Foto Tobias Metz
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Der Mann ohne Vergangenheit

Schauspiel nach dem Film von Aki Kaurismäki · Deutsch von Maria Helena Nyberg


Schwarzwälder Bote, 11. Oktober 2017

Durchkomponiertes Spiel voller Rhythmik, Witz und kreativer Ideen

(von Christoph Holbein)

Das Stück „Der Mann ohne Vergangenheit“ schöpft aus den Möglichkeiten des Theaters / Regisseur sorgt für klare Bilder

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Reutlinger Nachrichten, 6. Oktober 2017

Liebe im Wellblechbereich

(von Kathrin Kipp)

Heilsarmee trifft auf Rock’n’Roll und auf blecherne Slum-Idylle: Christoph Roos bringt am LTT Aki Kaurismäkis Anti-Hollywood-Märchen „Mann ohne Vergangenheit“ auf die Bühne

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Schwäbisches Tagblatt, 2. Oktober 2017

Steh auf und wandle und dreh mich nach oben

(von Peter Ertle)

Am LTT wird aus Aki Kaurismäkis 15 Jahre altem Filmmärchen "Der Mann ohne Vergangenheit" ein dem Autorgestus sanft folgendes, überraschend aktuelles Theaterstück übers Fremdsein, rechte Schläger, die Güte der Menschen und die Kälte des Kapitalismus.

Was da eingangs auf der Bühne (Timo von Kriegstein) tobt, sind Bauarbeiten, peitschend hart knallt das Metall. Die Schweißermasken könnten allerdings auch Masken einer Schlägerbande sein, die Rohre Knüppel. Ja, irgendwie sieht das hier auch aus wie Leistungsgymnastik einer sich ertüchtigenden Gesellschaft, vielleicht Wehrsportgruppe H., H für Helsinki. Irgendwann läuft die Musik am Band immer schneller und wie der Mensch in Chaplins "Moderne Zeiten" dem Fließband nicht mehr hinterherkommt, kollabiert er auch hier, der Mensch, zumindest einer. Ob ihn daraufhin seine Kollegen zusammenschlagen oder ob er, so legt es das Stück später nahe, nach einer Zugfahrt verprügelt wird, die Eingangsszene lässt es im Ungefähren. Was sie nicht im Ungefähren lässt: Die Gewalt, die der Mensch dem Menschen antut. Und die Gewalt eines unmenschlichen, sozial ungerechten Fortschritts.


Die Folgen: Ein Toter. Der Arzt lässt nach Feststellung des Todeszeitpunkts die Schuhe des armen Kerls mitgehen, er muss schnell weiter, zu einer Entbindung. Die Schuhe sind einige Nummern zu groß für ihn, eine schöne Symbolik: Unser toter Mann erreicht im Folgenden unerreichbare moralische Größe. Ja, im Folgenden, denn kaum ist der Arzt weg, steht der Mann auf. Das ist sie vielleicht schon, die angesprochene Entbindung: Eine Auferstehungsgeschichte.


Also muss er erst mal die Leiden der Welt auf sich nehmen, mit dem Verprügeltwerden hat er noch längst nicht abbezahlt. Köpflings einbandagiert, unter vollständigem Gedächtnisverlust leidend, also ohne Namen, ohne Vergangenheit, lernt er sie nun kennen, die Pein der Welt, die Gemeinheiten, die man ganz unten erleidet, sans papiers, namenlos. Aber auch die Freuden, die Güte der Menschen. Manchmal vermischt in einer Person wie dem warmen Halsabschneider Anttila und seinen verschmusten Höllenhunden. Anttila (Daniel Tille) gibt ihm die erste Unterkunft. Später wird er mit Kleiderspenden ansehnlich gemacht, was die Bühne mittels einer großen Kulissenschieberei passend untersützt. Hier werden oft die richtigen Bilder gefunden.


Barackenunterkunft, Kleiderspenden - solche Szenerie war in den letzten zwei Jahren ein Brenpunkt, gehörte zu unserem Alltag: Menschen ohne Pass, mit uns unbekanntem Vorleben, Verfolgte, Geflüchtete, die Ansprache, Unterkunft und etwas Warmes brauchten. Und wenn möglich Arbeit. Aber: Keine Papiere, keine Arbeit, kein Geld. Unserem Mann auf Arbeitssuche schlagen alle Türen vor der Nase zu.


Dass der Paragraphendschungel später dann auch mal andersrum läuft, ein oberster Richter ex machina engelsgleich der irdischen Judikative die juristischen Leviten liest und den Namenlosen rettet, passt in das ambivalente Schema, das Kaurismäki hier vorführt. Er weiß um die Flüche wie die Segnungen der Zivilisation, er kennt die Bosheit und die Herzensgüte der Menschen. Und zumindest in diesem Stück wird jedes Unglück mit einem Glück ausgeglichen. Die Heilsarmee gibt ihm zu essen. Der Elektriker, der die Leitungen in der Baracke legt, will als Lohn nur: "Wenn du mich mal mit dem Gesicht nach unten im Straßengraben siehst, dreh mich nach oben."


Bei Kaurismäki, dieser Mixtur aus Brecht, Chaplin und viel langsamer, finnischer Schwermut wird oft über das dumpfe Schweigen geschrieben und dabei die Grazie, ja Höflichkeit vieler seiner Figuren übersehen. Wenn der Konkurrent in Liebesdingen nach Klärung des Konflikts dem Rivalen gentlemanlike anbietet, ihn zum Flughafen zu fahren, wenn der Bankräuber sich bei den Überfallenen entschuldigt und die sich bei ihm für alle Unannehmlichkeiten - welche Schule der Höflichkeit!


Als Bankraubkulisse reicht hier eine nach oben gestellte - Bank! Die Reduktion ist Programm. So wie der Namenlose mit Wenigem auskommen muss, erprobt die Inszenierung hier, was mit Wellblech, Eisenstangen und Leitern so alles anzufangen ist, zaubert komische Riesenbiergläser, stiftet Krankentransporte auf Rollen, markiert Türen, macht alles auf einen Schlag Gestänge-luftig oder flächig verrammelt. Und vielleicht sollten in Zukunft anstelle der beiden Feuerwehrmänner technische Bühnenaufseher in der ersten Reihe sitzen. Denn wenn die einen Meter weiter vorn postiert gewesen wäre, wäre dort ein Zuschauer von einer umfallenden Eisenstange getroffen worden. Glück gehabt.


Auch unser Namenloser hat Glück. Nicht nur, dass er seine Liebe trifft, (beim ersten Blickwechsel mit ihr stockt der Heilsarmee gleich der Sangesatem), er kommt auch noch über Umwege an einen Rucksack voller Geld. Von dem er sich, da sind wir uns sicher, nur seinen Anteil nehmen wird, den Rest wird er wie ein neuzeitlicher Robin Hood im Ausgleichskampf gegen kapitalistische Humankapitalschäden an die unrechtmäßig Enterbten weitergeben. Ein Held, von dem wir am Ende erfahren, dass er in seinem Vorleben ein ehezerstrittener Spielsüchtiger war. So sehen Helden bei Kaurismäki aus: Auch ganz erbärmlich normal.


In einem Schlenker zum Bankraub wird einem über Schweizer Nummernkonten und verlagerte Industriezweige rasch mal das Gebaren des Finanzkapitals vor Augen geführt, vor der Folie unseres hin und her geschubsten Habenichts wirkt das besonders unmoralisch. Christoph Roos' Inszenierung tut alles dafür, genau diese kapitalismuskritische Seite so en passant wie deutlich zu beleuchten. Auch die schon bühnenbildnerisch präsente und dann in kleinen Signaldetails gebaute Analogie zur Flüchtlingssituation ist unaufdringlich unübersehbar.


Darüberhinaus leistet sich der Abend Theaterspäße, die als Bühnenübersetzung des filmischen Kaurismäkikosmos sofort einleuchten: Mattea Cavic, Heiner Kock und Robin Walter Dörnemann dürfen alle mal Hund spielen - als wär's eine Übung auf der Schauspielschule.


Was das berühmte Schweigen, die Längen und die Staubtrockenheit der Dialoge beim finnischen Filmemacher angeht, fährt die Inszenieurng einen Kompromiss. Eine Kauriusmäki-analoge Bühnenadaption wäre vermutlich ein Juwel für Liebhaber geworden, unter Ausschluss eines großen Teils des Publikums. Und der Kritiker hätte gemäkelt: Kaurismäki kann man eben nicht kopieren. Hier nun wird die Filmsprache, der Gestus mit Sehgewohnheiten des Theaterpublikums versöhnt - das geht schon in Ordnung.


Aber zurück zum Namenlosen: Er ist also Pechmariechen und Glückmariechen in einem. Und - wir erwähnten es bereits - auch ein Erlöser und Verführer zum Guten. Vor allem erlöst und verführt er die Heilsarmeekapelle von ihrem langweiligen Danketdemherrn zu Rhyhm&Blues. Eine kulturelle Bereicherung und Teil eines Happy Ends, das die Not der Hauptfigur nicht vergessen macht. Rolf Kindermann fügt seiner bisher großen Performance am LTT mit der Rolle des gut gebliebenen, einfachen Menschen die nächste hinzu, Susanne Weckerle gibt mit unglaublicher Sanftmut, keuscher Zurückhaltung und innerlichem Erbeben eine Mutter Maria in first love. Daniel Tille und Robin Walter Dörnemann bubeln clownesk. Und wie ihre Kollegen Heiner Kock, Sabine Weithöner und Mattea Cavic tuschen auch sie gleich mehrere Rollen auf die Bretter.


Der Einfall mit der Musik (Markus Maria Jansen) und der technischen Feinabstimmung zwischen den Glühbirnen und den Jukeboxliedern wiederum dürfte als einleuchtendes Beispiel für das spielend Wunderbare in keinem Trailer dieser Inszenierung fehlen.


Unterm Strich

Die Bankenkrise war 2002 noch sechs Jahre entfernt, die rechte Szene in Europa noch vergleichsweise klein. Aki Kaurismäki dachte mit seinem Film auch sicher nicht an Flüchtlinge, hier denkt man automatisch dran und erlebt im "Mann ohne Vergangenheit" schon die Ambivalenz mitmenschlicher Willkommenskultur und aggressiver Fremdenfeindlichkeit. Von Oberspielleiter Christoph Roos feinfühlig umgesetzt.


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Reutlinger Generalanzeiger, 2. Oktober 2017

Durch und durch eine ehrliche Haut

(von Christoph B. Ströhle)

Christoph Roos inszeniert Aki Kaurismäkis Märchen »Der Mann ohne Vergangenheit« am LTT in starken Bildern. 

Die Mär vom »guten Menschen« ist schon häufiger auf Bühne und Leinwand erzählt worden, nicht zuletzt von Bertolt Brecht. Auch Aki Kaurismäki erzählt sie in seinem lakonisch-poetisch gehaltenen Sozialdrama »Der Mann ohne Vergangenheit« aus dem Jahr 2002. Im großen Saal des LTT in Tübingen hat das Stück des finnischen Filmemachers am Freitagabend in einer Bühnenfassung viel bejubelt Premiere gefeiert.

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Blog: Charlottes Theaterpassion, 2. Oktober 2017

Ohne Vergangenheit aber mit Hund

(von Charlotte)

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