Am morgigen Samstag läutet das LTT mit einem Theaterfest ab 14 Uhr die neue Spielzeit ein. Höhepunkt ist um 17 Uhr im großen Saal die Uraufführung des neuen Jungen-LTT-Stückes „Großes Durcheinander“. Ein clownesk-poetisches Theaterabenteuer von Michael Miensopust für die ganze Familie ab 8 Jahren. Dramaturgie-Mitarbeiterin Annika Wilke sprach mit dem Regisseur Michael Miensopust und dem Choreografen Gary Joplin über deren die erste gemeinsame Arbeit.
Annika Wilke: Ohne zu viel zu verraten – was ist der Hintergrund bei „Großes Durcheinander“?
Michael Miensopust: Das ist eigentlich ein sehr assoziativer. Ich habe in den letzten Jahren viele fremde Länder bereist und finde es interessant, was alles an angenehmen Missverständnissen und verrückten Situationen passieren kann. Wir haben ja auch viel mit Fremden zu tun, die zu uns kommen. Im Endeffekt entwickelt sich das Stück während den Proben zusammen mit den Schauspielern und Kollegen, und es kommen noch ganz andere Richtungen dazu. Aber die Ausgangssituation war, dass sich komplett fremde Mentalitäten begegnen und versuchen, auf irgendeine universelle Art und Weise zusammenzufinden.
Die körperliche Ausdrucksweise spielt eine große Rolle. Warum haben Sie sich für eine choreografische Kunstform entschieden?
Miensopust: Die Schauspieler haben keinen Text. Das ist für mich ein spannender Vorgang. Ich glaube nämlich, dass man nonverbal deutlich mehr wahrnimmt, als über Inhalte und Sprache. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man viel mit abstrakten Mitteln erzählen kann und dabei jeder sozusagen sein eigenes Stück versteht.
Gary Joplin: Ich arbeite seit Jahren nicht nur als Choreograf für Tanzstücke, sondern auch mit Schauspielern. Das wird als „physical theatre“ bezeichnet. Dabei steht im Mittelpunkt, dass man mit dem Körper eine eigene Sprache entstehen lässt und damit eine Klarheit schafft, die allein eine Geschichte erzählt. Ich finde es besonders herausfordernd und interessant, in diesem Stück komplett ohne Sprache zu arbeiten.
Miensopust: Wobei – ganz ohne Sprache ist es nicht, wir erfinden ja eine neue.
Ist diese stark körperbetonte Arbeitsweise auch für die Schauspieler eine neue Herausforderung?
Miensopust: Die Schauspieler unterhalten sich miteinander, ohne einen Text zu haben. Das heißt, sie müssen sich „körperlich“ sehr genau zuhören. Wir haben am Jungen LTT schon einmal ein Stück ohne Sprache gemacht: „Ein Tag wie das Leben“. Die beiden damals beteiligten Schauspieler haben sicher einen leichteren Zugang zu dieser Arbeitsweise, aber für alle ist es eine Entdeckung.
Joplin: Durch die choreografische Arbeit ist das, was auf der Bühne geschieht, sehr kontrolliert. Schauspieler haben normalerweise viel mehr Freiheit in dem, was sie tun. Bei manchen Szenen will ich, dass etwas auf den Moment genau passiert, und es ist komplett durchgetaktet – denn jede Kleinigkeit, die nicht klar ist, trübt das Bild. In den Proben ist es für die Schauspieler schwierig, weil sie manchmal erst im Nachhinein den Sinn gewisser Abläufe verstehen.
Miensopust: Es ist nicht leicht für die Schauspieler, von außen nach innen zu arbeiten, wenn sie es sonst umgekehrt machen.
Wie war es für Sie beide, als Regisseur und Choreograf, ein Stück zusammen zu inszenieren? Führen unterschiedliche Ansätze nicht zu Differenzen?
Miensopust: Es gibt immer Meinungsverschiedenheiten, zum Glück. Mich fasziniert, dass Gary als Choreograf einen ganz anderen Blick hat. Ich schaue in erster Linie nicht choreografisch, sondern inhaltlich, was zwischen den Figuren passiert. Also sind es zwei Sichtweisen auf ein und dieselbe Szene. Wenn das gut umgesetzt wird, kriegt sie die doppelte Kraft.
Joplin: Michael konzentriert sich mehr auf das „Was“ und ich eher auf das „Wie“: Ich sehe, was wir erzählen wollen und frage mich, wie das auf eine abstrakte, aber dennoch klare Art möglich ist.
Warum haben Sie Clown artige Figuren gewählt, um Ihre Geschichte zu erzählen?
Miensopust: Clowns sind Wesen, die man sofort annehmen kann – und starke Identifikationsfiguren für Kinder. Ich habe mal als Klinikclown gearbeitet, und die Kinder fragten mich ganz ernsthaft, in welchem Zirkus ich wohne. Das bedeutet aber nicht, dass Clowns immer witzige Kasper sein müssen; es können eben auch solche sein, die traurig sind, eine Geschichte hinter sich haben, etwas suchen. Clowns haben mich deswegen gereizt, weil sie eine einfache, universelle Sicht auf die Welt haben, sie sind kindlich und reagieren auch so.
Joplin: Außerdem hat es mit der Zeiteinteilung zu tun. Clowns gehen nicht direkt von A nach B. Eine Aktion ist stets in viele kleine Schritte unterteilt, die alle überzeichnet werden.