Foto Martin Sigmund
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Richtfest

Komödie von Lutz Hübner


Reutlinger Nachrichten, 30. Juni 2017

Lebst Du noch oder baust Du schon?

(von Kathrin Kipp)

Utopie scheitert an zu viel Menschlichem: Jan Jochymski inszeniert am LTT Lutz Hübners Katastrophenkomödie „Richtfest“ über das Wohnprojekt einer optimistischen Baugemeinschaft

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Schwarzwälder Bote, 27. Juni 2017

Utopie endet in einer Kissenschlacht

(von Christoph Holbein)

Komödie „Richtfest“ von Lutz Hübner am LTT Tübingen erweist sich als gelungene Inszenierung

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Schwäbisches Tagblatt, 26. Juni 2017

Elf Träume und ein Haus

(von Peter Ertle)

Das musste in Tübingen ja mal auf die Bühne: Autor Lutz Hübner und Regisseur Jan Jochymski lassen in der Komödie "Richtfest" eine Baugemeinschaft euphorisch beginnen und voraussehbar krachend scheitern.

Die Baugemeinschaft gehört seit zwanzig Jahren zum festen Bestand jener Phänomene, die man als Tübingen-typisch bezeichnen muss. Insofern gehört Lutz Hübners Stück "Richtfest" unbedingt hierher. Allein, zu einem Richtfest kommt es nie. Dafür richtet jeder kräftig über den anderen. Und auch das Büfett bei den vielen Baugemeinschaftstreffen ist immer ordentlich angerichtet.

"Goethe 28" heißt hier das Wohnprojekt. Bestehend aus: Architekt Philipp, bisher nur Kernsanierung und Parkhäuser, die Goethe 28 soll sein erstes eigenverantwortetes Wohnprojekt werden, entsprechend große Ambition, viel Glas, viel Reden über das, was der Raum für den Menschen bedeutet.

Ludger und Vera, Soziologieprofessor und Stiftungsfrau, wohlhabend, kunstliebend, Feinschmecker, kinderlos.

Holger und Birgit, Beamter und Leiterin einer Jugendeinrichtung, 17-jährige Tochter Judith. Machen mit, weil nochmal was Neues anfangen soll, wenn Judith aus dem Haus ist.

Frank und Mick, schwules Musikerpärchen, einer von beiden Leiter einer Musikschule, haben lange gespart für ihren Traum.

Christian und Mila, noch sehr jung, Assistenzarzt und Juristin im Referendariat, ein Baby, knappe finanzielle Kalkulation.

Charlotte, Trans-Gender, Seniorin, ehemalige Szenewirtin, die am Stadtrand lebt und nun wieder rein in die Stadt will.

Frage: Gibt es so eine Mischung in der Realität?

Antwort: Ja, warum nicht.

Frage: Sind allein damit Schwierigkeiten vorprogrammiert?

Antwort: Nicht unbedingt, aber wahrscheinlich. Was nicht sehr aussagekräftig ist, denn Schwierigkeiten gibt es bei Baugemeinschaften oft.

Eben. Der Zuschauer weiß ohne jede Vorinfo schon in den ersten fünf Minuten: Alle, die sich hier so auf ihr Projekt freuen, werden sich am Ende arg in den Haaren haben.

Auf der Bühne von Sabine Schmidt sitzen sie meist auf irgendwelchen Treppen, Heizungselementen, schauen durch Fenster, werden auch mal schön allegorisch auf einem viel zu engen Balkon zum Gruppenselfie zusammengepfercht, kurz: Abstrakt freischwebend verschiebbare Bauelemente bilden einen sinnigen Hintergrund.

Vor diesem Ambiente werden dauernd Reden gehalten, dauernd gibt es Treffen mit Büfett. In den Reden wimmelt die Satzanfangsfloskel "Ich bin froh", was hier mit viel karikierendem Ausrufezeichen inszeniert wird. Auch in anderen Sszenen kippt die Salonkomödie à la Yasmina Reza oder Moritz Rinke lustvoll in die Farce.

Und rasch ergeben sich Brüche innerhalb der Gemeinschaft. Der sich etwas anbiedernde, aber grundgute Holger, stellt sich heraus, will vor allem sozialen Anschluss aus Angst, mit seiner Birgit allein da zu sitzen. Das macht wiederum Birgit Angst, für deren Geborgenheitsbedürfnis Philipps Architektur überdies viel zu viel Glas vorsieht. Und dann schwärmt ihre Tochter auch noch für diesen Philipp, folgt ihm auf Vernissagen, kommt betrunken nachhause. Wird sie vom Architekten verführt?

Charlotte, erzählen wiederum Mick und Christian, sei ein Messie und psychisch labil, da könne ja noch was auf die Baugemeinschaft zukommen.

Ludger und Vera messen den Wert des sozialen Engagementgeschwafels erst mal an den konkreten Büfettmitbringseln der unzähligen Treffen. Und da steht neben ihrem teuren Wein Christians und Milas Aldi-Tütensaft und Birgits immergleicher, phantasieloser Kartoffelsalat. Mit diesen Menschen sollen sie also künftig wohnen.

Dann zwei Einschnitte, die alles auf die Probe stellen: Mila wird nochmal schwanger. Also braucht das Pärchen mehr Platz und wenn möglich von den anderen geliehenes Geld, wenn sie weiterhin dabei sein wollen.

Und die tausend Leute kennende, aber vereinsamte Ex-Wirtin Charlotte hat einen Schlaganfall.

Wie geht die Gemeinschaft jetzt damit um?

Das und mehr sei hier nicht verraten. Klar ist: Längst steckt unsere Baugemeinschaft in einer Krise, die mit dem Aufeinanderprallen verschiedener Lebensphilosophien zu tun hat, mit der Frage, wieviel Gemeinschaft gewünscht, wieviel Solidarität nötig ist. Und wie flexibel der Architekt auf die neu entstandenen Bedürfnisse der Bewohner eingehen kann oder will. Das Stück lebt von diesen Diskussionen. Und von den Schauspielern. Allen voran der in seiner Kombination aus sozialer Unsicherheit und Gerechtigkeitsstreben von Rolf Kindermann brillant gegebene Holger.

Auch Sabine Weithöner als Birgit, immer auf dem Sprung zu hilfloser Hysterie, ist eine sofort wiedererkennbare Figur.

Thomas Zerck und Robin Walter Dörnemann springen als schrille Musikervögel durch die Baugruppe - mit im Ernstfall erstaunlich wenig Empathie.

Heiner Kock und Laura Sauer geben Christian und Mila mit viel Ernsthaftigkeit, Jammer und Idealismus.

Ach, und die immer leicht arrogant wirkende, kunstbourgeoise Großzügigkeit, mit der Susanne Weckerle ihre Vera spielt - doch, das jeweilige Milieu hat Lutz Hübner gut getroffen.

Die Angst, dass bei den Baugemeinschaftstreffen im Hause Veras und Ludgers deren Kunst im Wohnzimmer umgestoßen werden könnte, macht Regisseur Jan Jochymski zu einer Paradenummer für Andreas Guglielmetti (Ludger). Ebenso irre kontrastiert der Regisseur eine lärmende Musikprobe der beiden Musiker mit einem heiklen Bittstellergespräch zwischen Ludger und Christian. Da feiert die Komödie jedesmal krachend boulevardeske Urständ, sprengt den Rahmen des komischen Psychorealismus und bewahrt die Inszenierung vor einem gleichbleibenden Komödienrealismuston. Und wenn Judith besoffen nachhause kommt, übersetzt Jochymski das mit einem sportiven Klettereinsatz der Jugendlichen kopfüber ins Haus.

Gastschauspielerin Melina Schöfer (sie wechselt sich als Judith in den Vorstellungen mit Mattea Cavic ab) ist eine schöne Entdeckung, Marke: Sähe man gerne öfter am LTT. Zusammen mit Charlotte (herzergreifend gut: Gotthard Sinn) ist sie bei diesem Haufen Bauwilliger irgendwie außen vor, weshalb den beiden auch das Schlusswort gehört.

Wenn wir das richtig verstanden haben, kommen in Hübners argumentativ und Autor-empathisch ganz gut austariertem Personengefüge dann doch der Architekt Philipp (agil, karrierebewusst, schön oberflächlich: Rapahel Westermeier) und die bildungsbürgerlichen Ästheten nicht ganz so gut weg,das Herz des Autors, unser aller Herz, pocht doch immer eher für die sozial Bewegten als für die privaten Traumverwirklicher und Snobs.

Doch halt! In Wahrheit sind hier - und sind wir - alle private Traumverwirklichungswoller und nur die Frage, wer für wen bei diesem Traum dazugehört, wieviel Gemeinschaft gewollt ist, wieviel soziale Verpflichtung wem gegenüber und warum - unterscheidet die Menschen. Eine Frage rechtzeitiger Klärung, keine der Moral. Das kann man mitnehmen. Und zwei Stunden Unterhaltung. Und die Frage: Wie wollen wir leben?


Unterm Strich

Nette psychorealistische Karikatur einer Baugemeinschaft, die sich verkracht. Verhandelt die Fragen: Wie wollen wir wohnen? Wie wollen wir leben? Geschrieben von Lutz Hübner, der gern gesellschaftsrelevante Themen in Boulevard überführt. Jüngst wurde sein Stück "Frau Müller muss weg" zum Kinoerfolg.


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Reutlinger Generalanzeiger, 26. Juni 2017

Echte Tübinger Typen

(von Martin Bernklau)

 

Eine Baugruppen-Kömodie, die perfekt in die schwäbische Ökostadt passt

 Ein Stück kehrt heim, gezeigt am Originalschauplatz Tübingen: Französisches Viertel, Loretto, Mühlenviertel, Alte Weberei, jetzt auch noch Güterbahnhof unmittelbar neben der Spielstätte LTT. Das 2012 uraufgeführte »Richtfest« des höchst erfolgreichen Berliner Bühnenautors Lutz Hübner nahm sich jetzt Jan Jochymski für das Landestheater vor. Am Samstag hatte die Komödie ihre gut besuchte Premiere. Lutz Hübner ist - na was wohl? - Schwabe.

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