Laura Sauer, Susanne Weckerle · Foto: Martin Sigmund
Patrick Schnicke, Robin Walter Dörnemann · Foto: Martin Sigmund
Heiner Kock, Daniel Tille · Foto: Martin Sigmund
Susanne Weckerle, Heiner Kock · Foto: Martin Sigmund
Franziska Beyer · Foto: Martin Sigmund
Rolf Kindermann, Franziska Beyer · Foto: Martin Sigmund
Susanne Weckerle, Patrick Schnicke · Foto: Martin Sigmund
Patrick Schnicke, Rolf Kindermann · Foto: Martin Sigmund
Rolf Kindermann · Foto: Martin Sigmund
Gotthard Sinn, Heiner Kock · Foto: Martin Sigmund
Rolf Kindermann, Franziska Beyer · Foto: Martin Sigmund
Patrick Schnicke · Foto: Martin Sigmund
Robin Walter Dörnemann, Franziska Beyer, Rolf Kindermann, Gotthard Sinn, Laura Sauer, Patrick Schnicke, Daniel Tille, Heiner Kock, Susanne Weckerle · Foto: Martin Sigmund
Franziska Beyer, Laura Sauer · Foto: Martin Sigmund
Laura Sauer, Franziska Beyer, Heiner Kock · Foto: Martin Sigmund

Nathan der Weise

Dramatisches Gedicht von Gotthold Ephraim Lessing


Reutlinger Nachrichten, 6. Oktober 2016

Verbotene Liebe – und das im Pulverfass der Religionen

(von Kathrin Kipp)

Das Landestheater Tübingen Reutlingen eröffnet die Spielzeit mit dem „Stück der Stunde“ – mit Lessings Aufklärungsklassiker „Nathan der Weise“

Verbotene Liebe im multireligiösen Pulverfass: Gotthold Ephraim Lessings aufklärerisches Versöhnungsmärchen hat durchaus seifenoperische Qualitäten. Angesichts dessen, was sich in Deutschland gerade mal wieder an irrationalen Ängsten, „postfaktischem“ Gebrülle und dumpfbackigem Fremdenhass zusammenbraut, setzen die Theater im Land schnell und zahlreich den vernunfts- und diskursfokussierten Nathan auf den Spielplan. Denn der hat schon 1779 lehrbuchmäßig gezeigt, wie man die Fundis ein bisschen ärgern kann, dass (religiöse) Wahrheiten und Wertigkeiten ziemlich relativ sind und wie man interkulturelle Konflikte angehen sollte: mit viel Dialektik, Liebe, Toleranz, Respekt und interreligiösen Verkupplungsmaßnahmen.

Wenn nicht immer wieder die Orthodoxen dazwischenterrorisieren würden. Vor 230 Jahren noch revolutionär, weil nestbeschmutzerisch und kirchenlästerlich, kommt einem das Stück für unsere heutige Lebenswirklichkeit reichlich brav, naiv, schulmeisterlich, religiös, weltfremd und utopisch vor. Beim Zuschauen denkt man die ganze Zeit, die Leute haben Probleme, die sie ohne ihre Religion vermutlich gar nicht hätten.

(...)

 

Aber immer noch stellt sich die große Frage, ob sich unsere Gesellschaft seit Lessing, oder aber zumindest seit dem Holocaust zivilisatorisch, kulturell, ethisch und ideologisch weiterentwickelt hat.

Deshalb wird dem LTT-Publikum unter der Regie von Oberspielleiter Christoph Roos die aufklärerische Wichtigkeit des Stücks immer wieder mit dem Holzhammer zu Geiste geführt, indem ein „besorgtes“ Volk Pegida- und Nazi-Zitate durch die Gegend brüllt. Von zart fremdenfeindlich bis hin zu übelst rassistischen und antisemitischen Sprüchen aus Gegenwart und Vergangenheit.

Abgesehen von diesen plakativen Geschrei-Einlagen zieht einen der LTT-Nathan als vielleicht nicht gerade lebensecht, aber trotzdem catchy diskursives Stück durchaus mit. Schließlich spielt sich das Ensemble sehr konzentriert, textfokussiert und ohne Effekthascherei, also praktisch ganz trocken evangelisch in die komplizierten Jerusalemer Verhältnisse hinein, die am Ende in eine großartig hanebüchene Seifenoperliebe gipfeln. Diese verbotene Liebe wird dann allerdings nicht mehr durchgespielt, sondern leider aufgelöst. Das war dem guten Lessing dann wohl doch zu unmoralisch.

Auf der LTT-Bühne von Anne Hölck jedenfalls liegen die verkohlten Reste von Nathans niedergebranntem Haus, Nebelschwaden ziehen durch den Saal. Nathan kehrt gerade von einer ausgiebigen Import-Export-Tour zurück und findet nur noch zwei schräge Wände und einen schwarzen Lumpenhaufen vor, durch den sich die Figuren von Zeit zu Zeit wühlen.

(...)

Und so ist das ganze Setting ein einziges Pulverfass: Überall lauern religiöse Tretminen, ein unbedachter Spruch, eine vergessene Leiche im Keller, schon geht es dir an Kopf und Kragen. Alle sind leicht nervös. Der leicht undurchsichtige Sultan beruhigt sich mit Schach, seine Schwester (Franziska Beyer) lässt als Running Gag den Muezzin-Wecker dröhnen. Patrick Schnickes Nathan, dessen gesamte Familie einst von den Christen vernichtet wurde, übt sich in Vernunft, Geduld und Verzeihung - ein Hiob-Typ. Er betrachtet sein Schicksal als Fügung Gottes, während seine temperamentvolle Tochter Recha (Laura Sauer) überall Wunder und Engel sieht, aber auch schon ein wenig in des Vaters Weisheits-Stapfen tritt: „Es sind nicht alle frei, die ihrer Ketten spotten.“ Da hat sie Recht.

(...)

Susanne Weckerle als Rechas Erzieherin Daja erfüllt vor allem eine dramaturgische Funktion, wenn sie die Geheimnisse von Nathan ausplaudert und die Geschichte ins Rollen bringt. Daniel Tille als demütiger Klosterbruder wiederum muss so manchen inneren Konflikt aushalten, während der Finanzminister des Sultans (Robin Walter Dörnemann) die Schnauze voll hat von den ganzen religiösen Brutalitäten und zu den Hindus nach Indien flieht. Ob‘s da menschlicher zugeht? Und überhaupt: Kann uns Religion zu besseren Menschen machen?


[schliessen]


Reutlinger Generalanzeiger, 5. Oktober 2016

Humanismus-Utopie mit Störfeuern

(von Christoph B. Ströhle)

Lessings »Nathan der Weise« am LTT. Regisseur Christoph Roos stellt behutsam Zeitbezüge her

[mehr lesen]


Schwäbisches Tagblatt, 4. Oktober 2016

Nathans alte Weise

(von Wilhelm Triebold)

Das Tübinger Landestheater weiß mit Lessings Versöhnungsklassiker recht wenig anzufangen.

[mehr lesen]


Schwarzwälder Bote, 4. Oktober 2016

Das zähe Ringen um die religiöse Toleranz

(von Christoph Holbein)

Inszenierung von „Nathan der Weise“ müht sich etwas über die Bühne

[mehr lesen]






© 2016     Landestheater Württemberg-Hohenzollern Tübingen Reutlingen Impressum