Volksstück von Ödön von Horváth
Schwarzwälder Bote, 20. Mai 2017
Derb-brachiales Haudrauf-Theater
(von Christoph Holbein)
Volksstück »Kasimir und Karoline« setzt auf plakatives Spiel
Man muss die skurrile Schrägheit eines Ödön von Horváth schon mögen, ansonsten ist man hoffnungslos verloren als Zuschauer. Insoweit ist die Inszenierung des Volksstückes »Kasimir und Karoline« am Landestheater Württemberg-Hohenzollern Tübingen Reutlingen (LTT) nur konsequent: Regisseur Christoph Roos setzt auf plakative Szenen, derbe Typen und schrille Handlung, um so diesem sozialkritischen Volkstheater, für das der Autor Ödön von Horváth als Erneuerer steht, gerecht zu werden.
Auf der Bühne mit der variabel eingesetzten Drehscheibe, mal als Schräge, mal gedreht, mal als auf und ab tanzende Wippe – Gesine Kuhn hatte dazu die Idee –, auf weißen Plastikstühlen vor Wellblech-Wand, garniert mit Helium gefüllten Luftballons in Herzform und mit Musik als Bindeglied zwischen den Szenen entwickelt sich ein wortwitziges, derb-frivoles Spiel. »Kasimir und Karoline«, 1932 geschrieben, erzählt eine Liebesgeschichte und beleuchtet das menschliche Verhalten in Krisensituationen. Kasimir und seine Verlobte Karoline, die gemeinsam das Oktoberfest besuchen, sehnen sich nach der großen Liebe, nach Geborgenheit und Halt und verlieren sich dabei in ihrer Angst, gesellschaftlich abzurutschen. Karoline will das Leben genießen und sich amüsieren, Kasimir dagegen ist gerade arbeitslos geworden und frustriert. Es kommt zu Streit und Bruch, und am Ende haben sich beide wohl für immer verloren.
Regisseur Roos versucht die Geschichte mit einem pointierten Agieren seiner Protagonisten zu interpretieren in einer Mischung aus Komik und Tragik, die wenig Raum für herzhaftes Lachen lässt: »Ein jeder intelligente Mensch ist ein Pessimist.« Er arbeitet damit mit Symbolen – wie das Eis essen –, lässt seine Akteure klar spielen, auch wenn es mitunter statisch bleibt, und untermalt den Witz des Stückes mit lang gehaltenen Pausen. Dadurch entstehen sehr skurrile Bilder mit einer gewissen Stärke, die oft laut und brutal sind. Die Gefühlswelten der agierenden Menschen übersetzt Roos in eine charakterisierende Körperlichkeit, die das Kaputte der Protagonisten symbolisiert. Das ist ungeschminkt und ungeschönt, das ist gebrechlich, korrupt, burschikos und brachial. Jeder schaut nach seinem Fortkommen, nach einer Zukunft, nach sozialem Aufstieg, verliert dabei den Mitmenschen aus dem Blick, gerät womöglich auf die schiefe Bahn und bleibt unfähig zu wahren Gefühlen.
Die Inszenierung am LTT schöpft dabei aus dem Vollen eines äußerst plastischen und plakativen Spiels, das auf grelle Töne und provokante Übertreibung baut – wie gesagt: Man muss das mögen wollen.
Schwäbisches Tagblatt, 2. Mai 2017
Der richtige Dreh für die Desillusion
(von Wilhelm Triebold)
Am Tübinger Landestheater nimmt Regisseur Christoph Ross Ödön von Horvaths Volksstück "Kasimir und Karoline" beim Wort - und tut gut daran.
Reutlinger General-Anzeiger, 2. Mai 2017
Die Gesellschaft auf der Achterbahn
(von Thomas Morawitzky)
Ödön von Horváths gesellschaftskritische Liebesgeschichte "Kasimir und Karoline" am LTT.