Robin Walter Dörnemann, Gotthard Sinn, Raphael Westermeier, Carolin Schupa, Thomas Zerck · Foto: Martin Sigmund
Carolin Schupa · Foto: Martin Sigmund
Daniel Tille, Carolin Schupa, Robin Walter Dörnemann · Foto: Martin Sigmund
Raphael Westermeier · Foto: Martin Sigmund
Gotthard Sinn · Foto: Martin Sigmund
Daniel Tille, Carolin Schupa, Robin Walter Dörnemann, Thomas Zerck · Foto: Martin Sigmund
Gotthard Sinn, Raphael Westermeier · Foto: Martin Sigmund
Robin Walter Dörnemann, Daniel Tille, Thomas Zerck · Foto: Martin Sigmund
Gotthard Sinn, Raphael Westermeier · Foto: Martin Sigmund
Gotthard Sinn, Carolin Schupa, Raphael Westermeier · Foto: Martin Sigmund
Gotthard Sinn, Raphael Westermeier · Foto: Martin Sigmund
Raphael Westermeier · Foto: Martin Sigmund

Die Goldberg-Variationen

von George Tabori

Deutsch von Ursula Grützmacher-Tabori


Schwarzwälder Bote, 14. Dezember 2016

Gratwanderung zwischen Klamotte und Drama

(von Christoph Holbein)

LTT setzt beim Stück "Die Goldberg-Variationen" von George Tabori auf Skurrilität

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Reutlinger Nachrichten, 7. Dezember 2016

Der Heilige Geist wohnt im Zufälligen

(von Kathrin Kipp)

Ist die Welt nur eine mehr schlecht als recht improvisierte Bühnen-Probe? LTT-Dramaturg Lars Helmer inszeniert George Taboris schwarze Komödie „Die Goldberg-Variationen“.

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Reutlinger General-Anzeiger, 6. Dezember 2016

Erkenntnis mit Banane

(von Thomas Morawitzky)

Die "Goldberg-Variationen" sind nicht weniger lustig als Monty Python, aber tiefsinniger. George Taboris Stück versetzt das Ensemble des Landestheaters in beste Spiellaune; die 90 Minuten fliegen kichernd und bestürzt dahin.

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Schwäbisches Tagblatt, 5. Dezember 2016

Es werde Licht, sagte der Herr, und siehe, es ward Bühnenlicht

(von Peter Ertle)

Lars Helmer nimmt am Landestheater George Taboris Theater&Schöpfungs-Parallelschwung "Goldberg-Variationen" so ernst und so komisch, wie das dem Autor und dem Publikum zu wünschen war.

Goldberg: "Die leere Bühne ist eine Stätte der Schönheit, besonders am ersten Probentag, wenn noch nichts schiefgegangen ist." Mrs. Mopp: "Wird schon noch."

Dieser Dialog zwischen dem Regieassistenten Goldberg und der Putzfrau Mrs. Mopp ist ein sehr menschlicher und es ist kein Zufall, dass ausgerechnet die beiden ihn führen. Eine Putzfrau muss hinterher all das wegmachen, was sich ungefragt angesammelt hat und schief gegangen ist. Und ein Regieassistent, besonders dieser, muss all das ausbügeln, was sein Chef, der Regisseur Mr. Jay, verbockt hat. Er muss mit ihm gemeinsame Sache machen und wird am Ende doch fragen: "Vater, Vater, warum hast du mich verlassen?" Oder in den Worten des Regisseurs: "Weißt du, was Er nach dem Abendmahl gesagt hat?" Goldberg: "Einer von euch wird mich verraten." Mr. Jay: "Getrennte Rechnungen."

Naja, schief geht hier einiges. Und zwar immer in Parallelführung des vergleichsweise kleinen Bühnenlebens und des biblischen Geschehens. Denn einerseits probt hier eine Theatertruppe an einer Jerusalemer Bühne ein Stück, das Szenen aus dem Alten und Neuen Testament bebildern soll. Andererseits werden diese Proben zu einer Allegorie auf die Schöpfung, der Regisseur ist Gottvater, der Regieassistent Abraham, Moses, Jesus . . .

Und die Probe simuliert nicht nur, manchmal wird die Fiktion Realität. Wenn Adam und Eva sich "erkennen", haben die beiden Schauspieler auf dieser Jerusalemer Bühnenprobe wirklich Sex, bis der eifersüchtige Gottvaterregisseur mit Paradiesvertreibung dazwischenfährt. Wenn Kain Abel erschlägt, duckt sich der zu spät und bekommt leider wirklich eine übergezogen. Der arme Goldberg wird von den Hells Angels vermöbelt und muss verarztet werden. Wenn Abraham das Messer an Isaaks Hals ansetzt, läuft sofort Blut und es ist nicht ganz auszumachen, ob es sich nur um Theaterblut handelt. Ganz zu schweigen von der Szene, als der Soldat mit der Lanze in den Leib des gekreuzigten Jesu sticht. Raphael Westermeier gibt den Mr. Jay zynisch jovial, immer die große Geste, das große Kind, die große Locke, den langen Schal, aber auch vom Burnout seiner Liebesverzweiflung geschlagen. Eigentlich hat er keine Lust mehr, es geht ja auch alles schief. Die Menschen sündigen, seine Geliebte weist ihn ab, der Tontechniker spielt den Marsch anstelle von Bach.

Ganz anders sein Gegenspieler, Gotthard Sinns Goldberg: Jude, eine Nummer auf dem Unterarm, das Schicksal seines Volks in Understatementform auf den Schultern, weil es sonst zu schwer wäre. Ein schmallippig frotzelnder Alltagshiob. Verzieht die Miene nur unmerklich, wenn der Regiegott ihm eine Banane ins Probenbuch legt und zuklappt. Bricht später doch fast zusammen, Schutz suchend bei Mrs. Mopp. Hat seine große Stunde, als er nach dem Kreuzestod wieder aufersteht, Gott in seine Schranken weist, die Premiere rettet und ihn für all seine Gemeinheiten sanft auf die Stirn küsst, Kommentar: "Ich habe soeben die Nächstenliebe erfunden."

Da staunt Mr. Jay, da wird natürlich geschmunzelt und gekichert. Und gelacht wird auch, öfters, Taboris Kalauer sind berühmt, manche sehr hintersinnig, einige einfach nur mit Monty Python-Qualität. "Tut es sehr weh?" fragt der Soldat Jesus am Kreuz. "Nur wenn ich lache", sagt der. So will es zumindest der Regisseur, der sich von seiner Ausstatterin Ernestina genau die biologischen Details eines Kreuzestods schildern lässt. Es ist ein bisschen als schildere sie ihm, was genau beim Tod in der Gaskammer vor sich geht.

Lars Helmer inszeniert das alles sehr fein, genau, durchdacht, mit genügend Gespür für Komik und theatralische Wirkung. Man kann diese Sorgfalt gerade an der Ausarbeitung der weniger zentralen Szenen verfolgen, einer wunderbaren, figurentheatergleichen Schlange im Garten Eden, oder kleinen Kinderschuhen an den Knien Japhets (ganz großartig: Thomas Zerck) bis hin zu jahrmarkttheatergleichem Schlagabtausch, bei denen Goldberg jeden Schlag akustisch verstärkt.

Die größte Akzentuierung aber unternimmt Lars Helmer, indem er die Putzfrau Mrs. Mopp, die Ausstatterin Ernestina van Veen, den Superstar Terese Tormentina und den Angel der Hells allesamt von Carolin Schupa spielen lässt. Eine logistisch knifflige Sache, schauspielerisch beeindruckend gelöst. Aber auch Daniel Tille, Robin Walter Dörnemann und Thomas Zerck haben durch ihre diversen Rollen im Jerusalemer Theaterstück ein vielgestaltiges Erscheinen. Langweilig wird es hier keinem, weder auf der Bühne, noch im Publikum.


Unterm Strich

Bei George Tabori wird sogar die Bibelstunde unterhaltsam. Ob es sich nun um die Geburt des Theaters aus der Religion oder genau um das Umgekehrte handelt, heraus kommt auf der Schnittstelle zwischen beidem doch akkurat: Die Welt. Und auch hier wie in vielen anderen Stücken beschäftigt sich Tabori sanft schwarzhumorig mit dem Vater-Sohn-Konflikt und dem Schicksal des jüdischen Volks.


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