Bürgerliches Lustspiel von Carl Sternheim
Schwäbische Zeitung, 21. Juni 2018
(von Jürgen Berger)
Er hatte die heuchlerische Moral eines neuen Zeitalters im Blick. Und er war ein genauer Beobachter der gesellschaftlichen Veränderungen rund um die Zeitenwende des vorletzten Jahrhundertwechsels: In Tübingen hat der griechische Schauspieler und Regisseur Akillas Karazissis Sternheims bürgerliches Lustspiel nun inszeniert, als sei es die expressionistische Pilotfolge einer Netflix-Staffel.
Schwarzwälder Bote, 26. Mai 2018
Mutiger Griff in das Füllhorn des Theaters
(von Christoph Holbein)
Inszenierung von Carl Sternheims "Die Hose" präsentiert sich als clowneskes Spektakel
Eines lässt sich Regisseur Akillas Karazissis nicht nachsagen, dass er keinen Mut hat. Das bürgerliche Lustspiel „Die Hose“ von Carl Sternheim inszeniert er in der Werkstatt des Landestheaters Württemberg-Hohenzollern Tübingen Reutlingen (LTT) unkonventionell gegen den Strich gebürstet. In den rund zwei Stunden ohne Pause entwickelt sich auf der Bühne ein groteskes ins Absurde übersteigertes und überzeichnetes Spiel, mit dem der Regisseur das Werk zu entstauben versucht. Die Protagonisten – das gesamte Ensemble fesselt mit enormer Spielfreude – rennen über die Bühne, tanzen auf dem Tisch und hangeln sich in aufgehängten Gummibändern durch die Szenen, dabei äußerst augenfällig charakterisiert durch die clownesk anmutenden Kostüme von Kathrin Krumbein und plakativ herausgehoben durch die grell geschminkte Maske der Schauspieler – etwa wenn der Haarscheitel rot im Dunkeln leuchtet.
Karazissis inszeniert slapstickartig, lässt seine Akteure ein hohes Tempo gehen, körperbetont und mit ausladenden Bewegungen untermalt, lässt sie tanzen und mimisch stark übertreiben. Da zucken die Körper theatralisch, da gibt es Eruptionen voller Wortkaskaden, da turnen die Schauspieler durch den Raum. Ein bisschen erinnert das an Commedia dell’arte mit der pointierten, oft ins Publikum gerichteten grellen, plastischen Spielweise, mit den auf die Spitze getriebenen Ticks und Marotten der schrägen Typen. Das ist affektiert, mitunter affig. Die Schauspieler kreischen wie Vögel, stecken dem anderen den Finger ins Ohr oder in die Nasenlöcher, saugen den Honig aus dem Fläschchen wie ein Baby, kokettieren mit sich und dem Publikum, leben ihre sexuelle Begierden aus und lachen gekünstelt. In tänzerischen Bewegungen agieren sie mit viel Verve und innerem Drive. In der skurrilen Szenerie saufen, kotzen sie, ziehen sich aus, albern herum und pinkeln auf offener Szene.
Auch das Publikum und die Soufflage bleiben nicht verschont, werden mit einbezogen. Das ist Theater pur - ein intensives Spektakel voller Veitstanz und Abstrusität. Der Regisseur schöpft aus dem Vollen mit Zirkus und Klamauk, mit Durchfall-Geräuschen aus dem Off und kindischem Gehabe der Protagonisten, mit Kitsch und makabren Sentenzen.
Angesichts dieser enormen Fülle der Assoziationen allerdings gerät der Inhalt des Stücks, die Aussage Sternheims, der mit seinen Figuren hier die romantischen Ideale verhöhnt und dort bei der Hauptfigur, dem Beamten Theobald Maske – von Patrick Schnicke lebensfroh dargestellt – Geldgier, Selbstgefälligkeit, Berechnung und Brutalität anprangert, fast in den Hintergrund. Und makaber-bissige politische Andeutungen etwa in Richtung Judenfeindlichkeit der Protagonisten – „Dusche mit Gas... - Gasheizung“ – bleiben Einsprengsel.
Reutlinger Generalanzeiger, 30. April 2018
(von Kathrin Kipp)
Am LTT wird das bürgerliche Lustspiel "Die Hose" von Carl Sternheim zur grotesken Herrenmenschen-Orgie
Reutlinger Nachrichten, 30. April 2018
Hinter der Maske lauert das Unglück
(von Anja Weiß)
"Die Hose", ein bitterböses bürgerliches Lustspiel von Carl Sternheim, das einst einen handfesten Skandal auslöste, hat am Tübinger LTT Premiere gefeiert.
Schwäbisches Tagblatt, 30. April 2018
Gummitwist für Charaktermasken
(von Wilhelm Triebold)
Tote Hose: Akillas Karazissis verjuxt in der LTT-Werkstatt ein Sternheim-Lustspiel.