Foto: Tobias Metz
Andreas Guglielmetti, Gilbert Mieroph · Foto: Tobias Metz
Andreas Guglielmetti, Gilbert Mieroph · Foto: Tobias Metz
Gilbert Mieroph · Foto: Tobias Metz
Andreas Guglielmetti, Stephan Weber, Rolf Kindermann · Foto: Tobias Metz
Andreas Guglielmetti · Foto: Tobias Metz
Andreas Guglielmetti, Gilbert Mieroph, Rolf Kindermann, Stephan Weber · Foto: Tobias Metz
Andreas Guglielmetti, Stephan Weber · Foto: Tobias Metz
Gilbert Mieroph, Andreas Guglielmetti · Foto: Tobias Metz
Rolf Kindermann, Andreas Guglielmetti, Gilbert Mieroph · Foto: Tobias Metz
Andreas Guglielmetti, Gilbert Mieroph · Foto: Tobias Metz
Gilbert Mieroph, Rolf Kindermann, Stephan Weber · Foto: Tobias Metz
Andreas Guglielmetti, Gilbert Mieroph · Foto: Tobias Metz
Gilbert Mieroph, Andreas Guglielmetti, Stephan Weber · Foto: Tobias Metz
Andreas Guglielmetti, Gilbert Mieroph · Foto: Tobias Metz
Rolf Kindermann, Stephan Weber · Foto: Tobias Metz
Andreas Guglielmetti, Gilbert Mieroph · Foto: Tobias Metz

Warten auf Godot

Schauspiel von Samuel Beckett · Deutsch von Elmar Tophoven


Schwarzwälder Bote, 7. Oktober 2019

Regie zwischen Komik und Tragik

(von Christoph Holbein)

„Warten auf Godot“ auf klassisch-konventionellen Pfaden

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Schwäbisches Tagblatt, 30. September 2019

Aufgehoben im Unbehausten

(von Peter Ertle)

Und da sie nicht gestorben sind, warten sie noch heute – auf Godot. Thorsten Weckherlin akzentuiert die Identität Wladimirs und Estragons, vor allem aber ihr Bulletin: Es geht ihnen den Umständen entsprechend überraschend gut.

Wladimir und Estragon - wer waren sie nicht schon alles. Landstreicher, Clowns, ein altes Ehepaar. . . um nur mal drei beliebte Figurenpaare zu nehmen. George Tabori hat sie 1984 als Flüchtlinge auf die Bühne gestellt, auch das lag nie so fern – zumal Beckett in der résistance war.

Vor einigen Jahren nun hat ein Literaturwissenschaftler ziemlich plausibel nachgewiesen, dass dieser Aspekt im Stück deutlicher sichtbar ist als bislang beachtet. An dem, was „Warten auf Godot“ ist, ändert das kaum etwas, denn dass das Absurde gelegentlich im Realen zur Erscheinung kommt, ist ja nun bekannt. Wer in Marseille 1941 einen undurchsichtigen Behördenmarathon bis zum Sankt Nimmerleinstag der Ausreise erlebt (zu sehen in Premiere 1, siehe auf dieser Seite oben) oder als Jude in einer Stadtruine Tag für Tag vergeblich auf seinen Schleuser wartet, der ihm die Flucht vor den Nazis ermöglichen soll – der macht gewiss eine existentielle und zutiefst absurde Erfahrung. Das ist das eine.

Das andere ist, dass Beckett alles dafür getan hat, diesen konkreten Aspekt klein und die allegorischen Möglichkeiten offen zu halten. Einem Schriftsteller, zumal einem, der in Deutsch, Englisch und Französisch so zuhause war wie Beckett, passiert es nicht versehentlich, wenn im Namen der titelgebenden Hauptfigur das englische Wort god und – von hintenrein - das deutsche Wort Tod nebeneinander liegen wie die Nullen der liegenden Ewigkeitsacht.

So irritiert allenfalls, dass das LTT in seiner Stückankündigung ein vergleichsweise großes Gewese um den Ansatz mit den beiden jüdischen Flüchtlingen macht. In der Inszenierung selbst macht es Thorsten Weckherlin dann klug, er hält den Referenzrahmen klein. Unter dem Hut kringelt sich ein orthodoxes Löckchen, hinten an der Wand ist sehr klein und fast zu übersehen ein Judenstern aufgezeichnet – und das Ganze spielt in einer Kriegsruinenlandschaft (Bühne: Vinzenz Hegemann), hinter der manchmal der Mond aufgeht. Oder ist es gar die Erde?

Davon abgesehen: Eine im besten Sinne konventionelle, offene Inszenierung, durchaus schön, gelungen, klug eingestrichen. Weckherlin akzentuiert das in diesem Stück bei allem Warten und bei aller immer wieder beschworenen Hoffnungslosigkeit vorhandene Reservoir an Zuversicht, Halt und Humor. Abzulesen schon an der Wahl der sich für diesen Akzent eignenden Schauspieler.

Obwohl: Welcher Regisseur am LTT hätte nicht Andreas Guglielmetti und Gilbert Mieroph gewählt? Es sind Paraderollen für die beiden. Jedes Stiefelausziehen wird zelebriert, dass es eine Freude ist. Jeder Streit ist nur der Anlass für die nächste freundschaftliche Umarmung. Und wenn sie sich am Ende vornehmen, morgen mit einem besseren Strick zum Erhängen zurückzukehren, sind wir uns sicher, dass sie ihn vergessen werden oder er wieder reißen wird oder sie plötzlich keinen Baum mehr finden, an dem man es machen könnte. Diese beiden Typen sind wunderbar aufgehoben in ihrer Welt des Nichtaufgehobenseins.

Es mag darin zum Ausdruck kommen, dass dieses Stück heute niemanden mehr schreckt und sich (Deutschunterricht ausgenommen) keiner mehr ernsthaft die Frage stellt, die in den 50er Jahren lebhaft diskutiert wurde, nämlich: Wer dieser Godot denn nun sei. Und zwar nicht, weil sie jemals beantwortet werden könnte. Sondern weil das Psychogramm, das dieses Stück samt Frage grundiert, längst seinen festen Platz im heutigen Bewusstsein gefunden hat. „Warten auf Godot“ ist der Klassiker, der es repräsentiert.

Beckett war einer der ersten, dem konsequent klar war, dass 1) letztlich alles nur konkret das ist, was es ist, sich keine unserer Deutungen hält und 2) die Vorstellung einer bedeutungslosen Konkretion selbst der größte Unsinn ist, weil sich uns grundsätzlich alles mit Bedeutung auflädt. Seine Stücke balanzieren auf dieser Schnittstelle, die er über die Jahre immer schmäler zu gestalten versuchte.

Lässt sich wenigstens diese Deutung halten? Nein, sie lässt sich nicht einmal wirklich verstehen. Eben! Auch weil sich unter solchen Voraussetzungen Sinn und Unsinn gefährlich annähern, kommt es zu Luckys dadaistischem Wissenschaftswahnsinnsmonologsalat, den Stephan Weber zum Besten gibt, ein Abräumer! Ebenfalls beeindruckend Rolf Kindermann als Pozzo. Herr und Knecht? Mensch und Untermensch? Überich und Es? Geist und Körper? Mensch und Natur? Diese dualistische Welt, das Beherrschungs- und Abhängigkeitsprinzip hat am Schluss sichtbar fertig, blind und stumm stolpern sie ihrem Ende entgegen.

Estragon und Wladimir aber, so scheint es, haben ein Schlupfloch gefunden, in dem Karenz gewährt wird, Aufschub. Bis in einigen Jahrzehnten der Klimatod kommt. Ja, entschuldigung, hat mit dieser Inszenierung nichts zu tun, aber solche Assoziationen kann man heutzutage ja mal haben.


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Generalanzeiger Reutlingen, 30. September 2019

Zwei Rabbiner und ein Yogabäumchen

(von Thomas Morawitzky)

Regisseur Thorsten Weckherlin gewinnt am LTT Samuel Becketts »Warten auf Godot« behutsam neue Seiten ab

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