Lisan Lantin, Jens Lamprecht, Nicolai Gonther, Jennifer Kornprobst, Jürgen Herold · Foto: David Klumpp
Lisan Lantin, Jens Lamprecht · Foto: David Klumpp
Nicolai Gonther · Foto: David Klumpp
Jennifer Kornprobst, Jens Lamprecht · Foto: David Klumpp
Nicolai Gonther, Lisan Lantin · Foto: David Klumpp
Jürgen Herold, Lisan Lantin · Foto: David Klumpp
Jennifer Kornprobst, Jürgen Herold · Foto: David Klumpp

Lost and Found

Schauspiel von Yael Ronen


Reutlinger Nachrichten, 17. Januar 2020

Das Leben als Verlustgeschäft

(von Kathrin Kipp)

»eine lustig böse Karikatur, die vom LTT an schwäbische Verhältnisse angepasst, von Regisseur Christoph Roos schön feingetunt inszeniert und einem grandiosen Ensemble geschliffen gespielt wird.«

[mehr lesen]


Mit einer Prise Ernsthaftigkeit, 4. Dezember 2019

Mit einer Prise Ernsthaftigkeit

(von Christoph Holbein)

»ein kurzweiliges und dennoch kritisches und mit einer starken Prise Ernsthaftigkeit gewürztes, tolles Theatervergnügen voller Lebendigkeit«

[mehr lesen]


Schwäbisches Tagblatt, 2. Dezember 2019

Fluchtpunkt Youssef, Spuk Godunow

(von Peter Ertle)

»Yael Ronen – das wird auch am LTT klar – ist zurecht eine derzeit hochgehandelte Theaterautorin. Komisch und durchaus boulevardesk, aber politisch, Fragen des Hier und Jetzt diskutierend, einfühlsam, witzig, gedankenreich. Ein wunderbares Stück in Christoph Roos’ leichter, genau gearbeiteter Inszenierung, von allen Schauspielern hervorragend gespielt.«

[mehr lesen]


Reutlinger General-Anzeiger, 2. Dezember 2019

Zwei Schwangerschaften und ein Todesfall

(von Thomas Morawitzky)

»Was kann man verlieren, was lässt sich finden? Fünf Figuren lassen tief blicken ins Wertgefüge des hippen Zeitgenossen. Der Blick ist böse, aber Ronen serviert ihn komödiantisch – und das LTT bringt ihn treffsicher nach Tübingen.«

Was kann man verlieren, was lässt sich finden? Fünf Figuren geben Antwort auf diese Fragen in Yael Ronens Stück »Lost and Found« und lassen damit tief blicken ins Wertgefüge des hippen Zeitgenossen. Der Blick ist böse, aber Ronen serviert ihn komödiantisch – und das LTT bringt ihn, auf seiner Werkstattbühne, treffsicher nach Tübingen.

Was will die Frau, die da kopfüber an der Wand lehnt, die Beine hochreckt und sich konzentriert? Ganz klar: Sie will schwanger werden. Lisan Lantin spielt Maryam, die als Influencerin auf ihrem Instagram-Kanal sehr schnell Lebensweisheit absondert und von nichts mehr beunruhigt wird als von der Vorstellung, es könne zu spät für sie sein, um ein zweites Mal Mutter zu werden.

Deshalb wird geradezu konspirativ der schwule Freund Schnute als Samenspender engagiert. Gerade ist außerdem Maryams Vater gestorben; gemeinsam mit ihrem Bruder Elias sinnt sie nach über günstige Beisetzungsmöglichkeiten und bedauert es einmal sogar, dass nicht etwa die Pietät, sondern ein Paragraf es verbietet, die Asche des Erzeugers einfach über die Toilette zu entsorgen. Schnute (Nicolai Gonther) indes hat seine Schwierigkeiten, die Flüssigkeit, die Maryam später mittels Spritze ihrer Gebärmutter zuführen möchte, einem Einmachglas zu übergeben, in einem Krankenzimmer, in dem vielleicht gerade noch ein Toter lag. Elias (Jens Lamprecht) entpuppt sich als egozentrischer Waschlappen mit poetischen Ambitionen; Camille (Jennifer Kornprobst), seine Ex-Freundin, unterzog sich eben noch einer Hormonbehandlung, um im reifen Alter nochmals schwanger werden zu können. Und Jochen (Jürgen Herold), Maryams Ex-Freund, denkt vor allem an Preise und verarbeitet das familiäre Fiasko zur Video-Installation. Was also ist verloren? Die Mutter, der Vater, das Konzept von Familie, die Gelegenheit zur Versöhnung, viel Geld, viel Zeit, viele Gelegenheiten, Hoffnungen, die Heimat, Sonnenbrillen, Handschuhe, Schlüssel, Handys, das Bewusstsein, der Führerschein, die Unschuld (gleich zweimal), der Wille zu leben, der Wille zu sterben.

Fünf Schauspieler spielen fünf Menschen von heute, die es so vielleicht sogar wirklich gibt, spielen sie überzeugend, treiben mit ihren Charakterstudien und Yael Ronens bissig flotten Dialogen dem Publikum manchmal fast die Lachtränen in die Augen.

Katrin Buschings Bühnenbild zeigt nichts als eine leere Wohnung, fleckiges Metallgerüst der kahlen Wand; ein paar Kartons kommen dazu. Christoph Roos hat »Lost and Found« konsequent als Gesellschaftskomödie mit Drive und einer Spur von Slapstick inszeniert.

Roos und seine Dramaturgin Laura Guhl haben Yael Ronens Stück zudem ein wenig den württembergischen Gegebenheiten angepasst, deshalb ist öfter mal die Rede von teuren Wohnungen, natürlich in Stuttgart. Das erscheint nur konsequent. Die »sympathischen Bioladen-Egomanen«, die ein Rezensent der Wiener Uraufführung 2015 im Stück entdeckte, gibt es in Tübingen natürlich nicht, ganz ausgeschlossen. Und überhaupt: So plastisch, komisch, lebhaft die Figuren dieses Spiels auch gezeichnet sind – sympathisch sind sie nicht wirklich.

Yousef, der Cousin aus dem Irak, der anruft und um Hilfe bittet, erscheint im LTT gar nicht erst auf der Szene. Alle wollen sie helfen – das zumindest sagen sie – und alle sind aber allzu sehr beschäftigt mit ihren diversen Lifestyle-Neurosen. Gefunden haben sie zuletzt: eine neue Managerin, neue Follower, einen neuen Lebenssinn, der noch zu jung ist, um sich zu wehren, den Mut, die Polizei zu rufen, und eine Tasche.


[schliessen]






© 2016     Landestheater Württemberg-Hohenzollern Tübingen Reutlingen Impressum