(...) In der Gastro-Tragikomödie „Soul Kitchen“ geht’s nicht nur ums Essen, sondern auch ums Milieu. Und so spielt sie auch am LTT in einer schlecht laufenden Kneipe in Hamburg, in der sich lauter sympathische Loser tummeln.
Sie führen ein ziemlich chaotisches Leben, an dem sich wir Bürgerlichen kaum satt sehen können, wären wir doch auch gern ein bisschen vogelfrei wie sie. Aber eben nur ein bisschen. Und so bleibt uns nur der Fasching.
„Soul Kitchen“ von Regisseur Dominik Günther kommt auch ein wenig wie gelebter Dauer-Fasching daher, mit lauten, zugedröhnten Menschen in bunten Kostümen, die sich in hektischen Szenen zu unvollendeten Dialogen treffen und gerne viel singen.
Allerdings singen sie schöne Lieder, originell arrangiert und prächtig intoniert: „Hey Soul Sister“, „Rapper‘s Delight“, „Where The Wild Roses Grow“ – das Ensemble zeigt wieder seine ganze musikalische Eleganz. Aber in der Soul Kitchen wird ja nicht nur Musik gekocht, sondern auch Nahrung für die Seele, wenn es zwischenmenschlich mal wieder drüber und drunter geht.
Ausstatterin Sandra Fox packt das charmant abgefuckte Restaurant samt seiner illustren Mischpoke einfach in einen riesigen, nostalgischen Ghetto-Blaster – wegen der allpräsenten Musik, aber auch wegen der Street Credibility. Hier ist nämlich Authentizität noch Trumpf und das echte Ghetto am Werk – Griechen, Kriminelle, Kochkunsterotiker, Hipster – kurz bevor es gnadenlos weggentrifiziert wird.
Der Top-Kapitalist Neumann (Michael Ruchter) cruist als rosa Immobilienhai mit Vokuhila-Matte schon längst mit seinem Roller durchs Viertel, um die nächsten Objekte in Augenschein zu nehmen, die er platt machen kann, und um den letzten Rest Leben in der Stadt auszulöschen.
Damit die Unsicherheit zum Ausdruck kommt, wie man einen so relativ unnachahmlichen Film auf die Bühne bringen kann, zeigt man diesen Umstand: Ermis Zilelidis, im normalen Leben LTT-Inspizient, sitzt jetzt als Drin- und Draußen-Instanz, als Regisseur im Stück auf der Bühne und dirigiert das Personal in die rasant wechselnden Szenen und Dialoge. Er trinkt mit den Protagonisten Ouzo, greift ins Geschehen ein, fällt den Figuren ins Wort oder lässt unwichtige Szenen gleich ganz ausfallen. Eigentlich ein lustiger Effekt, wären die Szenen nicht so übertrieben gespielt, und würden sie nicht mit betont filmischer Hektik abgespult.
(...) Die Protagonisten sind permanent präsent, krabbeln im Radio herum, sitzen am Tisch, der sich aus dem Retro-Kassettendeck erschließt, singen aus der Lautsprecher-Box, stellen sich zum Gruppenbild „Das letzte Abendmahl“, versammeln sich an den Instrumenten oder formieren sich zum Lauschangriff, wenn bei den Hauptfiguren etwas Entscheidendes passiert: Deren Leben spielt sich eben in der Kneipe ab, die Gäste bekommen alles mit.
(...) Am Ende ist auch das Publikum ganz berauscht und spendet sehr viel Beifall.