Insa Jebens, Kristin Scheinhütte, Elias Popp, Rupert Hausner · Foto: Martin Sigmund
Rupert Hausner · Foto: Martin Sigmund
Rupert Hausner, Kristin Scheinhütte, Insa Jebens, Jonas Breitstadt, Elias Popp · Foto: Martin Sigmund
Insa Jebens · Foto: Martin Sigmund
Jonas Breitstadt, Rupert Hausner, Elias Popp, Insa Jebens · Foto: Martin Sigmund
Kristin Scheinhütte · Foto: Martin Sigmund
Insa Jebens, Jonas Breitstadt, Kristin Scheinhütte · Foto: Martin Sigmund
Jonas Breitstadt, Rupert Hausner · Foto: Martin Sigmund
Insa Jebens, Elias Popp, Kristin Scheinhütte, Rupert Hausner· Foto: Martin Sigmund
Kristin Scheinhütte, Jonas Breitstadt, Rupert Hausner, Elias Popp, Insa Jebens · Foto: Martin Sigmund
Elias Popp · Foto: Martin Sigmund
Rupert Hausner, Elias Popp, Insa Jebens, Kristin Scheinhütte · Foto: Martin Sigmund
Jonas Breitstadt · Foto: Martin Sigmund
Insa Jebens, Elias Popp, Jonas Breitstadt, Kristin Scheinhütte · Foto: Martin Sigmund
Insa Jebens, Rupert Hausner, Jonas Breitstadt, Elias Popp, Kristin Scheinhütte · Foto: Martin Sigmund

Andorra

Schauspiel von Max Frisch

14+


Reutlinger Nachrichten, 21. September 2018

Vorurteile in Schwarz-Weiß

(von Kathrin Kipp)

Mit Oda Zuschneid hat das Junge LTT eine neue Chefin, mit Michel op den Platz einen neuen Dramaturgen und vier neue Schauspieler. Dafür greift man mit dem ersten Stück zurück auf Bewährtes, auf das klassische Schülerstück Andorra von Max Frisch, einer theatralischen Einführung zum Thema Ausgrenzung, Rassismus, Antisemitismus, Vorurteil und Identitätsfindung.

Ein diskursives Stück, das vorführt, wie der vermeintlich jüdische Flüchtlings-Junge Andri von seinem Umfeld solange antisemitisch behandelt wird, bis er sich selbst als „typischer Jude“ begreift. Was ihm zum Verhängnis wird, als die Soldaten des befeindeten Nachbarstaates (die „Schwarzen“) Andorra überfallen und Andri bei einer „Judenschau“ zur Liquidation abführen. Dabei hat Andris Vater das Gerücht vom geretteten jüdischen Flüchtlingskind nur in die Welt gesetzt, um zu vertuschen, dass Andri sein uneheliches Kind aus der Affäre mit einer Frau aus dem bösen Nachbarland ist.

 

Aufklärungsstück für Einsteiger

In der eigenfabrizierten, metatextuellen Rahmenhandlung liefert das Junge LTT außerdem die Begründung, weshalb es dieses Aufklärungsstück für Einsteiger auf den Spielplan gesetzt hat: Max Frisch persönlich tritt auf, mit Pfeife, Trenchcoat und Schweizer Dialekt (Elias Popp), und diskutiert mit einem Lehrer, einer Lektorin und einem Dramaturgen, ob man die Parabelhaftigkeit der „ollen Kamelle“ (von 1961) nicht noch verstärken könnte, wenn man den Begriff „Jude“ beispielsweise durch den Begriff „Schwabe“ ersetzen würde. Man kommt aber wieder davon ab, schließlich ist Antisemitismus immer noch und immer wieder ein brandaktuelles Thema. Trotzdem sehe das Theater seine Aufgabe darin, den literarischen „Kanon neu zu überprüfen“. Aber wieviel darf man am Original verändern? Und werden durch solche antisemitismuskritischen Lehrstücke, die ja die gängigen Stereotype benennen, nicht genau diese Stereotype fortgeschrieben? Aber für solche Fragen werde das Stück ja „theaterpädagogisch aufbereitet“.

Und weil Stereotype immer auch mit einer Wertung versehen werden, ist auch die LTT-Werkstatt-Bühne (Daniel Angermayr) in Schwarz-Weiß getaucht: das friedliche, freiheitliche und liberale Vorbild-Andorra präsentiert sich in unschuldigem Weiß, die bösen Nachbarn, die von den Andorranern gerne mal für die eigenen rassistischen Auslassungen instrumentalisiert werden, sind die „Schwarzen“. Um die Bühne herum steht in großen Lettern: „EINER VON EUCH, UNTER EUCH, MIT EUCH“.

 

Austauschbare Figuren

Und so wird in wechselnden Szenen und Bildern Andris Geschichte erzählt: wie er wird, wie die anderen ihn haben wollen. Wie er von Amtsarzt, Priester, vom Soldaten, von den Bürgern und Handwerkern immer wieder auf mehr oder weniger subtile Art ausgegrenzt und antisemitisch behandelt wird. Aber weil die Figuren austauschbar sind, weil hier jeder zum Opfer und zum Täter werden kann, weil sich keiner von „uns“ vom Rassismus frei machen kann, sind auch die Figuren auf der Bühne austauschbar. „Das Böse: Alle haben es in sich, keiner will es haben“, wird refrainmäßig wiederholt. Und so lässt Regisseurin Fanny Brunner alle Figuren als schwarze Pappaufsteller auftreten, die in ihren Szenen umgedreht werden und ein Gesicht bekommen, während die Schauspieler von Szene zu Szene ihre Rolle wechseln. Jeder spielt mal den Vater, Andri, Bürger, Pfarrer oder Soldat. Eine große Herausforderung für Zuschauer und Ensemble. Zum Beispiel zeigt sich Jonas Breitstadt unter anderem als (sexuell) gewalttätiger, dauerrülpsender Soldat, oder scheinheiliger Priester, Rupert Hausner als von der Situation völlig überforderter Vater, Insa Jebens als antisemitischer Amtsarzt, Elias Popp als verunsicherter, verletzter und trotziger Andri und Kristin Scheinhütte als dessen Freundin und Schwester Barblin.

Eine sportliche Angelegenheit, denn die Figuren stecken alle im Adidas-Uniform-Dress. Um die Spannung hochzuhalten, wechselt Fanny Brunner außerdem munter zwischen Erzählttheater, dialogischen Szenen, Pantomime, Proklamation, Betroffenheitston oder Rechtfertigung hin und her, setzt maschinell erzeugte Geräusche und Musik (Alex Konrad) ein. Um die Stereotypen auf die Spitze zu treiben, werden die rassistischen Witze einfach mal gesungen. Am Ende weisen plakative Schilder auf den Umstand hin, dass Stigmatisierungen jeden treffen können, auch Moslems, Sachsen, Vegetarier, Roma, Rentner oder Homosexuelle: „Man wird das Orakel nicht los, bis man es erfüllt.“

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Reutlinger General-Anzeiger, 17. September 2018

So perfide ist Ausgrenzung

(von Christoph B. Ströhle)

Mit Max Frischs dramatischer Parabel „Andorra“ setzt das LTT zum Spielzeitauftakt ein kraftvolles Zeichen.

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Schwäbisches Tagblatt, 17. September 2018

Plötzlich bist du so, wie sie sagen

(von Peter Ertle)

Max Frischs Andorra wird zwar auch unter Fanny Brunners Regie am Jungen LTT kein super avanciertes Stück – aber doch erstaunlich jung, heutig, beweglich und stellenweise sogar singbar, kurz: Ein frischer Frisch mit zeitloser, wieder sehr aktueller Botschaft.

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