Foto: Martin Sigmund
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Bestätigung

Stück von Chris Thorpe · entwickelt in Zusammenarbeit mit Rachel Chavkin · Deutsch von Katharina Schmitt


Schwäbische Zeitung, 26. Februar 2019

Das Landestheater Tübingen gastiert mit "Bestätigung" im Theater Ravensburg

(von Babette Caesar)

Schon beim Betreten des Saals mit gewohntem Blick in Richtung Bühne war sofort klar, dass etwas anders ist, als erwartet. Zu beiden Seiten der Bühne Stuhlreihen, so dass die Besucher mit im Spielfeld saßen. Im Hintergrund: ein Tisch mit Kaffee und Wasser zur Selbstbedienung. Vorne Jürgen Herold vor seinem Laptop. Was geschieht inmitten dieser Versuchsanordnung?

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Schwäbisches Tagblatt, 5. Februar 2019

Der mit dem Rassisten spricht

(von Peter Ertle)

In Chris Thorpes "Bestätigung" am LTT sucht ein Linker das Gespräch mit einem Ultrarechten und stellt dabei seine eigenen Gewissheiten infrage (was richtig ist), mehr als die seines Gegenübers (was falsch ist).

Vorweg: Wie dieses Stück inszeniert und gespielt wurde, ist völlig egal. Jürgen Herold macht es gut, was denn sonst. Und Thorsten Weckherlin hat sich das ein oder andere überlegt. Aber wozu?

Denn beim Hinausgehen denkt man sich: Was haben wir jetzt erfahren in Chris Thorpes "Bestätigung?" Dass Menschen gerne alles ausblenden, was nicht in ihr Weltbild passt. Haben wir vorher gewusst. Dass niemand von außen auf sein eigenes Denken schauen kann. Ja nun, logisch. Dass Nazis auch Menschen sein können und unter Umständen nette Seiten haben. Haben wir nie ausgeschlossen. Dass es zwischen linken und rechten Weltbildern einige Teilmengen gibt. Oh ja! Aber auch dazu hätten wir das Stück nicht gebraucht. Dass Diskriminierungen auch mal Weiße treffen können und die sich für ihre Hautfarbe auch nicht schämen müssen. Genau! Keiner muss sich für seine Hautfarbe schämen. Alles andere ist Unsinn.

Nun mag es unfair sein, Stücken mit einem "Wussten wir schon" zu begegnen - was soll es schon Neues unter der Sonne geben? Der Anspruch an ein Stück müsste vielmehr sein, dass es uns das Bekannte oder das, was uns theoretisch bekannt sein sollte, mit so einer Wucht, einer Plausibilität, mit solchen Bildern präsentiert, dass wir plötzlich wirklich verstehen, uns erwischt fühlen. Und dass uns das bessere Verständnis fürderhin zu einem angemesseneren Verhalten führen sollte.

Nachdem Corinna Harfouch den Monolog zu einem erfolgreichen Hörspiel machte und das Stück auf etlichen Bühnen gespielt wird, muss vermutet werden: Für manche Menschen erfüllt das Stück diesen Anspruch. Aber warum nur?

Der linke Protagonist dieses Stücks hat ein Programm: Er will mit Glen reden, einem Ultrarechten, einem Rassisten. Gut, wollen wir ihm zurufen, dann mach es auch richtig! Macht er aber nicht. Leider ist das nicht die mahnende Botschaft dieses Stücks. Kein linker Dummjan soll in diesem Experiment vorgeführt und kritisiert werden. Eher werden seine Selbstzweifel und seine Bereitschaft, sich auf den anderen einzulassen, als rares Gut positiv beleuchtet, problematisiert und an ihre Grenzen geführt. Ein wünschenswerter Ausbrecher aus ideologischer Lagerverhaftung, dem seine eigenen Irrungen und Wirrungen sehr narzisstisch wichtiger sind als die Ungeheuerlichkeiten seines Gegenübers. Vielleicht hätte man ihn daran erinnern sollen, dass er nicht über die Existenz des freien Willens oder die Einführung des freien Bustickets für alle streitet - sondern mit einem Holocaustleugner.

Selbstzweifel sind ja immer gut. Zeitlos richtig ist, dass wir mehr miteinander reden sollten. Nie aber wurde es allheilmitteliger beschworen als zurzeit. Es deutet auf eine Bedrohungslage hin. "Können wir nicht reden?" sagt der Bedrohte und schaut in das Mündungsrohr. "Nein", sagt der andere und erschießt ihn. So viel dazu.

Zurück zum namenlosen Protagonisten. Voller Selbsterschrecken wünscht er sich, dass möglichst viele Juden von den Nazis umgebracht worden seien, nur damit die Nazi-Schrecken größer und er als Linker mehr im Recht ist. Man muss Glen recht geben, der ihm vorhält, er sei ein "scheiß Kind".

Von einem Wutausbruch abgesehen stellt er sich der Diskussion mit Glen nicht. Zum Beispiel da, wo Glen auf die Unterschiedlichkeit der Rassen pocht, was man ja kann, was einen noch nicht zu einem Rassisten macht. Aber als er von da zur Annahme kommt, dass jede Rasse am ehesten untereinander glücklich wird und von da zu der These, dass die Durchmischung der Völker am gegenwärtigen "Krieg" schuld ist - wo bleibt der Protest?

Auch wird nicht gefragt, wo der "Krieg" überhaupt ist. Ob er nicht ein Hirngespinst ist. Und falls nicht, ob er nicht andere Ursachen haben könnte. Und warum lässt unser linker Waschlappen es Glen durchgehen, als der sagt, Breivik hätte nicht töten sollen, aber recht hätte er schon gehabt mit seiner Analyse? Da muss man sich doch hinstellen und reden, argumentieren, diskutieren. Oder irgendwann sagen, das hat keinen Sinn mehr. Doch das unterbleibt. Oder es ist dem Stück einfach nicht wichtig. Vielleicht wird es als selbstverständlich vorausgesetzt. Stattdessen gefällt sich "Bestätigung" mit seinem Protagonisten in der Rolle des mutigen "Ich-rede-mit-einem-Rechten" und "Ich-erkenne-die-blinden-Flecken-und-sogar-den-Nazianteil-in-mir-selbst" und "Ich-erkenne-den-Menschen-im-Nazi-gegenüber" - und kommt sich dabei sehr gefährlich und vorbildlich scheuklapplos vor.

Es sei konzediert, dass manche der Selbstbefragungen des Protagonisten für nicht wenige bornierte Linke wirklich erkenntnisfördernd wären. Nur: Muss man jetzt ein schlechtes Stück, das sich auf die Beschränktheit mancher Leute einstellt, gut finden?

Die Gipfelblödheit aber ist der Schluss, als der Linke zur Erkenntnis gelangt, dass er nicht mehr weiter mit Glen sprechen sollte: "Ich muss meine Gewissheiten jetzt schützen, weil ich festgestellt habe, dass sie mir helfen, meine Toleranz zu verteidigen." Gemeint ist die Toleranz anderen Kulturen gegenüber. Sprich: Bevor er zu viel Verständnis für den Nazi entwickelt und selbst Gefahr läuft, einer zu werden, hört er lieber nicht mehr hin. Mit solchen Leuten ist Hopfen und Malz verloren. Da versteht man augenblicklich jeden Nazi, der sagt, dass solche Waschlappen von der Bildfläche verschwinden müssen.

 

 


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Reutlinger Generalanzeiger, 4. Februar 2019

Der Nazi als Spiegelbild

(von Thomas Morawitzky)

Ein junger Mann, deutlich links eingestellt, will verstehen, wie die Rechte denkt. - »Bestätigung« ist eine gelungene Provokation.

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