Lisan Lantin, Jens Lamprecht, Nicolai Gonther, Jennifer Kornprobst, Jürgen Herold · Foto: David Klumpp
Lisan Lantin, Jens Lamprecht · Foto: David Klumpp
Nicolai Gonther · Foto: David Klumpp
Jennifer Kornprobst, Jens Lamprecht · Foto: David Klumpp
Nicolai Gonther, Lisan Lantin · Foto: David Klumpp
Jürgen Herold, Lisan Lantin · Foto: David Klumpp
Jennifer Kornprobst, Jürgen Herold · Foto: David Klumpp

Lost and Found

Schauspiel von Yael Ronen


Reutlinger Nachrichten, 17. Januar 2020

Das Leben als Verlustgeschäft

(von Kathrin Kipp)

»eine lustig böse Karikatur, die vom LTT an schwäbische Verhältnisse angepasst, von Regisseur Christoph Roos schön feingetunt inszeniert und einem grandiosen Ensemble geschliffen gespielt wird.«

„Lost and Found“: Das ist eine kurzweilige Culture-Clash Komödie und Sitcom ohne Möbel, darüber, wie man es selbst als aufgeklärter Hipster schaffen kann, auf keinen Fall gesellschaftlich Verantwortung zu übernehmen. Der Flüchtling im Stück hat einfach „das falsche Timing“. Und so führt uns das Stück unseren tiefsitzenden Egosimus und Rassimus vor, auch wenn wir uns noch so perfekt als soziale und fortschrittliche Wesen tarnen.

Die österreichisch-israelische Autorin Yael Ronen entwickelt ihre Stücke immer gemeinsam mit ihren Schauspielern und aus deren persönlichen Geschichten heraus und nimmt so globale Entwicklungen in den subjektiven Fokus. In „Lost and Found“ kommt thematisch einiges zusammen. Und so entsteht aus dem Aufeinanderprallen von Themen, Typen, schön garstigen Dialogen und grotesken Situationen eine lustig böse Karikatur, die vom LTT an schwäbische Verhältnisse angepasst, von Regisseur Christoph Roos schön feingetunt inszeniert und einem grandiosen Ensemble geschliffen gespielt wird. Alles findet im leeren Haus des Vaters statt, dem Katrin Busching löchrige, kalte und metallische Wände verpasst hat, auf denen so etwas wie familiäre Vulkanausbrüche angedeutet sind. Tochter Maryam (Lisan Lantin) ist Life-Style-Video-Bloggerin. Gerade hat sie ihren Eisprung, weshalb sie mit ihrem schwulen Freund Schnute (Nicolai Gonther) schnell ihr zweites Kind produzieren muss, mit Sperma-Spritze und Yoga-Übungen. Dumm nur, dass gerade auch noch ihr (atheistischer) Vater gestorben ist . Ein Onkel aus London bietet an, die Bestattungssause zu bezahlen, wenn sie nach streng muslimischer Zeremonie abläuft. Und wenn Geld im Spiel ist, wird man in religiösen Dingen ja sehr tolerant und pragmatisch. Neben Schnute, der zum unromantischen Zeugungsakt einen Neun-Paragraphen-Vertrag mitgebracht hat, der genau festlegt, zu welchem Zeitpunkt der Nachwuchs über Hitler aufgeklärt wird, kommt auch noch Maryams Bruder ins Spiel: Jens Lamprecht spielt den labilen und untröstlichen Elias, der gerade von Camille (Jennifer Kornprobst/Sabine Weithöner) verlassen wurde. Der selbstverliebte Medienkünstler Jochen (Jürgen Herold) wiederum wurde von Maryam verlassen und ist gar nicht begeistert, dass sein Sohn noch ein Geschwisterchen bekommt. Und so passiert alles gleichzeitig: Zeugen und Sterben und das komplizierte Leben und Lieben zwischendurch: Anlass für jede Menge Slapstick. Für die Rahmenhandlung werden die Figuren auch noch zu Jochens Kunstinstallation herangezogen, bei der all die Dinge aufzählen, die man verlieren kann - Angehörige, Führerschein, Sonnenbrille. Das Leben ist ein Verlustgeschäft. Aber mit jedem Verlust gewinnt man auch an Erkenntnissen. Im Fall der vorgeführten Hipster ist es die Erkenntnis, wie schnell mal wieder die Masken fallen lässt. Denn auf den harten Prüfstand gestellt wird die inszenierte Toleranz und Hilfsbereitschaft der Sippschaft nicht nur, als sie mit der muslimischen Zwangsbeglückung konfrontiert wird, was die üblichen Ressentiments zutage fördert. Und den sonst eher selbstverzweifelten Elias geradezu euphorisiert, weil er plötzlich zum „Familienoberhaupt“ hochtraditionalisiert wird. Sondern noch pikanter wird es, als sich ein geflüchteter Cousin aus dem Irak anmeldet und konkrete Hilfe einfordert: Da ist es bald um die politische Korrektheit geschehen. Wie soll man anderen helfen, wenn‘s vom Timing her gerade nicht passt?


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Mit einer Prise Ernsthaftigkeit, 4. Dezember 2019

Mit einer Prise Ernsthaftigkeit

(von Christoph Holbein)

»ein kurzweiliges und dennoch kritisches und mit einer starken Prise Ernsthaftigkeit gewürztes, tolles Theatervergnügen voller Lebendigkeit«

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Schwäbisches Tagblatt, 2. Dezember 2019

Fluchtpunkt Youssef, Spuk Godunow

(von Peter Ertle)

»Yael Ronen – das wird auch am LTT klar – ist zurecht eine derzeit hochgehandelte Theaterautorin. Komisch und durchaus boulevardesk, aber politisch, Fragen des Hier und Jetzt diskutierend, einfühlsam, witzig, gedankenreich. Ein wunderbares Stück in Christoph Roos’ leichter, genau gearbeiteter Inszenierung, von allen Schauspielern hervorragend gespielt.«

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Reutlinger General-Anzeiger, 2. Dezember 2019

Zwei Schwangerschaften und ein Todesfall

(von Thomas Morawitzky)

»Was kann man verlieren, was lässt sich finden? Fünf Figuren lassen tief blicken ins Wertgefüge des hippen Zeitgenossen. Der Blick ist böse, aber Ronen serviert ihn komödiantisch – und das LTT bringt ihn treffsicher nach Tübingen.«

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