vor allem aber: ein Fremder, Entgrenzter, auch sich selbst Entfremdeter. Dem Stolz und - so real erfahrene wie erwartete - Vorurteile der anderen zum Verhängnis werden. Der in erster Linie an sich selbst scheitert, aber wohl auch keine Chance hatte. Selbst wenn er sie längst zu nutzen glaubte.


Verfolgungswahn ist ein Begriff, der sich in unterschiedlichen Kategorien und in verschiedene Richtungen deuten lässt. Wobei der Wahn, seinerseits jemanden verfolgen zu wollen, oft genug von den eigenen Ängsten herrührt, wiederum attackiert zu werden. Gerade nach 9/11 ist der Argwohn gegen Muslime mächtig gestiegen, schlägt seitdem oft genug auch in Paranoia um.


Amir hat sich von seinem angestammten muslimischen Glauben losgesagt, um jedem Verdacht oder Vorurteil zuvorzukommen. Ein Trugschluss, wie sich zeigen wird, und ein fataler Selbstbetrug: Wenn Amir den Islam des Faschismus verdächtigt und ihn abgrundtief in die tiefste Hölle verdammt, gehört er damit noch längst nicht "dazu", schon gar nicht zur als richtig ausgemachten Seite.


Des Selbstvernichtungsteufels Advokat: "Geächtet" legt raffiniert die Fußangeln aus, in denen sich Amir, wie auch alle anderen verfangen. Als der Anwalt einem Neffen (der sich später als verkappter oder potenzieller Dschihadist entpuppen wird) einen im Grunde unverfänglichen und harmlosen Dienst erweist, folgt unmerklich, aber unaufhaltsam der Karriereknick. Der Anfang vom Ende.


Sascha Bunges Inszenierung steuert klug und ebenso unaufdringlich auf diesen Bruch hin, der spürbar wird und der drohend wie ein Damoklesschwert über Amirs windschief zusammengezimmerter Existenz hängt.


Und dann kommen Gäste. Mit seiner Partnerin lädt sich ein jüdischer Kunsthandelsexperte ein, der Emily durchaus wohlgesonnen ist und der Amir im Laufe des Abends zu einem unselig verlaufenden Streitgespräch provozieren wird. Hier geht es bald um unbequeme Wahrheiten, um Befindlichkeiten und Empfindlichkeiten, und nicht zuletzt auch um solche Mikroaggressionen, wie sie die Debatten nicht nur in den USA dramatisch vergiften.


Kurzum: ein spannender Theaterabend mit ein bisschen Othello-Reflexen, reichlich Fehlverhalten und dem festen Blick auf die unheimlich dünne zivilisatorische Kruste der Zivilisation. Amir, den Raphael Westermeier als selbstzerstörerisch störrischen Brausekopf spielt, leistet letzte Gegenwehr mit einem archaischen Gewaltausbruch, um sich danach wie ein Schiffbrüchiger ins nackte, unvermeidlich weißgeschminkte Elend zu schicken. Das hält er tapfer, aber aussichtslos die hehren Werte der amerikanischen Verfassung hoch.


Carolin Schupa spielt Emily als patente, treusorgende und lang genug auch verständnisvoll nachsichtige Ehehälfte - dabei elegant, eloquent, ihrem abdriftenden Mann nichts schuldig bleibend, etwa als sie sich im Rededuell die jeweils passenden Suren um die Ohren hauen. Doch als die Auseinandersetzung zu hitzig wird, reißt sie einfach mal kurzentschlossen die Außentür zur Eberhardstraße auf, um frische Luft hereinzulassen.


Andreas Guglielmetti gibt einen etwas schrulligen, lustigen Galeristen, der als Diskutant seinen Mann steht, und Jennifer Kornprobst die resolute widerspruchsfähige Begleiterin. Es bleibt aber trotz der todernsten Grundierung immer eine Komödie, auch jetzt am LTT, und auch das ist eine Leistung für sich.


Gegen Ende flüchtet sich die Regie unnötigerweise in einen kleinen Kino-Abstecher. Wobei unklar bleibt, was der Uralt-Western "Herrin der toten Stadt" hier zu suchen hat. Vielleicht geht es ja um den Rückzug des Desperados im Wilden Westen, wo - wenn überhaupt - immer nur das Faustrecht des Stärkeren gegolten hat.

 

Sei's drum: die hundert Minuten davor waren großartig - das LTT at it's best!


Unterm Strich

Ein Stück über mangelnde Identität und vermeintliche Integration - und die Folgen: Ein verheißungsvoller LTT-Saisonauftakt am zweiten Abend des dreiteiligen Premierenwochenendes. Spannendes Theater, witzig und intelligent umgesetzt.


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Reutlinger General-Anzeiger, 4. Oktober 2016

Seiten einer Medaille

(von Heiko Rehmann)

Ayad Akhtars Stück »Geächtet« am LTT

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