Dramatisches Gedicht von Gotthold Ephraim Lessing
Reutlinger Nachrichten, 6. Oktober 2016
Verbotene Liebe – und das im Pulverfass der Religionen
(von Kathrin Kipp)
Das Landestheater Tübingen Reutlingen eröffnet die Spielzeit mit dem „Stück der Stunde“ – mit Lessings Aufklärungsklassiker „Nathan der Weise“
Reutlinger Generalanzeiger, 5. Oktober 2016
Humanismus-Utopie mit Störfeuern
(von Christoph B. Ströhle)
Lessings »Nathan der Weise« am LTT. Regisseur Christoph Roos stellt behutsam Zeitbezüge her
Schwäbisches Tagblatt, 4. Oktober 2016
(von Wilhelm Triebold)
Das Tübinger Landestheater weiß mit Lessings Versöhnungsklassiker recht wenig anzufangen.
Schwarzwälder Bote, 4. Oktober 2016
Das zähe Ringen um die religiöse Toleranz
(von Christoph Holbein)
Inszenierung von „Nathan der Weise“ müht sich etwas über die Bühne
Die jüngsten Bombenanschläge in Dresden unter anderem auf eine Moschee, die Übergriffe auf Flüchtlingsheime, die fremden- und islamfeindlichen Parolen von Pegida und AfD, der Terror des „Islamischen Staates“ im Namen Gottes, die Attentate in Würzburg und Ansbach, der kriegerische Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern:
Aktuelle Anlässe gibt es genug, die das dramatische Gedicht von Gotthold Ephraim Lessing „Nathan der Weise“ mit seinem Appell für religiöse Toleranz und Menschlichkeit auch heute noch zu einem modernen Stück machen. Ein Stück, welches „das Konfliktpotenzial zwischen Judentum, Christentum und Islam spiegelt und gleichzeitig das Modell einer Versöhnbarkeit von Juden, Christen und Muslimen anbietet“, wie es der Tübinger Professor der katholischen Theologie, Karl-Josef Kuschel, formuliert.
(...) Roos vermittelt in nett gezeichneten inszenatorischen Details einen leisen humorvollen Witz, etwa in der Interpretation der Rolle des Klosterbruders. Kleine Accessoires – wie eine Spieluhr in Sultan-Palast-Form, die arabische Klänge von sich gibt (Anmerkung der Dramaturgie: es handelt sich um einen sogenannten Moscheewecker und um den Ruf des Muezzins) – lockern diese Zähigkeit, dieses mitunter sehr statische Spiel trotzdem zu wenig auf. Und nur sehr zart deutet der Regisseur den aktuellen Bezug des Stückes an: Immer wieder zwischendurch den Chor der Schauspieler im Dunkeln Parolen wie „Wir sind das Volk – es ist nicht das Land von Fremden“ skandieren und am Ende in einer Kakophonie münden zu lassen, reicht da nicht aus. Das sind zu wenige aktuelle Assoziationen. Eindrucksvoller sind da die stillen, kleinen Szenen, in denen die minimalen Facetten gut gezeichnet sind, auf der Suche nach der Wahrheit, die bei Lessing entlang der Ringparabel heißt, dass es nicht den einen, allein selig machenden, rechten Glauben gibt, der die Wahrheit für sich gepachtet hat. Und schon gar nicht das Recht, diese „Wahrheit“ mit Gewalt durchzusetzen, dass es eben nicht legitim ist, für eine „gute Sache“ zu töten.
Gespielt ist die Tübinger Inszenierung gut, wenn auch immer wieder das flotte Agieren, der Drive, der Pep fehlen. Der Regisseur kitzelt dennoch auch Parodie, Ironie und Sarkasmus aus dem Stück, verhilft seinem Ensemble, mit innerer Überzeugung und Energie zu agieren, intensiv zu spielen. Aber ein bisschen mehr Mut beim Kürzen und Streichen nähme ermüdende Längen aus der Inszenierung. Ein bisschen mehr Wagnis, zu experimentieren und Lessings Werk dramaturgisch zu aktualisieren, eröffnete die Möglichkeit, sich auf das Wesentliche des Werks zu konzentrieren, den inhaltlichen Kern zu übersetzen, um damit vor allem auch jüngeres Publikum für diesen gesellschaftspolitisch so wichtigen Stoff zu gewinnen. Das wäre in Zeiten einer wachsenden fremdenfeindlichen Stimmung in unserem Land ein großer Verdienst.