Schauspiel von Jennifer Haley · Deutsch von Michael Duszat
Reutlinger Nachrichten, 13. Dezember 2017
(von Kathrin Kipp)
Zwischen Realität und virtueller Welt: Das LTT zeigt den Technologie-Krimi „Netzwelt“ von Jennifer Haley.
Schwarzwälder Bote, 8. Dezember 2017
Verwirrt und verloren in der Cyber-Realität
(von Christoph Holbein)
„Die Netzwelt“ hinterlässt mehr Fragen als Antworten
Schwäbisches Tagblatt, 4. Dezember 2017
(von Wilhelm Triebold)
Faszination und Schrecken im Refugium: Sascha Bunges Inszenierung von Jennifer Haleys "Netzwelt" überzeugt in der Werkstatt.
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In Sascha Bunges sehenswerter LTT-Inszenierung zeigt sich das Refugium erst einmal als eine Art Ruheraum, wie er im Rückzugsbereich einer Sauna vorkommen mag (Bühne: Angelika Wedde). Mitten im angeblichen Idyll steht allerdings ein Tor aus Neonleuchten, über dem Dantes Warnung stehen könnte: "Ihr, die ihr eintretet, lasset alle Hoffnung fahren."
In diesen Zwischenwelten mit digitaler Pforte ermittelt nun eine Detektivin, die auf der Suche nach den Übeltätern selbst der Versuchung zu erliegen droht. Bunges Regie kommt dabei ohne alle Schock- oder Schmuddel-Elemente aus, es herrscht der - ab und zu auch mal lauter werdende - Kammerton vor in der Konversation zwischen Ermittlerin und den von ihr Verhörten.
Laura Sauer spielt diese Netz-Detektivin Morris mit beherrschter, aber auch wachsender Empörung, gepaart mit Hilflosigkeit. Wenn es jenseits von Gut und Böse noch andere Kräfte gibt, versagt auch der edelste kriminalistische Spürsinn.
(...) In Tübingen lässt man nun Raphael Westermeier als Mr. Sims im viktorianischen Karo-Outfit für den rechtsfreien Darkroom streiten: ein manierlich auftretender Gentleman, der sich seine kleinen Mädchen erschafft, ein Pygmalion der schönen neuen Netzwelt. Ruhig und gelassen, durch nichts zu erschüttern.
Sims fühlt sich, zumindest anfangs, unangreifbar in dieser Domain namens "Refugium". Domain lässt sich passend mit Herrschaftsbereich übersetzten, heißt aber auch: Domäne. In diesem Wort schlummern schon die Dämonen. Die Inszenierung lässt sie nicht frei, doch sie sind immer unsichtbar anwesend. Und so geht es bald schon nicht mehr vorrangig nur um Rechtmäßigkeit oder Illegalität, um Privatsphäre oder Strafverfolgung. Sondern auch darum, ob oder wie die Parallelwelt des Internets den Schlaf der Dämonen stören könnte.
Gotthard Sinn gibt überzeugend den an seinem Päderastendasein verzweifelnden Stammkunden Doyle und Jürgen Herold einen schmucken sauberen Spielkameraden im virtuellen Drecks-Netzwerk. Großartig allerdings, wie Mattea Cavic das kleine Mädchen Iris spielt. Eine schwierige Rolle zwischen den Spiegeln, einerseits Hirngespinst des Schöpfers Sims und somit ein Avatar-Geschöpf. Andererseits menschlicher als all die anderen Figuren um sie herum und am Ende mit eigenen Wunschbildern und Sehnsüchten versehen. Mattea Cavic schafft die Balance auf diesem schauspielerischen Schwebebalken hervorragend.
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Unterm Strich
Mit Jennifer Haleys "Netzwelt"-Dystopie greift das Landestheater ein Thema auf, das immer zwingender nach Antworten sucht: Wie verändern die Möglichkeiten, in virtuelle Echoräume zu flüchten, auf Dauer die menschliche Wahrnehmung und Identität? Wer darüber nachdenken will, was kommenden Generationen blüht, ist hier richtig. Für U 40 und alle, die an der Zukunft interessiert sind.
Reutlinger General-Anzeiger, 4. Dezember 2017
(von Thomas Morawitzky)
Jennifer Haleys Stück »Die Netzwelt« über eine amoralische digitale Parallelwelt feiert Premiere am LTT